In keiner Bevölkerungsgruppe ist der Bluthochdruck in den USA so weit verbreitet wie bei Männern mit schwarzer Hautfarbe. Die meisten wissen nichts von ihrer Gefährdung, da sie selten zum Arzt gehen und ein zu hoher Blutdruck in der Regel keine Beschwerden verursacht. Der Besuch eines Barbershops gehört hingegen zum Lebensstil. Er ist Gelegenheit, Freunde zu treffen und über Gott und die Welt zu reden.
Eine Studie aus Kalifornien zeigt jetzt, dass der soziale Treffpunkt Barbershop genutzt werden kann, um die Blutdruckkontrolle in dieser Hochrisikogruppe zu verbessern. „Die Frisöre wurden angehalten, mit den Männern über das Problem Bluthochdruck zu reden und zu einem Treffen mit dem Apotheker einzuladen“, berichtet Professor Dr. med. Bernhard Krämer, Direktor der V. Medizinischen Klinik an der Universitätsmedizin Mannheim und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. „Der Apotheker suchte einmal im Monat den Barbershop auf, um den Kunden den Blutdruck zu messen und Medikamente zu verteilen. Die Erlaubnis dazu hatte der Apotheker von den Hausärzten erhalten, die hierzu einen Vertrag mit dem Apotheker abgeschlossen hatten.“ Der Einbezug von Frisören erscheint etwas naheliegender wenn man weiß, dass Barbiere ja seit dem Mittelalter in die Gesundheitsversorgung einbezogen waren und Aderlässe und Zahnextraktionen vorgenommen hatten.
Wie erfolgreich diese Strategie sein kann, zeigen die Ergebnisse, die Ronald G. Victor vom Smidt Heart Institute in Los Angeles und weitere Mitarbeiter jetzt im New England Journal of Medicine veröffentlicht haben. Die Wissenschaftler hatten an 52 Friseursalons 319 afroamerikanische Männer kontaktiert, bei denen der obere systolische Blutdruckwert zu Beginn im Durchschnitt bei 152,8 mmHg lag und die deshalb ein hohes Risiko für einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall hatten. Sechs Monate später war der Blutdruck im Durchschnitt auf 128 mmHg gesunken. Professor Krämer erläutert: „Knapp 90 Prozent der Männer hatten einen systolischen Blutdruck von unter 140 mmHg, der heute als normal eingestuft wird, weil er langfristig das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bei Hochdruckkranken vermindert.“
In einer zweiten Gruppe hatten die Frisöre ihre Kunden nur über die Risiken informiert und sie dringend ermahnt, ihren zu hohen Blutdruck vom Hausarzt behandeln zu lassen. Auch in dieser Gruppe wurde der Blutdruck nach sechs Monaten gesenkt, allerdings nicht so stark. Der durchschnittliche Wert lag nach sechs Monaten bei 145,4 mmHg. Nur ein Drittel hatten einen Normalwert von unter 140 mmHg erreicht.
Für Professor Hoyer, Direktor der Klinik für Nephrologie am Universitätsklinikum Marburg zeigt die Studie, dass es wichtig ist, die Betroffenen in ihrer gewohnten Umgebung anzusprechen und einen niedrigschwelligen Zugang zur Blutdruckkontrolle zu ermöglichen. „Durch das Gespräch mit dem Frisör wird der Bluthochdruck zu einem Thema im Alltag und die Betreuung durch den Apotheker hat sicherlich die Bereitschaft gefördert, den Blutdruck regelmäßig zu kontrollieren und die Medikamente einzunehmen, obwohl man sich eigentlich gesund fühlt“, sagt der Experte.
Ähnliche Modelle kann sich die Deutsche Hochdruckliga durchaus auch für Deutschland vorstellen. „Auch hier gibt es Betroffene, die nichts von ihrem Bluthochdruck wissen und selten zum Hausarzt gehen“, sagt Professor Hoyer. „Häufiger kommen viele jedoch an einer Apotheke vorbei oder sind beim Betriebsmediziner“, so der Experte. „Diese Kontakte sollten für eine vermehrte Aufklärung über die Gefahren von unerkanntem Bluthochdruck und seiner möglichen Behandlung durch einen Arzt genutzt werden.“ Anders als in den USA dürfen Apotheker in Deutschland zwar den Blutdruck messen, aber eigenständig keine Blutdruckmedikamente ausgeben, könnten jedoch den Patienten an seinen Hausarzt verweisen.