Depotmedikation bei Schizophrenie verbessert die Therapietreue und mindert das Rezidivrisiko

Wahnstörungen, Halluzinationen oder lch-Störungen sind Positivsymptome der Schizophrenie. Anderseits gibt es Negativsymptome, zu denen motorische und kognitive Verarmungen oder Depressionen gehören (Möller et al.2007). Mit den genannten Positivsymptomen und Negativsymptomen sind die zwei Symptomgruppen umschrieben, unter denen Patienten mit Schizophrenie leiden. Allgemein ist die Schizophrenie als eine schwerwiegende psychische Erkrankung definiert, die durch eine vorübergehende oder andauernde Störung des Denkens, der Wahrnehmung und des Erlebens charakterisiert ist. 

Ziel der Schizophrenietherapie: durch Therapieadhärenz Stabilisierung von schizophrenen Patienten fördern
Die langfristige und nachhaltige Stabilisierung von schizophrenen Patienten gehört zu den wichtigsten Zielen der Schizophrenietherapie. Dass dieses Ziel häufig nicht erreicht bzw. dauerhaft aufrechterhalten werden kann, ist in den meisten Fällen auf eine unzureichende Therapieadhärenz (Therapietreue) zurückzuführen. Aus diesem Grund ist die Verfolgung eines multimodalen Therapieansatzes wichtig, der die Pharmakotherapie als Basis mit neuropsychologischen und psychosozialen Behandlungsstrategien kombiniert.

800 000 Patienten in Deutschland an Schizophrenie erkrankt
Männer haben gegenüber Frauen ein leicht erhöhtes Erkrankungsrisiko (1,4:1). Die höchste lnzidenz wird bei 20- bis 25-jährigen Männern und bei 25- bis 30-jährigen Frauen erreicht. ln der Altersgruppe der 45- bis 50-Jährigen erkranken dagegen deutlich mehr Frauen (Caebel und Wölwer 20.l0; Tandon et a|.2008). ln absoluten Zahlen bedeutet dies für Deutschland, dass etwa 350.000 Frauen und 450.000 Männer an einer Schizophrenie erkrankt sind.

Geminderte Lebenserwartung für Schizophreniepatienten
Bedingt durch die Begleiterkrankungen und einen häufig ungesunden Lebensstil, der sich beispielsweise in stärkerem Konsum von Suchtmitteln widerspiegelt, ist die Sterblichkeit bei Schizophreniepatienten verglichen mit der Gesamtbevölkerung um das 2,5-fache erhöht. 40% bis 60% der Schizophreniepatienten entwickeln eine Alkohol- und/oder Drogenabhängigkeit. Damit ist der Drogenmissbrauch bei Patienten mit Schizophrenie um den Faktor 5 bis 7 erhöht (Regier et al. 1990; Jacobi et al.2004). Darüber hinaus rauchen 80% der Patienten (Caebel und Wölwer 2OlO). ln Folge dieser Begleitumstände – und nicht wegen der eigentlichen Schizophrenieerkrankung – ist die Lebenserwartung um 15 bis 20 Jahre geringer. Zu der erhöhten Sterblichkeit trägt auch die Suizidrate bei, die – je nach Angabe – das 6- bis 12-fache der Gesamtbevölkerung beträgt (Saha et. al2OO7; Tandon et. al 2009)

Begleiterkrankungen verstärken die ungünstigen Verläufe der Krankheit, welche bei 40% bis 60% der stationär Behandelten und einem Drittel der ambulant behandelten Patienten auftreten. Neben Suchterkrankungen und Depression spielt eine mangelnde Behandlungsbereitschaft eine zentrale Rolle für einen ungünstigen Krankheitsverlauf (Gaebel und Wölwer 201O).

Chronisch progredienter Verlauf der Schizophrenie bei 1O% bis 30% der Patienten
Erste schizophrene Episoden treten in der Regel zwischen dem 18. und dem 35. Lebensjahr auf. Zirka 20% bis 25% der Betroffenen gesunden nach einer erfolgreichen Behandlung vollständig (Caebel und Wölwer 20l0). Bei den übrigen Patienten lassen die Krankheitssymptome phasenweise temporär nach (Remissionen) und sie erleiden wiederholte Rückfälle (Rezidive). Einen chronischen progredienten Verlauf erleiden etwa 1O% bis 30% der Schizophreniepatienten (Caebel und Wölwer 2O1O). Je nach Grad der chronischen Erkrankung kann eine stationäre Behandlung notwendig sein.

Ohne medikamentöse Rückfallprophylaxe steigt Rezidivquote ein Jahr nach der ersten schizophrenen Episode auf 70%
Schizophrenie wird mit einer Kombination aus pharmakotherapeutischen Verfahren sowie psycho- und soziotherapeutischen Methoden behandelt. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Arzneimitteltherapie. Ohne medikamentöse Rückfallprophylaxe liegt die Rezidivquote in dem Jahr nach der ersten schizophrenen Episode bei etwa 70% und im zweiten Jahr bei etwa 80%. Die Rückfallraten unter medikamentöser Behandlung liegen mit ca. 30% nach einem Jahr und ca.50% nach zwei Jahren erheblich niedriger. Mit einer zunehmenden Zahl von Rückfällen verlängert sich zudem die Zeit, bis Patienten auf die Therapie ansprechen (Caebel und Wölwer 2010).

Eine effektive Rückfallprophylaxe durch eine medikamentöse Therapie kann nur unter einer hohen Therapietreue (,,Adhärenz“) der Patienten erreicht werden (Weiden 2007). Allerdings sind Schizophreniepatienten oft nicht adhärent (Corenoi et al.2OO7). Es wird unterschieden zwischen partieller und fehlender Adhärenz. Partiell bedeutet, Medikamente zeitweilig auszulassen oder abweichend zu dosieren. Bei fehlender Adhärenz befolgen Patienten medizinische Empfehlungen nicht, was dazu führen kann, dass über längere Zeiträume keine Medikamente eingenommen
werden (Marder2003).

Fehlende Therapieadhärenz begünstigt Rezidive
Fehlende Adhärenz hat weitreichende Folgen. Beispielsweise korreliert mangelnde Therapietreue nachweislich mit erhöhter Suizidrate (Hawton et al. 2005; Roy .1982; Crawford and Forrest 1974), Zunahme von Mortalität und Morbidität (Hawton et al.2005; Tiihonen et a1.2006) sowie dem Anstieg von Drogenmissbrauch, Gewalttätigkeit und polizeilichen Festnahmen (Asher-Svanum et al. 2006).

Beispielsweise ist das Risiko („Odds-Ratio“) für einen Suizid bei einer niedrigen Therapietreue 3,75-fach erhöht (Hawton et a1.2005). Eine finnische Studie untersuchte über einen Zeitraum von 3,6 Jahren 2.230 stationär behandelte Schizophreniepatienten. Von 84 Todesfällen – davon 27 Suizide – waren 75 in der Gruppe mit schlechter Adhärenz eingetreten. Diese Gruppe umfasste Patienten, die Rezepte nur unregelmäßig eingelöst haben (Tiihonen 2006).

Fehlende Therapietreue begünstigt Rückfälle und die damit verbundenen Krankenhausaufenthalte (Diaz et al. 2001). Eine Arbeit von Morken et al. (2008) zeigte, dass bei einer fehlenden Therapietreue die Odds-Ratio für Rückfälle 10,27 und für Hospiialisierungen 4,00 beträgt. Prof. Dr. med. Hans-Peter Volz, Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin in Werneck unterstreicht, dass in der Folge der Non-Adhärenz die Zahl der Rezidive zunimmt. Außerdem verringert Non-Adhärenz die Ansprechrate auf die akut erforderliche Therapie bei einem Rezidiv.

Weiden und Olfson (1994) berechneten, dass eine um 5O% verbesserte Adhärenz die jährlichen Rehospitalisierungsraten um 12% senken würde. Durch die teuren Wiederaufnahmen ins Krankenhaus liegen die Behandlungskosten bei nicht adhärenten Patienten um mehr als das Vierfache über denen von therapietreuen Patienien (Rlmond et a|.2004).

Bessere Adhärenz durch fortschrittliche Medikation
Eine Möglichkeit ist, die Arzneimitteltherapie zu optimieren und Medikamente zu entwickeln bzw. einzusetzen, die mit weniger Nebenwirkungen verbunden sind und deren Darreichungsform und Einnahmeintervalle von den Patienten akzeptiert werden (Corenoi et a1.2007). Diese Anforderungen werden in großen Teilen von den Depotmedikamenten erfüllt, deren Vorteile im nächsten Abschnitt angesprochen werden.

Depotmedikamente steigern Therapietreue und senken Rezidivrisiko
Bei Depotmedikamenten wird dem Patienten in regelmäßigen Abständen durch medizinisches Personal eine lnjektion in den Muskel verabreicht. Das Medikament bildet dort ein Depot und wird über einen längeren Zeitraum kontinuierlich freigesetzt, so dass die Blutspiegel gleichbleibend hoch sind. Zwischen den lnjektionen muss der Patient nicht an seine Krankheit und die Medikamenteneinnahme denken (Kane et al. 2003). Depotmedikamente weisen im Vergleich zu oralen Formulierungen eine bessere Bioverfügbarkeit auf, wodurch niedrigere Dosierungen verwendet werden können. ln Folge sind die Substanzbelastung und die damit verbundenen Nebenwirkungen reduziert (Bai et al. 2007).

Patienten mit oraler Medikation verbrachten (nach zwei Jahren) doppelt so viel Zeit im Krankenhaus wie die Patienten unter Depotmedikation (Müller et al.2002). Es ergaben sich 42% Rückfälle bei oraler Medikation im Vergleich zu 27% unter Depotmedikation (Schooler 20O3). Die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv beträgt 33,3% unter oraler Medikation im Vergleich zu 21,6% bei Depotmedikation (Leucht et al. 2011).

lm Vergleich zu oralen Formulierungen können Depotmedikamente die Adhärenz und damit den Schutz vor Rückfällen deutlich verbessern (Schanda und Stompe 2010). Die Vorteile der Depotmedikamente in Bezug auf Adhärenz, Senkung der Rezidivraten und die damit einhergehende Reduktion von Rehospitalisierungen sind in der Literatur gut belegt (Acosta et al. 2OO9; Diaz et al. 2001; Clazer 1994; Clazer und Kane 1992; Hogarty et al. 1979; Johnson 1985; Kane et al. i99B; Swartz et al. 2001, Caebel et al.2O10), wenngleich eine Untersuchung auf Basis der Cochrane-Datenbank nur relativ schwache Vorteile der Depotmedikation aufzeigen konnte (Adams et al. 2001). Die Autoren geben jedoch zu bedenken, dass in klinischen Studien aufgrund der besonderen Patientenauslese aller Wahrscheinlichkeit nach gerade diejenigen Patienten unterrepräsentiert sind, für die eine Depotmedikation am wichtigsten wäre.

Quellen

  • angegebene Literatur beim Verfasser
  • Value Dossier Xeplion, Mat.Nr. 65316
  • Pressegespräch 24. November 2011
    anläßlich des DGPPN in Berlin
    Veranstalter: Janssen-Cilag GmbH
    Nachhaltige Schizophrenietherapie heute – Das Zusammenwirken von
    medikamentösen und psychosozialen Behandlungsansätzen
    • Sicherung der Therapienachhaltigkeit durch moderne Depot-Antipsychotika
      Prof. Dr. med. Hans-Peter Volz, Krankenhaus für
      Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, Schloss Werneck
    • Kompetenz: lndividuelle Fähigkeiten und Bindungsgefühle spielerisch fördern
      PD Dr. med. Karsten Wolf, Klinik Marienheide
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