Startschuss für neues Medizin-Forschungsnetzwerk »KINETEK« in Leipzig

Beide Partner waren bereits 2013 mit der Etablierung des »Kunstgelenk Netzwerk Endoprothetik« so erfolgreich, dass die gemeinsamen Forschungsanstrengungen jetzt auf weitere medizinische Fachbereiche ausgedehnt werden.

Nach aktuellen Schätzungen leiden in Deutschland etwa 350.000 Patienten am Parkinson-Syndrom. Die Krankheit ist durch unkontrolliertes Zittern und Bewegungsarmut gekennzeichnet und gilt als nicht heilbar. Zusätzlich zur Behandlung mit Medikamenten wurde Anfang der 1990er Jahre eine Art »Hirnschrittmacher« entwickelt. Mittels Tiefen Hirnstimulation (THS) werden elektrische Impulse in betroffenen Hirnregionen geleitet, wodurch dort Fehlimpulse und damit die Symptome der Krankheit wirkungsvoll unterdrückt werden können. Das aus therapeutischer Sicht vielversprechende Verfahren wird allerdings selten eingesetzt. Es fehlt an industriellen Partnern, die sich mit der Herstellung, dem Vertrieb und der Wartung der komplexen Technik befassen. In der Medizintechnik ist das kein Einzelfall. Lösungen für die Behandlung von Krankheiten entstehen in der Regel am Patienten, d.h. in den Kliniken bzw. in Forschungseinrichtungen. Für den Transfer dieses Wissens zu den Herstellern medizintechnischer Lösungen werden geeignete Strukturen benötigt, die Mediziner, Forscher, Qualitätsprüfer, Entwickler und Vertreiber an einen Tisch holen.

Die neu gegründete Forschungsplattform »KINETEK – Bewegungssysteme« tritt als Vermittler und Innovationstreiber in diese Lücke. Derzeit 18 Partner, davon 10 aus der überregionalen Industrie sowie 8 Forschungseinrichtungen und Kliniken, stellen sich der Aufgabe, wissenschaftliche Ergebnisse in Form von Therapiegeräten, Implantaten, Softwaretools oder Behandlungskonzepten in die Praxis zu bringen. Im Fokus steht das komplette Bewegungssystem des Menschen. In verschiedenen gemeinsamen Forschungsprojekten sollen so z. B. Erkrankungen der Wirbelsäule mit neuen Therapiegeräten behandelt werden, die in bisher unerreichter Qualität Muskelgruppen trainieren.

Weitere Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen richten sich auf computergestützte Assistenzsysteme für den OP-Saal. Komplexe Knochenfrakturen werden derzeit meist mit standardisierten OP-Konzepten behandelt. Eine computerassistierte Planung wird nur in wenigen Fällen durchgeführt. Im Netzwerk entstehen hierzu Softwarelösungen, mit deren Hilfe die Implantat-Position bestimmt wird. Auch die im Ingenieurwesen bereits weit verbreitete Finite-Elemente-Simulation soll im OP-Saal Einzug finden, und damit den Operateur bei der Vermessung und Belastungsprüfung von Osteosysnthese-Material, z. B. Implantaten und Platten, unterstützen. Mithilfe von Kennwerten, wie der Knochen- oder Bandstruktur, könnten solche physikalisch korrekten Simulationen dazu beitragen, Fehler und damit Nachoperationen zu vermeiden.

Das Veranstaltungsprogramm vermittelte Einblicke in diese und weitere Forschungsprojekte. Im Anschluss hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, hinter die sonst verschlossenen Türen des gemeinsam neu gegründeten biomechanischen Forschungslabors der Universitätsklinik Leipzig und des Fraunhofer IWU zu schauen. Hier wurden u. a. Prototypen aus laufenden Forschungsprojekten demonstriert, wie Versuche zur Hüftgelenkstabilität, Oberschenkelersatzimplantate, ein modulares Hüftimplantat sowie einen Prototypen für eine OP-Software zur Messung der Beinlänge bei Hüft-Operationen.

»Unsere Netzwerkaktivitäten im Bereich der Medizintechnik machen Schule: Bereits 2013 haben wir erfolgreich eine Kooperation zum Thema Kunstgelenk ins Leben gerufen und eine Reihe von Projektideen umsetzen können«, erklärt Dr. rer. med. Ronny Grunert, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IWU und Koordinator der beiden Netzwerke. »Das war so erfolgreich, dass auch Unfall- und Neurochirurgen das Gespräch mit uns gesucht haben. Auf der Grundlage unserer Erfahrungen und Netzwerkkontakte ist es uns gelungen, eine Reihe von namhaften Experten zum komplexen Thema `Bewegungssysteme´ zur Zusammenarbeit zu animieren – von der klinischen Anforderung bis hin zur Entwicklung und Zulassung sowie dem Vertrieb.«

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