„Unfallforschung rettet Menschenleben“

Nach 38 Jahren Unfallforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) übergibt Professor Dietmar Otte die Leitung zum Jahreswechsel an Dr. Heiko Johannsen, zuvor Technische Universität Berlin. Bei einem wissenschaftlichen Kolloquium haben Wegbegleiter die Arbeit von Professor Otte gewürdigt und ein Ausblick auf die Entwicklung der Forschung gegeben. Wie sehr die MHH-Unfallforschung die Datenbasis für Innovationen liefert, zeigen einig Beispiele: die Weiterentwicklung des Schutzhelmes für Zweiradfahrer und die Entwicklung von Schutzprotektoren für die Kleidung von Motorradfahrern, die optimierte Front des PKW als Fußgängerschutz und zur Verletzungsminderung bei Fahrradunfällen, die Einsicht, dass auch Radfahrer einen Helm benötigen sowie die Entwicklung eines Unfallursachenkataloges für die gezielte Umsetzung von Maßnahmen der Unfallvermeidung durch den Fahrer bis hin zu Effektivitätsanalysen von Fahrzeugassistenzsystemen zur Vermeidung von Unfällen.

In den vergangenen vier Jahrzehnten ist die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Menschen von 20.000 auf 3.500 pro Jahr zurückgegangen – das ist nicht zuletzt ein Verdienst der Unfallforscher. „Die Unfallforschung hat mit Erhebungen am Unfallort durch die kombinierte medizinische und technische Analyse problematische, risikoreiche und oft auch tödliche Verletzungsmechanismen aufgedeckt und damit dafür gesorgt, dass Abhilfe geschaffen werden konnte, etwa durch Sicherheitsgurt, Airbag, Fahrradhelm oder Protektoren“, sagte Professor Otte. „Die Unfallforschung der MHH konnte im Zusammenwirken aller in der Unfallforschung Tätigen dazu beitragen, Menschenleben zu retten.“ Sein Nachfolger Dr. Johannsen ergänzt: „Trotz des bisher Erreichten erfordert die aktuelle Entwicklung in Bezug auf die politischen und technischen Ziele, wie etwa Vision Zero in der Bilanz der Unfalltoten und Schwerstverletzten, eine Weiterentwicklung auch der Unfallforschung. So müssen zum Beispiel die Langzeitfolgen von Unfällen detaillierter untersucht und zusätzliche Datenquellen genutzt werden, die ein besseres Verstehen des ,elektronischen´ Autos ermöglichen.“

An der MHH gibt es die Verkehrsunfallforschung seit 1973, finanziert von der Bundesanstalt für Straßenwesen. Seit 1999 kooperiert die Hochschule mit der Technischen Universität Dresden im Gemeinschaftsprojekt der Bundesanstalt und der Deutschen Automobilindustrie GIDAS (German In-Depth Accident Study). Es ist das größte Projekt zur Erhebung von Unfalldaten in Deutschland und in der Arbeitsmethodik einmalig in der Welt: Direkt am Unfallort erfasst ein Team aus Ingenieuren der Kraftfahrzeugtechnik und Ärzten der MHH-Klinik für Unfallchirurgie, ausgerüstet mit speziellen Einsatzfahrzeugen, bis zu 3.000 Einzeldaten – wie Umweltbedingungen, Informationen über das Fahrzeug oder die Art der Verletzungen bei den Patienten und deren weitere Versorgung im Krankenhaus.  

Annähernd 35.000 Unfälle mit 60.000 Fahrzeugen, 50.000 verletzten Personen und 140.000 Einzelverletzungen haben die Unfallforscher in der Amtszeit von Professor Otte dokumentiert, analysiert und verglichen. Die ausgewerteten Unfalldaten liefern verschiedenen Zielgruppen wichtige Grundlagen – der Automobil- und Zulieferindustrie zur Optimierung der Fahrzeugsicherheit, dem Gesetzgeber in Sachen Verkehrssicherheit, Verkehrsplanung und Infrastruktur oder den Notfallrettern über Verletzungsentstehung und Notfalldiagnostik an der Unfallstelle.

Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Otte, otte.dietmar@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-6411.

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