Silver-Generation: Ganz ehrlich, wer beschäftigt sich schon vor der Zeit mit dem älter werden und der Endlichkeit seines irdischen Daseins? Niemand gerne! Doch in Anbetracht unserer rasant alternden Gesellschaft sollte man den einen oder anderen Gedanken auf das zukünftige Leben im Alter verschwenden.
Jeder vierte Deutsche ist heute älter als 60 Jahre. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt derzeit zwischen 78 Jahren bei Männern und 83 Jahren bei Frauen. Bevölkerungsforscher gehen davon aus, dass jedes zweite Mädchen, das heute geboren wird, eine Lebenserwartung von 100 Jahren hat und jeder zweite Junge voraussichtlich 95 Jahre alt wird. Altern beginnt bereits mit der Geburt. Wie stolz ist ein Kind, wenn es endlich „alt genug“ für den Kindergarten oder die Schule ist.
Es wollen auch alle Menschen alt werden, aber alt sein, dass will hingegen niemand so richtig gerne. Es mag daran liegen, dass „Alt sein“ in unserer Gesellschaft nicht positiv besetzt ist, klingt es doch zu sehr nach Gebrechlichkeit, Schmerzen und staubigen Altersheimen. Dabei steckt viel Potential im Alter, dass findet Dr. Christine Bienek, Oberärztin für Geriatrie im St. Marien-Hospital Mülheim an der Ruhr und im Geriatrie-Zentrum Haus Berge Essen, Häusern der Contilia Gruppe: „Das Bild der ‚Alten’ hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert. Mit dem Eintritt ins Rentenalter wird eine so genannte Altersgrenze überschritten. Heutzutage bedeutet dies für viele Menschen den Beginn eines neuen Lebensabschnittes, einer neuen späten Freiheit.“
Die heutige 60+ Generation surft Silver durchs World Wide Web, trägt Turnschuhe und läuft auf dem nächsten Marathon den Jüngeren davon. Ältere Menschen schreiben sich an Senioren-Universitäten ein, kümmern sich um Jugendliche, simulieren mit ihnen Bewerbungsgespräche und beraten sie bei der Berufswahl oder realisieren lang gehegte Pläne und fahren noch einmal mit der Harley um die Welt. Im Vergleich zu unseren Vorfahren, fühlen sich die ‚neuen Alten‘ jünger und möchten die ‚gewonnenen’ Jahre bewusster und auch aktiver nutzen. „Natürlich gibt es auch das andere Alter, die nachlassende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, gesundheitliche Probleme, die Zunahme an Krankheiten und körperlichen Leiden“, so Dr. Bienek. „Das Aussehen verändert sich, manch einer empfindet den Verlust der Attraktivität extremer als der andere.
Altern kann auch bedeuten, sich einschränken zu müssen und einmal vorgenommene Ziele nicht mehr verwirklichen zu können. Doch oftmals wird von unserer Mediengesellschaft ein Zerrbild des Alters dargestellt, in dem die Defizite und Unzulänglichkeiten des Alters zu hoch gehängt werden und viel zu viel Raum bekommen. Von schweren Krankheiten betroffen sind nämlich die Wenigsten, so leiden beispielsweise nur fünf Prozent der 65- bis 75-jährigen an einer schweren Demenz.“
Altersbejahende Grundhaltung
Doch was heißt es nun, das ‚Ja’ sagen zum Älterwerden, zum Alter? Es heißt vor allem, aktiv mit dem neuen Lebensabschnitt, der neuen Lebenssituation und den neuen Lebensaufgaben umzugehen und sich mit ihnen auseinander zu setzen. ‚Ja’ zu sagen zu den körperlichen Veränderungen und gelassener mit den natürlichen Alterungsprozessen umzugehen. Dr. Bienek: „’Ja’ zu sagen heißt auch, sich den neuen Anforderungen zu stellen, die eigenen Möglichkeiten und Grenzen zu hinterfragen, auszuloten und zu nutzen, denn gerade ältere Menschen verfügen über viel Kompetenz, Wissen und Lebenserfahrung, selbst wenn irgendwann die Sehkraft oder Reaktionsfähigkeit nachlässt, selbst, wenn die Gelenke knacken und die Gedanken langsamer fließen. Sie verfügen über viel Zeit, die es sinnvoll zu nutzen gilt.
Alte Menschen können eigentlich alles, egal ob es sich um Schwimmen, Radfahren oder auch Musizieren, Malen und Sprachen lernen handelt. Alles ist bis ins hohe Alter durchaus möglich, manches vielleicht nur noch in Maßen, aber es ist möglich. Doch dazu muss man eben auch ‚Ja’ sagen, denn ‚Ja’ sagen zum Älterwerden heißt nicht, dass Älterwerden etwas ist, was erleidet oder erduldet werden muss und dem man tatenlos zuschaut. Wer immer nur der guten alten Zeit nachtrauert, verklärt das Früher und liefert sich den natürlichen Veränderungsprozessen passiv aus. ‚Ja’ sagen zum Älterwerden heißt eben auch, sich nicht zu scheuen, sich mit dem eigenen Alterungsprozess auseinander zu setzen.“
Es wird viel mit Besorgnis vom zunehmenden Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung gesprochen und natürlich stellt die veränderte Altersstruktur der Bevölkerung die Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Leider wird dabei oftmals viel zu schnell vergessen, dass gerade ältere Menschen ein Gewinn für die Gesellschaft sind, da sie auf vielen Gebieten im Laufe ihres Lebens besondere Kompetenzen erworben haben, zum Teil den Jüngeren sogar überlegen sind. Es liegt eben auch an jedem einzelnen, wie der neue Lebensabschnitt gestaltet wird. „Menschen egal ob Jung oder Alt brauchen Annerkennung und Zuneigung und ein respektvolles Miteinander“, fordert Dr. Bienek. „Wir alle sollten das Alter viel positiver betrachten und die vielen guten Aspekte sehen, damit die gewonnenen Lebensjahre keine verlorenen, sondern erfüllte Jahre werden. (EKE 01/2010)