Die Targeted Therapy solider Tumore mit biomolekularen Wirkstoffen verzeichnet zunehmend Erfolge. Die dabei eingesetzten innovativen Wirkstoffe sind so unterschiedlich wie die Indikationen, bei denen sie angewandt werden: Leberkrebs (hepatocelluläres Karzinom, HCC), Darmkrebs (Colon Karzinom), Nierenkrebs (Nierenzell Karzinom, RCC), Lungenkrebs (Bronchial-Karzinom) und Brustkrebs (Mamma-Karzinom). Dies sind nur einige Beispiele.
Sorafenib ist eines dieser innovativen wirksamen Biomoleküle, das zu der Gruppe der Tyrosin-Kinase-Inhibitoren (TKI) gehört. Es wird dieser Wirkstoffgruppe zugeordnet, weil Sorafenib spezifische, als Proteinkinasen bezeichnete Enzyme blockiert. Zu diesen Kinasen gehören die Raf-Kinase, VEGFR-1, VEGFR-2, VEGFR-3, PDGFR-B, KIT, FLT-3 und RET.(1)
Diese Proteinkinasen sind Bestandteil einiger Rezeptoren, die sich an der Oberfläche von Krebszellen befinden und das Zellwachstum und die Zellteilung (Proliferation) beschleunigen. Außerdem sind sie an der Entwicklung neuer Blutgefäße (Angiogenese) zur Versorgung z.B. von Tumoren beteiligt(6). Wird Sorafenib zur Therapie bei Krebstumoren eingesetzt, bindet es sepezifisch an die Proteinkinasen der Rezeptoren und hemmt somit Angiogenese und Proliferation der Tumore.
Sorafenib bei Leberkrebs (HCC) verschiedener Stadien und Schweregrade
Die placebokontrollierte, doppelblinde SHARP-Studie der Phase III zeigt, dass Sorafenib die mittlere Gesamtüberlebenszeit (GÜ) und die Zeitdauer bis zum Fortschreiten der Krankheit (Time-to-Progression, TTP) signifikant verlängert. Eine Subanalyse der SHARP-Studie belegt außerdem, dass die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Sorafenib bei Patienten mit hepatocellulärem Carzinom (HCC) im BCLC (Barcelona Clinic Liver Cancer)-Stadium B (mittelgradig) und im BCLC-Stadium C (fortgeschritten) gegenüber Placebo erhalten bleibt.(3)
Nach diesen positiven Vorergebnissen werden zukünftige Studien (SECOX /SPACE/ SEARCH) zeigen, wie sich Sorafenib sowohl in der Monotherapie als auch in der Kombinationstherapie mit Substanzen wie Capecitabin, Oxaliplatin, Everolimus und in Ergänzung mininimal-invasiver radiologischer Verfahren wie der Transarteriellen Chemoembolisation (TACE) in der First- oder Second Line des forgeschrittenen Leberkrebs weiterhin bewährt, stellte Prof. Dr. med. Peter. R. Galle, Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik an der Uni Mainz auf dem DKK in Berlin fest. Nach seiner Überzeugung gilt auch bei Lebertumoren, dass der Schlüssel zum Therapieerfolg einer „Targeted Therapy“ vor allem in der möglichst frühzeitigen Erhebung des Patientenstatus, einer noch spezifischeren Separierung mittels Biomarkern und der Zuweisung des jeweils optimalen Therapieschemas liegt.
Biomarker könnten helfen, die Therapie an die Bedürfnisse des Patienten anzupassen
Eine Subanalyse der SHARP-Studie belegt, dass Plasma-Biomarker (z. B. der insulinähnliche Wachstumsfaktor-2 (IGF-2) und Angiopoietin-2 (Ang2)) als Outcome-Prädiktoren bei Patienten mit fortgeschrittenem HCC dienen können. Eine Biomarker-Analyse an Patienten in der SHARP-Studie (n=602) zeigte, dass eine Erhöhung der Ang2-Werte nach 12-wöchiger Sorafenib-Therapie mit schlechteren Überlebenswerten korrelierte. Ein tendenziell verbesserter klinischer Benefit mit Sorafenib wurde bei Patienten festgestellt, die bei Studienbeginn einen hohen c-Kit, einen niedrigen IGF-2 und einen niedrigen Hepatozyten-Wachstumsfaktor aufwiesen. Diese Biomarker können möglicherweise helfen, die Therapie an die individuellen Patientenbedürfnisse anzupassen.(5)
Einsatz von Sorafinb bei metastasierten Nierenzell-Karzinomen in der Sequenztherapie – keine Kreuzresistenzen
Die möglichst frühzeitige Spezifizierung der Patienten ist auch für Prof. Dr. med. Jürgen E. Gschwend, Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik der TU München rechts der Isar, bei der Therapie des metastasierten Nierenzell-Carzinoms (mRCC) der Weg zum Erfolg. Steht die Sequenztherapie im Vordergrund, ist nach seiner Klinikerfahrung besonders wichtig, den gesamten Therapieplan im voraus zu definieren.
Studien zeigen, dass es trotz TKI-Behandlung bei Patienten mit Nierenkrebs nach einer Zeit ohne Tumorwachstum unter Therapie zu einem Fortschreiten des Wachstums kommt. Wird nun im Rahmen einer Sequenztherapie die TK-Inhibition mit einem anderen dieser small Molecules zur Behandlung des metastasierten Nierenzell-Carzinoms (mRCC) fortgesetzt, läßt sich das Tumorwachstum erneut beherrschen.
Daher wird bei der Sequenztherapie der Behandlungsansatz verfolgt, den ersten Tyrosinkinase-Inhibitor bei erneutem Wachstumsschub des Karzinoms gegen den anderen auszutauschen (Switch). Das heißt in der Praxis: Patienten, die zuerst Sorafenib erhalten, bekommen anschließend Sunitinib und Patienten, die zunächst Sunitinib erhalten, werden in der Folge mit Sorafenib therapiert. Möglich ist dieses Vorgehen bei der Therapie des mRCC, weil die beiden Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren Sunitinib und Sorafenib keine Kreuzresistenzen aufweisen.
Neben fortgesetztem Tumorwachstum können aber auch Nebenwirkungen einen Wechsel des Tyrosinkinase-Inhibitors erforderlich machen, selbst dann, wenn das Wachstum des Nierenzellkarzinoms unter TKI-Behandlung erfolgreich unterbunden wird.
Sorafenib in der Mono- oder Kombinationstherapie bei weiteren Indikationen
Mit einem Ausblick verweist Prof. Dr. Dirk Jäger auf Phase II und III Studien zum Einsatz von Sorafenib in der Mono- oder Kombinationstherapie bei Mammakarzinom, Akuter Myeloischer Leukämie (AML), Schilddrüsenkrebs und nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC).
Zulassung von Sorafenib: Status
In Europa ist Sorafenib (Nexavar®) zugelassen für die Therapie des Leberzellkarzinoms (HCC) sowie die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC), bei denen eine Behandlung mit Interferon-alpha oder Interleukin-2 nicht angeschlagen hat oder die für eine solche Therapie nicht in Frage kommen.
Sorafenib ist derzeit in über 40 Ländern zur Therapie von Patienten mit fortgeschrittenem HCC und in über 70 Ländern zur Behandlung von RCC zugelassen. Die empfohlene Dosis von Sorafenib beträgt bei Erwachsenen 400 mg (zwei Tabletten à 200 mg) zweimal täglich (entspricht einer Tagesgesamtdosis von 800 mg). Die häufigsten unerwünschten Ereignisse sind Diarrhö, Müdigkeit, Haarausfall und Hand-Fuß-Hautreaktionen.(4) (MEDIZIN ASPEKTE 03/2010)
Quelle
- Symposium, DKK 2010
3 Jahre Erfahrungen mit Nexavar: Therapiealltag heute und morgen
Veranstalter: Bayer Vital GmbH
Vorsitz: Marschner, N. (Freiburg)
Referenten- Galle, P. R
Zukünftige Therapiekonzepte mit Nexavar beim HCC - Gschwend, J. (München)
Optimale Therapiekonzepte mit Nexavar beim mRCC - Jäger, D. (Heidelberg)
Nexavar – Zukunft in der Onkologie
- Galle, P. R
- (1)(2)Bayer und Onyx starten Phase-III-Studie mit Nexavar® gegen Schilddrüsenkrebs; Pressemeldung Bayer Vital vom 23. Oktober 2009
- (3)(4)(5) 44. Jahrestagung der European Association for the Study of the Liver (EASL) – Neue Studien bestätigen Wirksamkeit und Sicherheit von Nexavar® (Sorafenib) für alle Patientenpopulationen bei hepatozellulärem Karzinom (HCC); Pressemeldung Bayer Vital vom 5. Mai 2009
- (6) EUROPÄISCHER ÖFFENTLICHER BEURTEILUNGSBERICHT (EPAR): NEXAVAR
Zusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit, aktualisiert am 04-2009
Videos zum Thema Krebs mit Interviews von erfahrenen und kompetenten Experten