Die Balzgesänge unterschiedlicher Heuschrecken-Arten zeichnen sich durch einen Wechsel von Silben und Pausen aus. Die Aktivität der Sinneszellen, die in den Ohren am Hinterleib der Tiere sitzen, war zeitlich sehr präzise an die eintreffenden Reizmuster gekoppelt. Dies erlaubt den Tieren eine sehr genaue Klassifizierung der Muster der Balzgesänge. Doch bereits die nachfolgenden Zellen zeigten ein spezifisches Aktivitätsmuster, das nur einen Bruchteil der Informationen weiterleitete. „Zu Beginn waren wir sehr erstaunt, dass unser Netzwerk die so wichtige Präzision zerstört“, erklärt Erstautor Jan Clemens. Doch ihre Analysen zeigen den Grund für die veränderten Signale: „Während zu Beginn der Verarbeitung die meiste Information in der genauen zeitlichen Abfolge der neuronalen Signale steckte, entsprechen die Ausgangssignale eher einer Ja-Nein-Antwort“, erklärt Arbeitsgruppenleiterin Susanne Schreiber. So gehen zwar viele Informationen auf dem Weg ins Gehirn der Heuschrecken verloren. Doch der wesentliche Inhalt, nämlich ob der Gesang von einem arteigenen Männchen stammt oder von einem artfremden, steht dem Tier deutlich einfacher zur Verfügung.
Damit entspricht auch dieses kleine Netzwerk der Theorie, nach der die Informationsverarbeitung in Nervensystemen hocheffizient sein sollte, um in der Evolution bestehen zu können. Im nächsten Schritt möchten die Berliner Wissenschaftler dieses Netzwerk der Heuschrecken am Computer nachbilden und so wichtige Aspekte der Datenverarbeitung genauer verstehen lernen.
Das Bernstein-Zentrum Berlin ist Teil des Nationalen Bernstein Netzwerks Computational Neuroscience (NNCN). Das NNCN wurde vom BMBF mit dem Ziel gegründet, die Kapazitäten im Bereich der neuen Forschungsdisziplin Computational Neuroscience zu bündeln, zu vernetzen und weiterzuentwickeln. Das Netzwerk ist benannt nach dem deutschen Physiologen Julius Bernstein (1835-1917).
Originalveröffentlichung:
Clemens J, Kutzki O, Ronacher B, Schreiber S*, Wohlgemuth S* (2011): Efficient transformation of an auditory population code in a small sensory system, PNAS doi:10.1073/pnas.1104506108, *equal contribution
http://www.pnas.org/content/early/2011/08/03/1104506108.abstract