Wie kommt das Trinkwasser zum Verbraucher? Es hat einen langen Weg hinter sich: aus dem Wasserwerk durch viele Leitungen ins Haus, streng überwacht und in bester Qualität. Bis zur Wasseruhr. „Dann aber beginnt eine Grauzone: die Hausinstallation. Hier kann eine wenig kontrollierte Vielfalt von Materialien eingesetzt werden, von denen einige ein Paradies für Mikroorganismen sind“, erklärt Prof. Dr. Hans-Curt Flemming, Leiter des Biofilm Centre.
Unter seiner Koordination haben fünf Forschungseinrichtungen und 17 Industriepartner vier Jahre lang die Trinkwasserqualität in öffentlichen Gebäuden und speziellen Versuchsanlagen untersucht. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bewilligte zwei Millionen Euro Fördergelder. Im Blickpunkt standen dabei besonders die letzten Meter bis zum Kran – denn ausgerechnet hier kann das beste Wasser seine Qualität verlieren. Unter welchen Umständen passiert das? Wie gut ist die Überwachung, welche Materialien sind zugelassen? Kann es zu Epidemien kommen, und wie lassen sich Probleme vermeiden? Diesen Fragen gingen die Verbundpartner nach.
„Trinkwasser ist nicht steril, und muss es auch nicht sein. Es enthält Bakterien, die vollkommen ungefährlich sind“, stellt Flemming klar. Das Erfolgsrezept der Wasserwerke bestehe darin, den Bakterien die Nährstoffgrundlage zu entziehen. Das ergebe so genanntes stabiles Trinkwasser. „Wenn diese ausgehungerten Keime nun auf Materialien treffen, die ihnen Nährstoffe bieten, dann eröffnet sich ihnen das Paradies. Viel brauchen sie nicht zum ihrem Glück: Kleine Mengen ausgeschwitzter Weichmacher, Stabilisatoren, Farbstoffe, Antioxidantien und andere Kunststoffzusätze reichen völlig aus“, erklärt der Experte für Aquatische Mikrobiologie. „Dort setzen sie sich fest und bilden dicke Biofilme. Darin können sich auch Krankheitserreger einnisten, die wachsen, dann ausgeschwemmt werden und das Wasser kontaminieren.“
Die Auswertung von mehr als 20.000 Messungen an öffentlichen Gebäuden durch die Gesundheitsämter zeigte, dass in über 13 Prozent der Warmwasser-Systeme Legionellen vorkommen. Ein besonders unangenehmer Krankheitserreger ist Pseudomonas aeruginosa, der Lungenentzündungen, Harnwegsinfekte oder hartnäckige Infektionen bei Brandwunden verursacht. Er wurde in drei Prozent der Untersuchungen nachgewiesen. Dabei haben die Gesundheitsämter erst knapp die Hälfte der Gebäude beprobt, die der Untersuchungspflicht unterliegen – vor allem aus Geld- und Personalmangel.
Wie kann man Trinkwasser sicherer machen?
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass Duschschläuche oder kleine Dichtungen ebenfalls zum Bakterienhort werden, wenn sie aus Kunststoffen bestehen, die das Keimwachstum unterstützen. Bei einigen ließen sich Biofilme sogar mit dem bloßen Auge erkennen. Gerade preiswerte Armaturen und Schläuche enthalten oft Zusatzstoffe wie Weichmacher, Reste von Trennmitteln oder wurden bei der Herstellung verunreinigt. Eine ungünstige Kombination aus schlechter Werkstoffqualität und Wasserbeschaffenheit fördert eine starke Biofilm-Entwicklung – und bietet damit Lebensräume für Krankheitserreger.
Epidemien brechen nicht sofort aus, es kann aber durchaus zu Erkrankungen kommen. Kritische Situationen können zudem entstehen, wenn das Immunsystem geschwächt ist, beispielsweise nach einer Operation.
Wie geht man mit unliebsamen Bakterien um? Desinfektionsmittel können die Situation zwar verbessern, aber nicht grundlegend sanieren. Denn wird das Mittel abgesetzt, regeneriert sich der Biofilm sofort. Auch die Überwachungsmethoden, so gut sie auch sind, reichen nicht immer aus. Flemming und seine Kollegen stellten fest, „dass sich gerade die gesuchten Krankheitserreger in einen Dämmerzustand versetzen können – womit sie vom Radar der Standardmethoden verschwinden. Sobald ihre Lebensbedingungen wieder besser werden, wachen sie auf und können genau so infektiös sein wie vorher.“
Diesem Phänomen widmen sich die Forscher in den kommenden drei Jahren. Mit neuen molekularbiologischen Methoden wollen sie die pathogenen Keime und die Bedingungen für ihr „Versteckspiel“ untersuchen und die Frage beantworten, wie man das Trinkwasser hygienisch sicher machen kann. Das BMBF stellt erneut Mittel bereit, diesmal sind es mehr als zwei Millionen Euro.
Weitere Informationen: <www.uni-due.de/biofilm-centre>
Prof. Dr. Hans-Curt Flemming, Tel. 0203/379-1936, hc.flemming@uni-due.de
(idw, 09/2010)