Therapeuten erhalten nicht nur in Zeiten von Corona zu wenig Anerkennung. Sie haben dabei ein zusätzliches Problem: Circa 80 Prozent von ihnen arbeiten in privaten ambulanten Praxen – von denen viele nun in der Existenz bedroht sind. Die Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Sabine Hammer von der Hochschule Fresenius in Idstein wünscht sich, dass Politik und Gesellschaft auch diese Gruppen wertschätzen.
Therapeuten
„Die Coronakrise bringt eine Vielzahl zusätzlicher behandlungsbedürftiger Patienten hervor. Nach einer schweren Lungenerkrankung müssen Physiotherapeuten die Atmung, die Atmungsmuskulatur sowie die Beweglichkeit umliegender Strukturen intensiv therapeutisch versorgen, um Folgeschäden zu vermeiden oder zu minimieren“, berichtet Prof. Dr. Sabine Hammer. Auch die körperliche Leistungsfähigkeit muss unter fachlicher Anleitung langsam wieder aufgebaut werden, damit Betroffene wieder berufs- oder schulfähig sind.
Logopäden
Logopäden versorgen unter anderem Patienten mit Schluckbeschwerden und verhindern, dass Speisereste in die Luftröhre gelangen. Das kann zu Lungenentzündungen führen, die schon in normalen Zeiten allzu oft tödlich enden. Ergotherapeuten leisten wichtige Hilfestellungen bei Menschen, die stark in der Bewegung eingeschränkt sind – etwa bei Grundbedürfnissen wie Nahrungsaufnahme und Körperpflege. „Und wenn Podologen keine fachliche Fußpflege mehr bei schweren Diabetikern durchführen können, sind in vielen Fällen Amputationen die Folge“, so Hammer weiter. „Nicht zu unterschätzen ist die psychologische Unterstützung – in Alten- und Pflegeheimen sind Therapeuten momentan häufig die einzigen Menschen, die sich länger mit den Bewohnern beschäftigen.“
Der Fachkräftemangel war in den bezeichneten Berufen schon vor Corona eklatant. Diese Situation könnte sich in den nächsten Wochen und Monaten noch einmal drastisch verschlimmern. „Aufgrund der geringen Vergütung von Heilmitteln kann kaum eine Praxis Rücklagen bilden und viele angestellte Therapeuten sind ohnehin am Existenzminimum. Im Mittel verdienen sie rund 1.000 Euro weniger brutto im Monat als Pflegekräfte, obwohl sie eine anspruchsvolle Ausbildung durchlaufen oder sogar studiert haben.“ Gegenüber Fachkräften mit vergleichbarer Ausbildung sind es sogar 2.000 Euro brutto weniger im Monat. „Hier ist also dringend Unterstützung gefragt – zum Erhalt der Berufsgruppen, aber auch im Sinne des Patientenwohls und dem Aufrechterhalten des hohen Niveaus der deutschen Gesundheitsversorgung.“