Chronische Netzhauterkrankungen wie die neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (nAMD) und das diabetische Makulaödem (DMÖ) können mit Angiogenese-Inhibitoren gut behandelt werden. Für Patienten und Angehörige kann die Therapie aber belastend sein, weil die Behandlung dauerhaft erfolgen muss und mit regelmäßigen Arztbesuchen verbunden ist. Die Herausforderung besteht deshalb heute darin, die Behandlungslast zu reduzieren. Dazu können unter anderem verlängerte Therapieintervalle bei der nAMD und eine frühe, intensive Behandlung bei einer Visusbeeinträchtigung aufgrund eines DMÖ beitragen.
Aflibercept (Eylea®) kann die Behandlungslast durch verlängerte Injektionsintervalle bei Patienten mit nAMD oder DMÖ verringern
Das proaktive Treat & Extend (T&E)-Konzept ist ein gut geeigneter Ansatz für die Therapie der nAMD mit Aflibercept. Dabei erfolgt nach den initialen Injektionen eine individuelle Anpassung des Behandlungsintervalls entsprechend morphologischer und/oder funktioneller Kriterien. Wichtige Erkenntnisse zu diesem Therapieansatz liefern die Daten der multizentrischen, randomisierten, offenen Studie ALTAIR, in der zum Ende des ersten Studienjahres bei fast 60% der Patienten der nächste geplante InjektionsterminaufzwölfWochenoderdarüberhinausverlängertwerdenkonnte. Auch die randomisierte, zweiarmige, offene Phase IV-Studie ARIES zeigt positive Ergebnisse zu T&E mit Aflibercept.
Die Therapie mit Aflibercept kann auch bei Patienten mit Visusbeeinträchtigung aufgrund eines DMÖ langanhaltende Visusgewinne erzielen und damit die Lebensqualität der Patienten erhöhen. In den Zulassungsstudien VIVID und VISTA zeigte sich Aflibercept gegenüber einer Lasertherapie überlegen und Visusgewinne aus dem ersten Jahr blieben bis zu Woche 100 erhalten. Dabei sind eine intensive und frühe Behandlung sowie die Therapietreue essentiell, um die Zahl der Injektionen im zweiten Jahr zu verringern. Der Visusgewinn, der durch die Aflibercept-Therapie erreicht wird, erhöht wiederum die sehkraftbezogene Lebensqualität der Patienten, gemessen u.a. an verschiedenen Aktivitätsscores, so die Ergebnisse der AQUA-Studie.
Studien belegen Wirksamkeit von Treat-and-Extend mit Aflibercept bei nAMD
Patienten mit nAMD leiden unter einem anhaltenden Krankheitsprozess und einer sich individuell verändernden Krankheitsaktivität. Diesen Herausforderungen kann das Behandlungskonzept T&E gerecht werden. Es ermöglicht eine individuelle Behandlung und bietet eine hohe Planungssicherheit für Arzt und Patient, weil bei jedem Termin eine Injektion verabreicht wird. Das kann sich positiv auf die Therapieadhärenz auswirken.
„Die ARIES-Studie zeigt, dass bereits früh mit einer Behandlung nach T&E begonnen werden kann“, sagte Prof. Dr. Oliver Zeitz, Berlin. „Ein solcher T&E-Ansatz ist dem früheren Goldstandard, einem festen Dosierungsschema, nicht unterlegen.“ In der Studie erhielten die Patienten anfänglich drei Dosen Aflibercept im Abstand von einem Monat (alle vier Wochen) und anschließend eine Injektion nach weiteren acht Wochen (Woche 16). In Woche 16 wurden die Patienten im Verhältnis 1:1 randomisiert und entweder einem Behandlungsarm mit frühem T&E-Beginn (T&E-Ansatz mit Verlängerung um zwei Wochen) oder einem Behandlungsarm mit spätem T&E-Beginn (2 mg Aflibercept alle acht Wochen [2q8] bis Woche 52, anschließend T&E) zugeteilt.
Positive Daten zu T&E liefert auch die Phase IV-Studie ALTAIR, die zwei verschiedene angepasste Injektionsintervalle gemäß eines T&E-Ansatzes bei therapienaiven Patienten mit nAMD untersucht hat. Die insgesamt 247 Probanden erhielten zunächst drei monatliche Injektionen mit Aflibercept, gefolgt von einer weiteren Injektion nach acht Wochen. Anschließend erfolgte eine Therapie in schrittweise um zwei oder vier Wochen verlängerten Intervallen. Die individuelle Anpassung der Behandlungsintervalle in zwei- oder vierwöchigen Abständen erfolgte anhand funktioneller und/oder morphologischer Kriterien. Das längst mögliche Intervall betrug 16 Wochen, das minimal mögliche acht Wochen.
„Bereits nach einem Jahr konnte das Behandlungsintervall bei knapp 60% der Patienten auf zwölf oder mehr Wochen verlängert werden, während gleichzeitig die initialen Sehschärfegewinne nahezu vollständig erhalten blieben“, fasste Zeitz die Ergebnisse zusammen. Die Visusgewinne waren zwischen den Gruppen mit zwei- und vierwöchiger Anpassung vergleichbar. Bei einem Teil der Patienten konnte das Behandlungsintervall sogar auf 16 Wochen ausgedehnt werden. Das proaktive T&E-Konzept mit der Möglichkeit, die Intervalle bereits im ersten Jahr der Therapie zu verlängern, ist seit Juli 2018 für die Behandlung einer nAMD zugelassen.
Auch die 2-Jahresdaten der ALTAIR-Studie zeigen, dass die Ergebnisse auch im zweiten Behandlungsjahr weitestgehend aufrechterhalten werden. Rund 60% der Patienten erreichten zu Woche 96 ein Behandlungsintervall von zwölf Wochen und mehr – dabei blieben die Visusgewinne aus dem ersten Behandlungsjahr weitestgehend erhalten. Diese Daten stützen die Zulassungsstudien VIEW 1 und 2, in denen rund 50% der Patienten die Visusgewinne aus dem ersten Behandlungsjahr auch im zweiten Jahr mit Injektionsintervallen von zwölf Wochen beibehalten konnten.
Gute Ergebnisse zur Behandlung des DMÖ mit Aflibercept
Chronische Netzhauterkrankungen sind aber nicht nur eine Frage des Alters. Sie können unter anderem auch eine mögliche Folge eines Diabetes mellitus sein – wie zum Beispiel das DMÖ. Da die Zahl der Diabetiker in den kommenden Jahren rasant steigen wird, erhöht sich auch die Häufigkeit von Folgeerkrankungen wie dem DMÖ. Prof. Dr. Focke Ziemssen, Tübingen, erläuterte anhand der Daten der VIVID- und VISTA- Studien, dass Aflibercept bei der frühen Therapie von Patienten mit DMÖ sehr gute Erfolge erzielt. „Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig ein konsequenter Beginn der Aflibercept-Therapie ist, um das gegenüber der Laserbehandlung überlegene Ergebnis einzufahren“, sagte Ziemssen. Der durchschnittliche Buchstabengewinn zu Woche 52 betrug 10 Buchstaben. Die Visusgewinne aus dem ersten Jahr konnten sogar bis zu Woche 100 erhalten werden.
In einer Post hoc-Analyse der gepoolten VIVID- und VISTA-Studiendaten wurde zudem die Wichtigkeit einer intensiven Behandlung zu Beginn der Therapie deutlich. So kam es nach dem 4. und 5. Upload zu weiteren Verbesserungen der funktionellen und morphologischenErgebnisse.„Durch die Behandlung mit der notwendigen Intensität zu Beginn kann die Injektionshäufigkeit schon im zweiten Jahr deutlich verringert werden“, so Ziemssen. Diese Erkenntnis stützen auch Daten der unabhängigen Protocol T-Studie , die zeigt, dass für die Erhaltung der Visusgewinne im zweiten Jahr weniger Injektionen ls im ersten Jahr notwendig sind.
Der verbesserte Visusgewinn hat einen direkten Einfluss auf die sehkraftbezogene Lebensqualität der Patienten. Die Daten der offenen Phase IV AQUA-Studie bestätigen dies bei Patienten mit DMÖ. Beide in der Studie gemessenen Aktivitätsscores erhöhten sich um durchschnittlich 11,4 (near activities score) und um 7,3 (distant activitites score) Punkte.
Trotz dieser erfolgreichen Therapiestrategien sind Diabetes-Patienten hinsichtlich möglicher Augenerkrankungen noch immer nicht ausreichend aufgeklärt. So haben 21% der Diabetiker noch nie eine augenärztliche Untersuchung für eine diabetische Augenerkrankung in Anspruch genommen. Die Aufklärungsinitiative „Das dialektische Auge“ möchte Menschen mit Diabetes – mit oder ohne Sehbeeinträchtigung – und deren Angehörige dementsprechend informieren. Erhältlich sind beispielsweise Videos mit Erfahrungsberichten von Betroffenen mit DMÖ, außerdem bietet die Initiative Hilfestellung im Umgang mit der Erkrankung. „Wir müssen die Gesundheitskompetenz unserer Patienten erhöhen“, sagte Ziemssen. Auch Ärzte können die Videos der Initiative nutzen und diese auf ihrer Webseite einbinden, im Wartezimmer abspielen oder für Präsentationen nutzen. Weitere Informationen gibt es unter www.das-diabetische- auge.de.
Über VEGF und Eylea® (Afliberceptlösung zur Injektion ins Auge)
Der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor VEGF ist ein Protein, das im gesunden Organismus die Bildung neuer Blutgefäße (Angiogenese) anregt und beim Wachstum von Gewebe und Organen eine Rolle spielt. VEGF ist auch an der krankhaften Neubildung von Blutgefäßen mit abnormal erhöhter Durchlässigkeit beteiligt, welche im Auge zu Ödemen führen kann.
Aflibercept-Injektionslösung enthält ein rekombinantes, d.h. ein biotechnologisch hergestelltes, Fusionsprotein. Es ist zusammengesetzt aus Fragmenten der humanen extrazellulären Abschnitte der VEGF-Rezeptoren 1 und 2, die mit dem Fc-Anteil des menschlichen IgG1 kombiniert wurden. Die Substanz ist speziell für die Injektion in den Glaskörper des Auges (intravitreale Injektion) als iso-osmotische Lösung formuliert. Aflibercept fungiert als löslicher ‚Ersatzrezeptor‘. Es bindet mit einer höheren Affinität an VEGF-A und an den Plazenta-Wachstumsfaktor (PGF) und kann so die Bindung und Aktivierung der verwandten VEGF-Rezeptoren hemmen.