Am Vormittag des großen Tages ist schon Unruhe im Krankenzimmer auf der Intensivstation der UKL-Kinderklinik. „Ich bin doch ganz schön aufgeregt“, sagt Mutter Andrea. Auch für das Team der Intensivstation ist das ein besonderer Tag. Als Überraschung haben die Schwestern einen Clown für Leon eingeladen. Der freut sich gerade vor allem auf sein neues Kinderzimmer. Dort war der Vierjährige bisher bei weitem nicht so oft wie auf der Station im Leipziger Uniklinikum.
Leon kam mit einer schweren angeborenen Darmfehlbildung zur Welt. Mit einer sofortigen Operation retteten die Kinderchirurgen des UKL sein Leben, konnten aber nur ein sehr kleines Stück des Darms erhalten. In der Folge konnte das sein Verdauungssystem nur sehr schlecht Nährstoffe aufnehmen. „Eine solche Darmverkürzung birgt immer die Gefahr von Entwicklungsstörungen, und durch das große Risiko eines Flüssigkeitsverlustes auch eines Kreislaufversagens“, erklärt Oberarzt Werner Siekmeyer.
Der Facharzt für Kindeheilkunde und das Team der Intensivstation behandelt Leon seit Jahren. „Solche Fehlbildungen gibt es zwar immer wieder“, so der 54-Jährige Mediziner, “allerdings nicht so oft mit so schweren Folgen wie in diesem Fall“. Sowohl Dünndarm als auch Dickdarm waren betroffen, trotz mehrerer Operationen hat Leon heute nur ein sehr kurzes Darmstück zur Verfügung – etwa 15 Zentimeter Dickdarm und 60 Zentimeter Dünndarm. Einem gesunden Erwachsenen stehen dagegen 4 Meter Dünndarm und 1,5 Meter Dickdarm zur Verfügung.
Weil die Nahrungsaufnahme durch die verbliebenen Darmabschnitte stark eingeschränkt ist, wird Leon über einen Katheter mit Nährlösungen über die Blutbahn ernährt. Inzwischen kann er auch ein wenig essen – aber nur nach einer strengen Diät, begrenzt auf spezielle Ernährungsmischungen. „Das stellt an alle Beteiligten, auch an die Familie, sehr hohe Ansprüche“, so Siekmeyer. Jede Abweichung gefährde Leon, auch die Hygiene muss penibel eingehalten werden.
„Inzwischen haben wir es aber geschafft, dass er für Stunden auch ohne den Katheter auskommt“, ist der Oberarzt stolz auf sein Team. Dafür wurde der Darm langsam und in kleinen Schritten trainiert. Auch mit der Mutter wurde lange gemeinsam geübt, wie genau die aufwändige Pflege zu Hause erfolgen muss und welche Warnzeichen zu beachten sind. Die Ärzte und Schwestern der Kinderklinik kümmerten sich auch um Unterstützung für die Familie. „Allein durch die Angehörigen ist das nicht zu schaffen“, so der Oberarzt. Eine 24-Stunden-Pflege wird Leon zu Hause mit versorgen.
Dass der Vierjährige jetzt nicht nur nach Hause gehen kann, sondern ab Herbst sogar einen integrativen Kindergarten besuchen wird, ist ein besonderer Erfolg für die Kindermediziner. „Wir freuen uns, dass Leon trotz seiner Einschränkungen so viel Normalität wie möglich erleben kann“, sagt Oberarzt Dr. Siekmeyer. Mit viel Glück wächst auch der Darm ein wenig. Mit der Zeit würden die Restabschnitte vielleicht auch mehr Funktionen übernehmen. Dennoch ist Leon von einer Heilung weit entfernt. „Vielleicht macht die Medizin große Fortschritte, so dass sich in Zukunft hier neue Möglichkeiten eröffnen“, so Siekmeyer. Bis dahin wird Leon wöchentlich zur Nachbetreuung zu den UKL-Kinderärzten kommen und vor allem eines sein müssen – sehr diszipliniert.