Rund jedes 20. Kind in Deutschland weigert sich, zur Schule zu gehen. Nur bei einem Teil der Schüler stecken mangelnde Motivation und fehlende Lust hinter der Schulverweigerung, bei den übrigen Kindern ist es die pure Angst vor der Schule. „Bei den Schulverweigerern gibt es drei Gruppen: Die erste Gruppe fürchtet, den Anforderungen in der Schule nicht gerecht zu werden. Anderen Kindern fällt es dagegen schwer, sich vom Elternhaus zu lösen, sie leiden unter einer Trennungsangst. Nur die dritte Gruppe schwänzt den Unterricht, weil sie keine Lust auf Schule hat“, sagt Martin Tergau, leitender Oberarzt der Tagesklinik und Institutsambulanz für Kinder und Jugendliche in Rastatt.
Übelkeit, Schweißausbrüche, Kopf- oder Bauchschmerzen sind Symptome dieser Angst. „Wenn Kinder unklare somatische Beschwerden haben, die auf keiner körperlichen Erkrankung beruhen, kann das ein Hinweis auf Schulangst sein“, erklärt Tergau. Die Folge dieser Angst ist die konsequente Vermeidung der angstauslösenden Situation; die Schüler bleiben zu Hause. „Die betroffenen Kinder fehlen immer wieder im Unterricht oder weigern sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen, die Schule zu besuchen“, berichtet Tergau aus seiner Erfahrung als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Wenn der Zustand der Schulverweigerung länger andauert, brauchen sowohl Kinder als auch Eltern Hilfe von Fachleuten. Ansprechpartner für die Eltern können schulpsychologische Dienste, niedergelassene Kindertherapeuten oder kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen wie die Rastatter Tagesklinik und Institutsambulanz sein. Dort wird zunächst gemeinsam mit den Eltern die Situation analysiert, um zu klären, was Auslöser der Schulangst ist. „Solche Auslöser können zum Beispiel Mobbingsituationen an der Schule, ein Schulwechsel oder der schwierige Wiedereinstieg in den Unterricht nach längerer Krankheit des Kindes sein. Ursache kann auch das sehr beschützende Verhalten der Eltern sein, die ihr Kind am liebsten zu Hause behalten und sich schwer damit tun, ihr Kind in Institutionen wie den Kindergarten oder die Schule zu schicken“, erklärt Tergau. Während der Diagnostik wird auch das Leistungsniveau des Kindes geprüft. Mögliche Beeinträchtigungen wie zum Beispiel eine Lese-Rechtschreibschwäche können ebenfalls Angst vor der Schule auslösen.
In der anschließenden ambulanten Therapie soll das Kind seine Schulangst besser verstehen und auch beherrschen lernen. „Wir besprechen mit dem Kind, was die Auslösefaktoren für die Angst sind, in welchen Situationen die Gedanken und Gefühle auftreten. Außerdem lernt das Kind, mit seiner Angst umzugehen. Zum Beispiel können Ablenkungsstrategien wie ein Gespräch mit einer bestimmten Person helfen. Teil der Therapie ist aber auch, die konkret angstauslösenden Situationen aufzusuchen und sie auszuhalten“, erläutert der Leiter der Rastatter Tagesklinik und Institutsambulanz. Doch nicht nur die betroffenen Kinder müssen lernen, mit der Situation umzugehen, auch die Eltern müssen zum Teil ihr Verhalten ändern. „Die Eltern dürfen nicht alles Angstauslösende von ihrem Kind fernhalten, sondern müssen ihrem Kind auch schwierige Situationen zumuten“, betont Tergau.
Wichtig bei der Überwindung der Schulangst ist, dass sich die Familien möglichst schnell um professionelle Hilfe kümmern. Dann sind nach Meinung des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie die Erfolgsaussichten sehr hoch: „Bei einer kurzfristigen Schulverweigerung stehen die Chancen ziemlich gut, dass die Schulangst schnell überwunden werden kann.“
Eltern, die sich zum Thema „Schulangst“ informieren möchten, können die Institutsambulanz Rastatt unter der
Telefonnummer: 07222/595060 kontaktieren.
Weitere Informationen:
Tagesklinik und Institutsambulanz
für Kinder und Jugendliche Rastatt
Martin Tergau, Oberarzt
Engelstraße 37
76437 Rastatt