Stress ist eine sehr individuelle Erfahrung. Während manche unter der Doppelbelastung von Beruf und Familie leiden, empfinden andere einen Stau auf dem Weg zu einem wichtigen Termin als extrem stressig. Doch warum ist es ungesund, lange über stressige Erlebnisse nachzugrübeln? Und welche Rolle spielt Achtsamkeit dabei, um Stress besser zu bewältigen? Dr. Johanna Janson-Schmitt vom Lehrstuhl für Gesundheitspsychologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gibt Antworten.
Frau Dr. Janson-Schmitt, Sie forschen gemeinsam mit Prof. Nicolas Rohleder zur Veränderung körperlicher und emotionaler Reaktionen auf wiederholten Stress. Im Rahmen der MODSTR-Studie haben Sie bislang 22 Probandinnen und Probanden im Labor an zwei aufeinanderfolgenden Tagen einem Stresstest unterzogen. Während eine Gruppe nach dem Test bewusst über das Erlebte nachdachte, wurde die andere angeleitet, mit Verständnis und Achtsamkeit auf ihren Stress zu reagieren. Bis 2027 planen Sie, weitere 120 Personen zu untersuchen. Was genau möchten Sie herausfinden?
Dr. Johanna Janson-Schmitt: Wir erforschen, welche körperlichen Mechanismen dazu führen, dass Stress krank macht. Besonders interessiert uns, welchen Einfluss die Psyche auf diese Prozesse hat. Ideal ist es, wenn sich unser Körper an Stress anpasst – dieser Prozess wird als Habituation bezeichnet. Wenn das nicht geschieht und wir jedes Mal mit der gleichen Intensität auf Stress reagieren, können chronische, unterschwellige Entzündungen entstehen. Diese begünstigen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Arteriosklerose, Alzheimer oder sogar Krebs. Unsere Studie soll zeigen, wie sich unterschiedliche Strategien im Umgang mit Stress auf den Körper und seine Entzündungsprozesse auswirken.
Stress wird unterschiedlich wahrgenommen – was hilft, um Druck besser auszuhalten?
Dr. Johanna Janson-Schmitt: Stress wird im zentralen Nervensystem verarbeitet, das auch Erinnerungen und Bewältigungsstrategien speichert. Wenn mir zum Beispiel vor einem Vorstellungsgespräch Atemübungen geholfen haben, kann ich sie in einer stressigen Besprechung erneut nutzen. Dadurch empfinde ich die Situation als weniger belastend, und mein Körper schüttet weniger Stresshormone aus. Die gute Nachricht: Die meisten Menschen gewöhnen sich an wiederholten Stress und nehmen ihn mit der Zeit als weniger herausfordernd wahr.
Gibt es Persönlichkeitsmerkmale, die zu mehr Gelassenheit bei Stress führen?
Dr. Johanna Janson-Schmitt: Ja, wer häufig in negativen Gedankenspiralen gefangen ist und zwanghaft über stressige Ereignisse grübelt, kann sich schlechter an Stress anpassen. Dieses Verhalten spielt auch bei depressiven Erkrankungen eine Rolle. Eine Vorstudie unseres Lehrstuhls hat gezeigt, dass sich Grübler nach wiederholtem Stress nicht unbedingt schlechter fühlen als andere. Doch auf physiologischer Ebene haben wir festgestellt, dass ihr Körper schlechter auf neue Stresssituationen reagiert.
Bisherige Studien haben vor allem untersucht, wie das körpereigene Stresssystem auf Belastung reagiert und wie viel Cortisol und Adrenalin ausgeschüttet wird. Ihre Forschung geht einen Schritt weiter: Sie analysieren das Entzündungssystem. Wie funktioniert das?
Dr. Johanna Janson-Schmitt: Wir wollen herausfinden, ob eine bestimmte Einstellung zu Stress auch das Entzündungssystem beeinflussen kann. Dafür messen wir in Speichelproben die Cortisolkonzentration und bestimmen über einen Ersatzmarker die Menge an Noradrenalin. Zusätzlich analysieren wir durch Blutproben die Entzündungswerte. Der Vergleich der Ergebnisse nach den beiden Stresstests zeigt uns, ob und wie sich die Reaktion des Körpers verändert – insbesondere bei Menschen, die zum Grübeln neigen.
Ob Stress krank macht, hängt also stark davon ab, wie man mit belastenden Erlebnissen umgeht. Welche Strategien helfen, um aus negativen Gedankenspiralen auszubrechen?
Dr. Johanna Janson-Schmitt: Achtsamkeit spielt eine entscheidende Rolle. Wer seine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt lenkt, kann Stress besser bewältigen. Wenn ich merke, dass mein Herz schneller schlägt und ich mich unwohl fühle, nehme ich es bewusst wahr – ohne es zu bewerten. Das Gleiche gilt für negative Gedanken. Durch regelmäßiges Achtsamkeitstraining kann man Grübeleien reduzieren. Auch Meditation und Sport helfen, akuten Stress zu lindern. Ob sie langfristig die Anpassung biologischer Stressreaktionen verbessern, ist jedoch noch nicht eindeutig wissenschaftlich belegt. Mit unserer Studie wollen wir diese Annahme erstmals überprüfen.
Wie setzen Sie Achtsamkeit persönlich im Alltag um?
Dr. Johanna Janson-Schmitt: Meine Familie hilft mir, den Kopf freizubekommen. Auch kreative Hobbys können Stress abbauen. Mir hilft es außerdem, mir bewusst zu machen, dass nicht nur ich angespannt bin, sondern dass viele andere in ähnlichen Situationen das Gleiche empfinden. Das nimmt den Druck.
Weitere Informationen
Originalpublikation
https://www.fau.de/2025/03/news/mit-achtsamkeit-aus-der-stressfalle/
Wissenschaftliche Ansprechpartner
Dr. Johanna Janson-Schmitt
Lehrstuhl für Gesundheitspsychologie
johanna.janson-schmitt@fau.de
https://medizin-aspekte.de/allgemeinmedizin-fachlich-neu-verortet-155157/