Dieser Thrombus kann ein Gefäß so dicht verschließen, dass in die nachfolgenden Versorgungsgebiete kein Blut mehr fließt, was das Absterben von Organgewebe zur Folge hat. Das Gerinnsel kann aber auch mit dem Blutstrom weggeschwemmt werden und dann an anderer Stelle – beispielsweise in der Lunge – ein Gefäß verschließen. Diese lebensgefährliche Erkrankung nennt man Embolie. "Personen, bei denen durch Erkrankungen oder äußere Umstände eine Gefährdung besteht, werden Medikamente verabreicht, die das Blut in gewissen Grenzen daran hindert, zu gerinnen", erklärt Prof. Dr. Georg V. Sabin, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Elisabeth-Krankenhauses Essen (EKE). "Sehr viele Menschen in Deutschland sind auf diese Präparate – umgangssprachlich werden sie oft Blutverdünner genannt – angewiesen."
Wirkstoffe
Zu den gerinnungshemmenden Medikamenten gehören zwei Wirkstoffgruppen: Heparine und Cumarine. "Heparin blockiert Eiweißstoffe, die dafür verantwortlich sind, dass Blutbestandteile miteinander verkleben. Der Wirkstoff wird zumeist nur kurzzeitig eingesetzt – häufig vor und nach Operationen, bei Herzkathetereingriffen und bei längerer Bettlägerigkeit oder eingeschränkter Bewegungsfähigkeit", so Sabin. "Hat sich bereits eine Thrombose gebildet, kann Heparin verhindern, dass sich an den Pfropf weitere Blutbestandteile anlagern oder weitere Gerinnsel entstehen."
Zu den Cumarinen gehören Medikamente wie Marcumar® oder Falithrom®. Sie behindern die Wirkung von Vitamin K, das für die Herstellung von bestimmten Gerinnungsfaktoren im Blut notwendig ist. Cumarine eignen sich gut für eine Langzeittherapie, da sie als Tabletten eingenommen werden. "Häufigster Grund für diese Therapie ist heute das Vorhofflimmern oder -flattern", erklärt der Kardiologe. "Bei dieser Herzrhythmusstörung besteht die Gefahr, dass sich in den zuckenden Vorhöfen Blutgerinnsel bilden.
Notwendig ist die Gabe von Cumarinen auch nach Herzklappenoperationen – bei biologischem Klappenersatz oft nur für einige Monate, bei künstlichen Klappen in der Regel lebenslang. In der Akutphase einer Thrombose – die zumeist in den Beinvenen auftritt – sollen Cumarine die weitere Ausdehnung des Gerinnsels verhindern. Eine Behandlung ist hier zumeist nur für einige Monate erforderlich, bei wiederholtem Auftreten der Erkrankung kann in Einzelfällen aber auch eine lebenslange Einnahme sinnvoll sein."
Auch Wirkstoffe wie Acetylsalicylsäure (ASS), Ticlopidin und Clopidogrel werden häufig als Gerinnungshemmer bezeichnet. Sie gehören aber nicht zu dieser Gruppe, denn sie greifen nicht in den eigentlichen Gerinnungsprozess ein, sondern setzen vorher an. "Acetylsalicylsäure vermindert die Wirkung bestimmter chemischer Botenstoffe, welche die Verklumpung der Blutplättchen auslöst. Deshalb wird dieser Wirkstoff bei Personen mit bereits verengten Gefäßen zur Vorbeugung von Schlaganfällen und Herzinfarkten verordnet", erklärt Sabin. "Ticlopidin und Clopidogrel sind stärker wirksam. Sie kommen beispielsweise bei frisch eingepflanzten Stents zum Einsatz, da in den ersten Wochen nach der Implantation der kleinen Gefäßstützen in die Herzkranzgefäße ein erhöhtes Risiko eines plötzlichen Gefäßverschlusses besteht."
Was man wissen sollte
Jeder, der Medikamente einnimmt, die die Blutgerinnung beeinflussen, sollte einiges darüber wissen und sich an bestimmte Regeln halten. Eine Blutung – ob nun nach einem Schnitt oder bei verletztem Zahnfleisch – dauert wesentlich länger, auch neigt man eher zu "blauen Flecken" und die Regelblutung bei Frauen kann sich verstärken. Das ist normal und kein Anlass zur Sorge. Kleine Wunden sollten daher wie sonst auch behandelt werden: Blut abtupfen und gegebenenfalls einen Verband anlegen.
Um etwaige Blutungskomplikationen zu vermeiden, muss vor jedem operativen Eingriff – und sollte er noch so klein sein – der Arzt oder Zahnarzt bezüglich der Medikamente befragt werden. In der Regel werden die Präparate vor dem Eingriff abgesetzt oder die Dosis verändert. "Wichtig zu wissen ist auch, dass die gleichzeitige Einnahme von verschiedenen gerinnungshemmenden Präparaten die Wirkung erhöht", erklärt Sabin. "Durch Wechselwirkung können aber auch verschiedene andere Medikamente die Blutgerinnung beeinflussen.
Wird die Gerinnungsneigung erhöht, besteht Blutungsgefahr, wird sie abgeschwächt, nimmt die Gefahr, dass sich Thromben bilden, wieder zu. Nehmen Sie deshalb keine zusätzlichen Medikamente, bevor Sie nicht Ihren Arzt oder Apotheker befragt haben. Dies gilt auch für freiverkäufliche Präparate, wie Schmerz- oder Abführmittel sowie für Vitaminpräparate. Bei einigen Gerinnungshemmern ist beispielsweise unter der Einnahme von Johanniskraut mit einer Beeinträchtigung der Wirkung zu rechnen. Viele Komplikationen lassen sich vermeiden, wenn solche Wechselwirkungen vorher berücksichtigt werden."
Marcumar® & Co.: Besondere Kenntnisse erforderlich
Besonders Personen, die über einen langen Zeitraum Cumarine einnehmen, müssen alles über die Wirkung ihres Medikaments wissen und beachten. Da Vitamin K als natürlicher Gegenspieler der Cumarine deren Wirkung abschwächt, sollte man sich bei Lebensmitteln mit hohem Vitamin K Gehalt etwas zurückhalten. Dies sind beispielsweise grüne Gemüse wie Spinat, alle Kohlsorten und alle Innereien. Aber nicht nur die Ernährung, auch zahlreiche Erkrankungen und Klimaverhältnisse können den Organismus und die Blutgerinnung beeinflussen. Bei jeder auftretenden Erkrankung sowie vor Reisen in extreme Klimazonen sollte deshalb ärztlicher Rat eingeholt werden.
Die Cumaringabe muss besonders sorgfältig dosiert werden. Eine optimale Therapie ist nur dann gewährleistet, wenn die Blutgerinnung weder zu stark noch zu schwach gehemmt wird. In regelmäßigen Abständen wird deshalb die Gerinnungszeit des Blutes – Quick- oder INR-Wert – vom Hausarzt kontrolliert. Nach diesen Blutwerten wird die einzunehmende Tablettendosis immer neu festgelegt.
In den Gerinnungshemmer-Pass, den jeder Patient erhält, werden sowohl die Blutwerte als auch die verordnete Medikamentendosis eingetragen. "Eine regelmäßige und genaue Einnahme der Tabletten ist unbedingt notwendig. Dafür trägt jeder Patient selbst die Verantwortung. Die abendliche Einnahme hat den Vorteil, dass noch am gleichen Tag die Dosis korrigiert werden kann, wenn der Arzt dies nach der Kontrolle für notwendig hält", so Sabin. "Falls Sie dazu neigen, die tägliche Einnahme zu vergessen, lassen Sie sich doch von dem Wecker in Ihrem Handy immer zur selben Zeit erinnern. Passiert es trotzdem einmal, auf keinen Fall am nächsten Tag die Dosis verdoppeln. Besprechen Sie in diesem Fall mit Ihrem Arzt das weitere Vorgehen."
"Seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit, dass Patienten ihre Gerinnungswerte mit einem Messgerät zu Hause selbst kontrollieren. Das hat viele Vorteile: Da die Gerinnungszeit häufiger gemessen wird, kommen Über- oder Unterdosierungen seltener vor. Auch die Lebensqualität der Patienten wird gesteigert, denn diese Kontrollform bietet ihnen mehr Freiheit", erklärt Sabin. "Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für das Gerät und das Verbrauchsmaterial unter bestimmten Bedingungen: Dazu gehört die erfolgreiche Teilnahme an einer Schulung, bei der nicht nur die Bedienung des Gerätes, sondern auch die Grundlagen der Medikamentendosierung vermittelt werden."
Achtung: Lebensgefahr!
Die größte Gefahr bei der Cumarin-Therapie ist eine Überdosierung. In diesen Fällen kann bei auftretenden Blutungen Lebensgefahr drohen. "Bei stärkeren Blutungen, die nicht zum Stillstand kommen, immer sofort einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen", appelliert Sabin. "Die Medikamentendosis muss dann sofort entsprechend angepasst – oder wenn nötig – auch ein Gegenmittel verabreicht werden.
Wichtige Anzeichen für mögliche innere Blutungen, die jeder kennen muss, sind: dunkel gefärbter Urin, pechschwarzer Stuhl, blutiges Erbrechen und Abhusten von blutigem Schleim – aber auch eine plötzliche Beeinträchtigung beim Sehen oder Sprechen, Taubheitsgefühle in Armen oder Beinen sowie eine eingeschränkte Bewegungsfähigkeit. Damit im Falle eines Unfalls auch der Notarzt Ihren gesundheitlichen Zustand richtig einschätzen kann, deponieren Sie den Gerinnungshemmer-Pass bei Ihren Ausweispapieren und tragen Sie ihn immer bei sich. So weiß er auch, dass Sie auf keinen Fall Injektionen in die Muskulatur erhalten dürfen, da dies unter der Cumarine-Therapie ebenfalls zu lokalen Blutungen führen kann." (EKE, 09/2006)