Viren sind streng genommen keine Lebewesen, sondern unbelebte Molekülkomplexe. Die raffinierte Art und Weise, wie diese den Wirtsorganismus beeinflussen, fasziniert Till Rümenapf schon seit dem Studium. Seit 1. April 2012 setzt Rümenapf seine Arbeit an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni Vienna) als Professor für Virologie und Leiter des dortigen Instituts für Virologie fort. „Die Beziehung zwischen einem Virus und seinem Wirt ist eine ganz spezielle Form von Ökosystem an der Grenze des Lebens“, schildert er seine Faszination an seiner Forschungsarbeit.
Stille Mitbewohner
Den speziellen Schwerpunkt sieht der Virologe darin, die viralen Mechanismen zu verstehen, die lang andauernde, persistierende Virusinfektionen bei landwirtschaftlichen Nutztieren bewirken. Bedeutung erlagen sie besonders dadurch, dass dabei häufig das Immunsystem geschwächt und so andere Infektionen begünstigt werden. Die Virusforschung ist daher auch gefordert, wenn es um die Verringerung des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung geht. In seiner neuen Funktion an der Vetmeduni Vienna möchte er in Zusammenarbeit mit den Kliniken und anderen Instituten der Universität vor allem Viruserkrankungen von Schwein und Rind untersuchen. Im Vordergrund stehen der seuchenhafte Spätabort bei Schweinen (PRRSV), die Schweinepest und die Virusdiarrhöe des Rindes. Wichtiges Ziel der Forschungstätigkeit ist die rationale Entwicklung leistungsfähiger Impfstoffe, die nur bei einem tiefgründigen Verständnis der molekularen Biologie der Erreger und der Wirtszelle gelingen kann.
Evolution im Schnellgang
Rümenapf betont, dass die von Viren ausgehenden Gefahren für Mensch und Tier vermutlich nie vermieden werden können, da sich Viren ständig verändern. Dabei kann man die „Evolution im Schnellgang“ beobachten, wie er sagt. Durch kurze Vermehrungszyklen, die oft nur Stunden dauern, und eine stark veränderliche Erbsubstanz, können sich Viren extrem schnell anpassen. Als Folge können bisherige Impfstoffe unwirksam werden oder neue Krankheitsbilder auftreten. Wichtig ist es daher auch, bei der Virusdiagnostik Schritt zu halten.
Menschgemachte Krankheiten
Dass man bei der Bekämpfung von viralen Tierkrankheiten auch sehr vorsichtig sein sollte, zeigte eine kürzlich erschienene Arbeit zum mysteriösen „Blutschwitzen“ bei Kälbern. Die Krankheit trat in Österreich nicht auf und wurde nur dort beobachtet, wo ein bestimmter Impfstoff bei Rindern verwendet wurde. Biochemische Analysen ergaben, dass bestimmte Inhaltsstoffe des Impfstoffs eine Immunreaktion im Muttertier auslösen, die bei neugeborenen Kälbern eine tödliche Krankheit zur Folge haben kann.
Selbst anpacken dürfen
Rümenapf hat neben dem Umgang mit Tieren vor allem der praxisorientierte Aspekt der Veterinärmedizin zum Tierarztberuf geführt, was er paradoxerweise auch in der Virologie schätzt. Entsprechend wichtig ist ihm, die Studierenden der Veterinärmedizin nicht mit Informationen zu überlasten. Sie sollen das Wissen auch durch eigene Tätigkeit „begreifen“. „Im neuen Lehrplan für Veterinärmedizin der Vetmeduni Vienna, bei dessen Entwicklung ich das Glück habe mitwirken zu dürfen, werden diese praktischen Aspekte hoffentlich stärker als bisher berücksichtigt werden können“, freut er sich.
Vom Tierarzt zum Virenforscher
Till Rümenapf studierte Veterinärmedizin an der renommierten Tierärztlichen Hochschule Hannover. Seine Doktorarbeit machte er an der Bundesforschungsanstalt für Viruserkrankungen der Tiere in Tübingen, seine Promotion erfolgte 1990 an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Im Anschluss verbrachte Rümenapf drei Jahre am angesehenen California Institute of Technology in den USA. Er kehrte 1993 nach Tübingen zurück und wechselte nach zwei Jahren an die Justus-Liebig-Universität Gießen, wo er sich für das Fach Virologie habilitierte. Seit 1999 war er in Gießen Universitätsprofessor für Klinische Virologie im Fachbereich Veterinärmedizin, bevor er seine aktuelle Professur an der Vetmeduni Vienna antrat.
Wissenschaftlicher Artikel zu Rümenapfs Forschung am Erreger der „klassischen Schweinepest“ (2012):
Wissenschaftlicher Artikel Rümenapfs zur mysteriösen „Blutschwitzen“-Krankheit bei Kälbern (2011):
Rückfragehinweis
Univ.Prof. Dr. Till Rümenapf
Institut für Virologie
Veterinärmedizinische Universität Wien
T +43 1 25077-2311
E
Aussender
Mag. Klaus Wassermann
Öffentlichkeitsarbeit/Wissenschaftskommunikation
Veterinärmedizinische Universität Wien
E
T +43 1 25077-1153