Studie zum G-BA zeigt Handlungsbedarf bei Gemeinwohlorientierung und Innovationsoffenheit

• Um eine stärkere Orientierung der Entscheidungen des G-BA am Gemeinwohl zu erreichen, müssen Repräsentativität und Art der Entscheidungsfindung reformiert und Governance-Regeln festgelegt werden. Die sogenannte Vertrauensgut-Problematik erfordert zudem Maßnahmen, um die Regulierungsfunktion zu verbessern und nicht Partikularinteressen in den Vordergrund zu stellen.
• Evidenzbasierte Medizin und (frühe) Nutzenbewertung sind zwar sinnvolle Instrumente, dürfen Innovationen mit Potenzial aber nicht von vorneherein ausbremsen.
• Stiftung Münch setzt eine Reformkommission ein, die Lösungen erarbeitet. Ihr gehören die Professoren Justus Haucap, Ferdinand Wollenschläger und Stefan Hartmann an.

Berlin, 20. September 2016. Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) müssen künftig stärker am Gemeinwohl orientiert sein und dürfen nicht von Partikularinteressen dominiert werden. Insbesondere Innovationen, die zu einer Verbesserung der Versorgung führen oder sogar systemverändernd wirken können, müssen einen Zugang ins System finden. Durch die derzeitige Funktionsweise des G-BA ist dies jedoch nicht immer hinreichend gewährleistet, wie aus einer Studie hervorgeht, die von DICE Consult in Zusammenarbeit mit dem Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf unter der Leitung von Prof. Dr. Justus Haucap und Dr. Michael Coenen im Auftrag der Stiftung Münch erstellt wurde.
In der Studie wurde aus wettbewerbstheoretischer und regulierungsökonomischer Perspektive untersucht, inwieweit Struktur und Arbeitsweise des G-BA grundsätzlich geeignet sind, zu einer innovationsoffenen und Effizienz steigernden Weiterentwicklung der GKV-Gesundheitsversorgung beizutragen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass bei den Entscheidungen des G-BA sowohl Probleme in der Gemeinwohlorientierung als auch bei der Innovationsoffenheit bestehen.

1. Gemeinwohlorientierung des G-BA:

Die Repräsentativität der Vertreter des G-BA und die Art der Entscheidungsfindung können dazu führen, dass Allianzen geschmiedet und Gruppen, die nicht im G-BA vertreten sind, benachteiligt werden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch, dass es keine Regelungen der Governance des G-BA gibt, die zum Beispiel die Wahrung der Unabhängigkeit der Mitarbeiter – auch für eine gewisse Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem G-BA – gewährleisten. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei Gesundheitsleistungen um besondere Vertrauensgüter handelt, deren Erbringer zugleich auf die Regulierung Einfluss nehmen. Deshalb ist es möglich, dass Partikularinteressen über das Gemeinwohl gestellt werden.

2. Innovationsoffenheit des G-BA
Innovationen zielen grundsätzlich darauf ab, bestehende Angebote zu verbessern. Meist gibt es dabei auf der Anbieterseite Gewinner und Verlierer. Mit dem G-BA existiert im deutschen Gesundheitswesen die Besonderheit, dass potenzielle Verlierer von Innovationen selbst Teil der Regulierungsbehörde sein können. Innovationen, die Besitzstände der im G-BA vertretenen Gruppen gefährden, können daher nur schwerlich mit einem Markteintritt rechnen. In einigen Fällen ist auch die evidenzbasierte Medizin als alleinige Entschei-dungsgrundlage kritisch zu sehen. Oftmals wären zum Beispiel erst Pilotprojekte nötig, um Daten für die Evidenzbasierung erst zu schaffen.

Reformkommission wird Lösungsvorschläge erarbeiten

Um Lösungen für eine Verbesserung der Arbeitsweise des G-BA sowie Handlungsempfehlungen auf diesen Themenfeldern zu erarbeiten, hat die Stiftung Münch eine Reformkommission ins Leben gerufen. Zum Kern des Teams gehören Professor Justus Haucap, Professor Ferdinand Wollenschläger und Professor Stefan Hartmann. Weitere Experten werden je nach zu bearbeitender Fragestellung hinzugezogen. Auch der G-BA soll in die Beratungen einbezogen werden und die Möglichkeit erhalten, Experten zu benennen, die die Arbeit der Reformkommission unterstützen. Ein diesbezügliches Gesprächsangebot an den G-BA blieb jedoch bis heute unbeantwortet.

„Das Ziel der Stiftung ist es, das deutsche Gesundheitswesen zukunftsfähiger zu machen und dabei die Versorgung patientenorientiert zu gestalten“, so Stephan Holzinger, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Münch, „der G-BA ist als Gremium der Selbstverwaltung in einem regulierten Markt dabei eine wichtige, aber augenscheinlich reformbedürftige Einrichtung. Wir wollen konstruktiv dazu beitragen, dass die Entscheidungen dort künftig so getroffen werden, dass keine Partikularinteressen mehr überwiegen und insbesondere Sprunginnovationen, von denen Patienten erheblich profitieren können, neutral bewertet und berücksichtigt werden.“ Die Ergebnisse der Reformkommission werden öffentlich zugänglich gemacht.

Die Stiftung Münch hatte das Gutachten im Mai dieses Jahres in Auftrag gegeben. Die Aufarbeitung der Aufgaben, der tatsächlichen Arbeitsweise und möglicher Defizite in der Struktur und (faktischen) Funktionsweise des G-BA unter dem Aspekt einer innovationsoffe-nen, effizienten und hochwertigen Versorgung stand dabei im Fokus.

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