Wissenschaftler der Freien Universität entschlüsseln Mechanismus eines optogenetischen Werkzeugs

Die Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Science USA veröffentlicht. Die Erkenntnisse helfen nicht nur beim Verständnis des Funktionsmechanismus des Proteins Kanalrhodopsin. Vielmehr ermöglichen sie die gezielte Herstellung von Proteinvarianten mit verbesserten Eigenschaften, die in Zukunft auch in der Hirnforschung bei der Behandlung von Parkinson-Symptomen zur Anwendung kommen können.

Es war immer ein Traum von Wissenschaftlern, biologische Zellen oder sogar lebende Tiere mit der Hilfe von Licht steuern zu können. Durch ein Membranprotein, das dem Sehfarbstoff in unserem Auge ähnlich ist, wurde dieser Traum wahr: Das von den Wissenschaftlern analysierte Kanalrhodopsin erlaubt es, Nervenimpulse durch Licht auszulösen, und das in lebenden Organismen. Der molekulare Mechanismus dieses faszinierenden Proteins war trotz vielfacher Anwendungen war nicht geklärt gewesen.

Die Optogenetik ist ein neues Forschungsfeld, in dem lichtempfindliche Proteine eingesetzt werden, um Prozesse in einer biologischen Zelle zu kontrollieren. Das Kanalrhodopsin (engl. channelrhodopsin), das vor zehn Jahren von Prof. Dr. Peter Hegemann (Humboldt-Universität Berlin), Prof. Dr. Ernst Bamberg (Max-Planck-Institut für Biophysik, Frankfurt) und Prof. Dr. Georg Nagel (Universität Würzburg) entdeckt wurde, begründete dieses Gebiet. Das Kanalrhodopsin ist ein Protein, das in der Biomembran sitzt und nach Lichtanregung einen Kanal öffnet, um positiv geladene Teilchen (Kationen) durchzuschleusen. In einer biologischen Zelle wird dadurch ein Nervenimpuls ausgelöst. Anstatt wie früher üblich, mit Metallelektroden Nervenzellen zu erregen, ist es mit dem Kanalrhodopsin nun möglich, dies mit Licht zu bewerkstelligen, und zwar nicht-invasiv. Diese Methode hat den unschätzbaren Vorteil, dass man die Nerven optisch und damit ferngesteuert erregen kann. Außerdem können mit genetischen Methoden nur bestimmte Zelltypen mit dem Protein Kanalrhodopsin versehen werden, sodass auch nur ganz bestimmte Zelltypen erregt werden. Insgesamt steht somit eine Methode zur Verfügung, die es erlaubt Zellen innerhalb eines komplexen Zellverbands sehr spezifisch mit der Hilfe von Licht zu adressieren, also durch Methoden der Optogenetik.

Da unser Gehirn auf der Basis von elektrischen Signalen und chemischen Botenstoffen funktioniert, kann mit diesem Werkzeug zum Verständnis der Gehirnfunktion auf molekularer Ebene beigetragen werden. Die Beantwortung von so grundsätzlichen Fragen, wie: Wie funktioniert unser Gedächtnis? oder: Wie kommt das Bewusstsein zustande? können damit zielgerichtet angegangen werden. Aufgrund der Bedeutung und der rasanten Entwicklung in der biomedizinischen Anwendung wurde die Optogenetik vom angesehenen Wissenschaftsmagazin „Nature Methods“ zur Methode des Jahres 2010 gewählt.

Den Forschern um Professor Joachim Heberle gelang es, wesentliche Teile des Mechanismus des Kanalrhodopsins auf atomare Ebene aufzuklären. Sie setzten dafür die zeitaufgelöste Infrarot-Spektroskopie ein, um die Strukturänderungen dieser molekularen Maschine zu verfolgen. Das Resultat: Die Anregung mit blauem Licht löst Strukturänderungen in dem Protein aus, die zu einer zeitlich exakten Abfolge von Protonenverschiebungen innerhalb des Proteins führt. Diese Ladungsverschiebungen dirigieren das Öffnen und Schließen des lichtaktivierten Ionenkanals und somit die Steuerung der Nervenzelle. Wo im Protein und wie schnell diese Reaktionen ablaufen, konnte mithilfe hochmoderner biophysikalischer Methoden gezeigt werden.

Die Arbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen einer Forschergruppe (FOR 1279 „Protein-based Photoswitches as optogenetic tools“) und eines Sonderforschungsbereichs (SFB 1078 „Proteinfunktion durch Protonierungsdynamik“) gefördert. In dem neu bewilligten Sonderforschungsbereich an der Freien Universität beschäftigen sich Physiker, Chemiker und Biologen aus den drei Berliner Universitäten mit der Frage, welche Rolle der Protonentransfer beim Funktionsmechanismus von Proteinen spielt. Die Resultate, die nun am Kanalrhodopsin erhalten wurden, repräsentieren somit einen Meilenstein in diesem Forschungsprogramm.

Literatur
Lórenz-Fonfría, V.A., Resler, T., Krause, N., Nack, M., Gossing, M., Fischer von Mollard, G., Bamann, C., Bamberg, E., Schlesinger, R., and Heberle, J. (2013):
„Transient protonation changes in channelrhodopsin-2 and their relevance to channel gating”
Proc. Natl. Acad. Sci USA 110 (14), E1273-E1281, Fachartikelnummer DOI: 10.1073/pnas.1219502110

Weitere Informationen
Prof. Dr. Joachim Heberle, Institut für Physik der Freien Universität Berlin, Tel. 030 / 838-53337, E-Mail: joachim.heberle@fu-berlin.de

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