Ultraschall-Screening auf Bauchaortenaneurysmen: Vorbericht erschienen

Ob ein einmaliges Screening auf Bauchaortenaneurysmen mittels Ultraschall einen Nutzen für Patientinnen und Patienten haben kann, ist derzeit Gegenstand einer Untersuchung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die vorläufigen Ergebnisse hat das Institut am 5. Dezember 2014 veröffentlicht. Demnach gibt es für vier patientenrelevante Endpunkte Belege für einen Nutzen bei Männern, nicht jedoch bei Frauen. Bis zum 9. Januar 2015 können interessierte Personen und Institutionen schriftliche Stellungnahmen zu diesem Vorbericht abgeben.

Ruptur endet auch bei Notfalloperation oft tödlich

Als Bauchaortenaneurysma (BAA) bezeichnen Mediziner eine krankhafte Aussackung der Bauchschlagader (Aorta). Ihr Durchmesser variiert abhängig von Alter und Geschlecht, ab einer Erweiterung auf drei Zentimeter oder mehr spricht man von einem BAA. Das Risiko steigt mit dem Alter, wobei Frauen deutlich seltener betroffen sind als Männer.

Die meisten BAA bereiten keine Beschwerden, sind also asymptomatisch. Mit dem Ausmaß des BAA wächst aber die Gefahr, dass dieses große Blutgefäß reißt. Unbehandelt führt eine solche Ruptur schnell zum Tod. Aber auch dann, wenn Patientinnen und Patienten rechtzeitig die Klinik erreichen und eine Notfalloperation noch möglich ist, versterben bei offener Operation etwa 40 Prozent und bei endovaskulärem Vorgehen etwa 20 Prozent.

Screening soll Sterberisiko senken

Wird ein BAA dagegen rechtzeitig entdeckt und geplant (elektiv) operiert, ist die Überlebenschance deutlich höher: Je nach Art der Operation, endovaskulär oder offen, versterben in Deutschland zwischen 1,3 Prozent und 3,6 Prozent (30-Tage-Mortalität).

Ziel eines Screenings mittels Ultraschall ist es, BAA zu identifizieren, zu beobachten und zu versorgen, bevor es zu einer Ruptur kommt. In einigen Ländern, darunter Schweden, Großbritannien und die USA, wird eine solche Reihenuntersuchung bei Menschen, die ein höheres Risiko auf ein BAA haben (Risikopopulationen), bereits durchgeführt.

Drei von vier Studien untersuchen nur Männer

Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) suchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG nach Studien, die ein einmaliges Screening mittels Ultraschall mit keiner oder einer anderen Screening-Strategie, z. B. mit einem anderen diagnostischen Verfahren, in Hinblick auf patientenrelevante Endpunkte verglichen.

In ihre Bewertung einbeziehen konnten sie insgesamt vier randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), davon zwei aus Großbritannien sowie je eine aus Dänemark und aus Australien. Die Rekrutierung der Teilnehmer fand von 1988 bis 1999 statt. Drei Studien bezogen nur Männer ab 65 Jahren ein, eine von vier Studien auch Frauen, wobei ihr Anteil nur 6,8 Prozent der Studienpopulation ausmachte.

Männer haben mit Screening bessere Überlebenschancen

Für die Endpunkte Gesamtsterblichkeit und BAA-bedingte Sterblichkeit wurden für Männer ab 65 Jahren die Daten zu verschiedenen Auswertungszeitpunkten zusammengefasst (4–5 Jahre, 10 Jahre und 13–15 Jahre). Über alle Auswertungszeitpunkte sieht das IQWiG Belege für einen Nutzen des Screenings bei Männern für beide Endpunkte.

Bei den Frauen gibt es lediglich Daten für die Gesamtsterblichkeit zu einem Auswertungszeitpunkt (4–5 Jahre). Mangels statistisch signifikanter Gruppenunterschiede ist ein Nutzen des BAA-Screenings für Frauen allerdings nicht belegt. Für die BAA-bedingte Mortalität fehlen Daten.

Screening kann bei Männern Ruptur-Häufigkeit verringern

Ein ähnliches Bild zeigen die Daten zu den Endpunkten Ruptur-Häufigkeit und Notfalloperationen: Bei den Frauen zeigen die verfügbaren Daten wiederum keine relevanten Unterschiede. Bei den Männern fallen die Ergebnisse je nach Auswertungszeitpunkt etwas unterschiedlich aus. In der Gesamtschau bescheinigt das IQWiG dem Ultraschall-Screening jedoch einen Beleg für einen Nutzen, da BAA-Rupturen seltener auftreten und sich die Anzahl der Notfalloperationen reduziert.

Zunahme geplanter Operationen

Die Daten zeigen auch, dass die Zahl der elektiven Eingriffe mit dem Screening ansteigt. Das ist zwar einerseits gerade das Ziel des Screenings und insoweit zu erwarten. Solche Eingriffe sind aber, auch wenn sie nicht im Notfall, sondern geplant erfolgen, mit einem Klinikaufenthalt verbunden und es kann Folgekomplikationen wie etwa Nachblutungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall geben. Da diese Situation in den Screening-Gruppen häufiger und früher eintritt, ist dies als Nachteil eines Screenings zu werten, der allerdings in Anbetracht der Vorteile in den Hintergrund tritt. Auch dieser Hinweis auf einen Nachteil gilt wiederum nur für Männer, nicht aber für Frauen.

Was die gesundheitsbezogene Lebensqualität und psychosoziale Aspekte des Screenings angeht, kann der IQWiG-Vorbericht keine Aussagen treffen. Denn zu diesen Aspekten waren die verfügbaren Daten nicht verwendbar oder sie fehlten ganz.

Screening an aktuelle Gegebenheiten anpassen

Nach den vorliegenden Daten gehört ein Screening auf BAA bei Männern zu den ganz wenigen Methoden der Früherkennung, für die ein Effekt auf die Mortalität nachgewiesen ist. Die Ergebnisse dieser Nutzenbewertung lassen es also sinnvoll erscheinen, für Männer ab 65 Jahren ein einmaliges Screening einzuführen. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Gutachten aber zu bedenken geben, gibt es Hinweise, dass diese Ergebnisse nicht eins zu eins auf die aktuelle Situation in Deutschland übertragbar sind.

Denn zum einen legen aktuelle Daten für mehrere Länder Europas nahe, dass die Häufigkeit (Inzidenz und Prävalenz) von BAA in den vergangenen 10 bis 20 Jahren gesunken ist. Das erscheint insofern plausibel, als ein maßgeblicher Risikofaktor, der Zigarettenkonsum, zurückgegangen ist. Dann aber wäre der Nutzen womöglich geringer, als er in den von ihnen einbezogenen Studien zu beobachten war. Das heißt, es müssten heute mehr Männer gescreent werden, um einen Todesfall zu vermeiden.

Zum anderen zeigen aktuelle Quellen, u. a. Registerdaten aus England, dass sich das Alter, in dem ein BAA auftritt, nach oben verschoben hat. Trifft dies zu, würden bei älteren Männern größere Effekte erzielt. Zudem wären 65 Jahre nicht mehr das am besten geeignete Alter für ein Screening.

Zielgruppe umfassend über Vor- und Nachteile informieren

Die Einführung eines flächendeckenden BAA-Screenings in Deutschland sollte begleitet werden durch Maßnahmen der Qualitätssicherung. So sollte es eindeutige Falldefinitionen geben und Qualitätsstandards sollten festgelegt werden. Zudem sollte sichergestellt sein, dass Personen mit einer BAA-Diagnose oder einem auffälligen Befund nachbeobachtet werden können. Schließlich sollte die Zielgruppe umfassend und ausgewogen über Vor- und Nachteile eines BAA-Screenings informiert werden.

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im Januar 2014 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im April 2014 publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen.

Pressekontakt:
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