Seit einigen Jahren wird das Internet zunehmend auch für psychologische Hilfsangebote genutzt. Das Spektrum reicht dabei von unverbindlichen Chatrooms bis hin zu intensiven E-Mail-Therapien (beispielsweise in den Niederlanden). Insgesamt stoßen diese Angebote besonders bei jungen Menschen auf sehr große Akzeptanz. Auch wenn diese Online-Angebote eine herkömmliche Therapie nur in den seltensten Fällen ersetzen können, zeigt sich in diversen Untersuchungen, dass online durchgeführte Interventionen ebenfalls wirksam sind und den Betroffenen oftmals gut im Umgang mit ihren Schwierigkeiten helfen. Diese Vorteile nutzt das Online-Programm, das die Psychologinnen Prof. Dr Silja Vocks, Katrin Hötzel und Ruth von Brachel entwickelt haben.
»Gerade Betroffene von Essstörungen schämen sich häufig wegen ihrer Erkrankung und zögern deswegen lange, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Genau hier setzt „ESS-KIMO“ an, in dem es die Niederschwelligkeit des Internets nutzt und ein anonymes Angebot macht«, erklärt die Leiterin des Projekts Prof. Dr. Silja Vocks. »ESS-KIMO« ist ein internetgestütztes und anonymes Programm für Frauen, die an Magersucht (Anorexie) oder Ess-Brechsucht (Bulimie) leiden oder den Eindruck haben, Diäten und Schlankheit spielen eine zu große Rolle in ihrem Leben. Die Frauen erhalten in sechs Online-Sitzungen Anleitungen der Psychologinnen, sich mit ihrer Essstörung auseinanderzusetzen. Dabei geht es darum, die Frauen bei einer Entscheidung für oder gegen die Essstörung zu unterstützen. »Häufig fühlen sich die Frauen sehr hin- und hergerissen«, so Vocks. »Einerseits leiden sie unter Aspekten ihrer Erkrankung wie körperlichen Folgeerscheinungen, Konflikten mit dem Umfeld oder den ständigen Gedanken an Essen. Auf der anderen Seite spielt Schlankheit eine sehr große Rolle für das Selbstwertgefühl der Betroffenen, eine Aufgabe des Diäthaltens ist oftmals nur schwer vorstellbar.« Seit nunmehr einem Jahr nutzen betroffene Frauen das Programm der Psychologinnen, um in ihrem Dilemma Hilfe zu erhalten. »Es ersetzt dabei keine Psychotherapie«, betont Diplom-Psychologin Katrin Hötzel. „Vielmehr richtet es sich an Frauen, die sich vielleicht noch nicht wirklich zu einer Veränderung oder Therapie entscheiden konnten. Man kann auch vor einer Therapie teilnehmen, um sich über Wünsche und Ziele für die Therapie klarer zu werden.«
»Die Nachfrage war bislang sehr groß. Besonders positiv kam bei den Betroffenen die Möglichkeit an, sich ohne Druck zu einer Veränderung mit der Erkrankung beschäftigen zu können«, meint die Diplom-Psychologin Ruth von Brachel. Dadurch seien sich viele Teilnehmerinnen klarer über die Rolle der Erkrankung in ihrem Leben geworden und auch langfristige Wünsche für das eigene Leben und die eigene Zukunft, die sich häufig mit der Erkrankung nicht vereinbaren ließen, seien deutlich geworden. Insgesamt haben ca. 70 Frauen das Programm bereits abgeschlossen, sehr viele nehmen aktuell noch teil.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Silja Vocks, Dipl.-Psych. Ruth von Brachel, Dipl.-Psych. Katrin Hötzel
Universität Osnabrück, Institut für Psychologie
Tel.: +49 541 969 4743 bzw. +49 234 32 29982
E-Mail: silja.vocks@uni-osnabrueck.de