Schach mit Knecht Ruprecht: Fachgespräch über den wundersamen Nikolaus

… am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn.

Weihnachtsforscher:
Lieber Herr Maier, der Nikolaus ist seit jeher Beispiel für perfektes Organisationstalent. Schon lange vor dem Aufkommen von moderner Buchführung und Planungssoftware hat es der Nikolaus verstanden, komplexe Aufgaben zu bewältigen. Allein mit Köpfchen und güldenem Buch. Und das im hohen Alter. Was glauben Sie, warum er so fit ist?

Prof. Maier:
Es dürfte kein Zufall sein, dass der Nikolaus so fit ist. Ich vermute einen aktiven und gesundheitsbewussten Lebensstil über das gesamte Erwachsenenalter. Damit bewahrte er dem Körper und dem Gehirn wichtige Schutzfaktoren gegen altersbedingte Einschränkungen. Dazu gehört unter anderem auch eine ausgewogene Ernährung. Der Nikolaus treibt außerdem Sport und hält seine grauen Zellen auf Trab.

Weihnachtsforscher:
Ausgewogen? Reden wir über denselben Nikolaus? Der hat doch eigentlich ein stattliches Bäuchlein.

Prof. Maier:
Ich spreche natürlich über unseren heimischen Nikolaus. Nicht von seinem übergewichtigen Vetter aus Amerika.

Weihnachtsforscher:
Ach so, Sie meinen den schlanken Nikolaus, der an den Bischof von Myra erinnert. Der ist natürlich vergleichsweise ein Leichtgewicht. Er wird im Laufe des Nikolausabends aber sicherlich auch mal hungrig sein. Was würden Sie als Snack in seiner Reisetasche vermuten?

Prof. Maier:
Angesichts seines langen Arbeitstages tippe ich auf energiereiche Kost. Gerade zur Weihnachtszeit bieten sich Walnüsse, Obst – vor allem rote Äpfel – oder auch dunkle Schokolade an. Die enthalten außerdem sogenannte Antioxidanzien. Diese sind für Gehirnzellen funktionserhaltend, denn sie schützen die Zellen vor Schadstoffen und Stress.

Weihnachtsforscher:
Und wie sieht sein Speiseplan das Jahr über aus?

Prof. Maier:
Möglicherweise schätzt der Nikolaus das mediterrane Essen, verbunden mit einem gelegentlichen Gläschen Rotwein. Rotwein enthält ebenso die schützenden Antioxidanzien. Vermutlich nimmt er häufig Fisch zu sich. Hinzu kommen pflanzliche Öle, vor allem Linol-, aber auch Olivenöl. Denn diese enthalten reichlich mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Sie senken den Cholesterinspiegel und verringern somit das Risiko, an einer Demenz zu erkranken.

Weihnachtsforscher:
Neben einer gesunden Ernährung vermuten Sie, dass der Nikolaus auch seinen Geist auf Trab hält. Ist das eine Frage des Trainings?

Prof. Maier:
Ganz sicher ist geistige Fitness auch eine Frage des Trainings. Der Nikolaus ist darin offenbar sehr geübt. Möglichweise spielt er seit Jahrzehnten regelmäßig Schach mit Knecht Ruprecht. Er liest und schreibt viel und ist seit langem ein Theaterfan. Außerdem dürfte er im Laufe des Jahres mit den Planungen für den Nikolausabend beschäftigt sein. Auch das ist eine intellektuell äußert anspruchsvolle Tätigkeit. Dagegen meidet er das zur Inaktivität verleitende Fernsehen.

Weihnachtsforscher:
Welchen Effekt haben derlei Gehirn-Übungen?

Prof. Maier:
Bei geistiger Aktivität läuft das Gehirn auf Hochtouren. Das geschieht nicht nur beim Nachdenken, sondern auch beim Lesen, Musik machen oder eben auch beim Schachspielen. Eigentlich bei allen Tätigkeiten, die unseren Geist besonders fordern. Das Gehirn reagiert darauf. Es nimmt Informationen auf, speichert diese und formt die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen stets von neuem. Geistige Aktivität trainiert also die Hirnzellen und ihre Verknüpfungen in ähnlicher Weise, wie körperliches Training die Muskeln. Wenn man das ein Leben lang tut, hat das eine vorbeugende Wirkung. Der Nikolaus hat dieses Motto offenbar verinnerlicht.

Weihnachtsforscher:
Für gewöhnlich ist das Gehirn im Alter nicht mehr ganz so leistungsfähig. Warum eigentlich?

Prof. Maier:
Da kommen verschiedene Faktoren zusammen. Zum einen büßen wir Hirnzellen ein, sie sterben ab oder funktionieren nicht mehr so gut. Die Zellen haben eine begrenzte Lebenszeit. Im Gegensatz zu anderen Körperzellen können sich Nervenzellen nicht so effizient durch Zellteilung vermehren. Verluste bleiben also bestehen. Außerdem arbeiten im Alter die Reparaturmechanismen nicht mehr so effektiv, die die Hirnzellen in Stand halten. Dabei werden Reparaturen mit zunehmendem Alter immer wichtiger. Denn im Laufe des Lebens häufen sich auf molekularer Ebene immer mehr Schadstoffe im Gehirn an – zum Beispiel durch sogenannten oxydativen Stress. Zellschäden werden also im höheren Lebensalter unvermeidbar. Die Geschwindigkeit dieses Prozesses ist jedoch deutlich von unserer Aktivität und unserem Lebensstil abhängig. Die Leistungsfähigkeit des Gehirns hängt auch davon ab, wie gut die Hirnzellen miteinander kommunizieren. Denn jede Hirnzelle ist in einem Netzwerk mit vielen anderen Zellen verwoben. Auf diesem Weg tauschen sie Signale aus. Diese Kommunikation wird mit dem Alter jedoch weniger zuverlässig. Die Anzahl der Verbindungen geht zurück, denn auch gewisse Wachstumsfaktoren werden vom Körper nicht mehr in dem Umfang produziert wie noch in der Jugendzeit.

Weihnachtsforscher:
Welche Fähigkeiten leiden darunter?

Prof. Maier:
Der Mensch wird vergesslich und es ihm fällt schwerer, Entscheidungen zu treffen oder komplizierte Planungen vorzunehmen. Auch die Konzentrationsfähigkeit geht zurück und die Fähigkeit kreativ zu sein, also neue Ideen zu entwickeln. Andererseits wächst mit dem Alter die Lebenserfahrung. Man wird gelassener, nachsichtiger und entwickelt ein besseres Verständnis für andere. Das ist die Lebensweisheit. Mit dem Alter schwindet also die Gedächtnisleistung, aber man gewinnt dafür an Weisheit. Und der Nikolaus ist offenbar nicht nur geistig fit, sondern auch sehr weise. Bei der Verteilung seiner Gaben trifft er ja immer sehr weise Entscheidungen.

Weihnachtsforscher:
Ist Gelassenheit nicht ebenfalls typisch für den Nikolaus? Weihnachstress scheint ihm völlig unbekannt zu sein. Jedenfalls macht er immer einen jovialen Eindruck.

Prof. Maier:
Das macht die Lebensweisheit und die langjährige Routine. Damit kommen Ruhe und Gelassenheit. Deswegen kann er den Nikolausabend auch so locker bewältigen. Stress ist jedenfalls schädlich. Stress schädigt die Hirnzellen, aber auch andere Körperzellen, etwa die des Herzens.

Weihnachtsforscher:
Auch körperlich scheint der Nikolaus in guter Verfassung. Ohne Kondition würde er den langen Nikolausabend wohl kaum durchstehen. Steckt hier „ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“, wie der Lateiner sagen würde?

Prof. Maier:
Für das Gehirn ist ein gesundes Herz-Kreislaufsystem auf jeden Fall hilfreich. Ich würde daher vermuten, dass der Nikolaus regelmäßig Sport treibt, vielleicht auch Tanzen geht. Das Tanzen verbindet soziale Kontakte mit körperlicher Aktivität. Beides ist gut für die geistige Gesundheit. Anregende Gespräche und sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen, beschäftigen das Gehirn. Und bei körperlicher Aktivität werden sogenannte Wachstumsfaktoren freigesetzt, die nicht nur den Muskelaufbau fördern. Auch das Hirn wächst gewissermaßen mit, indem die Verknüpfungen zwischen den Hirnzellen verbessert werden. Außerdem werden bei gesundem Kreislauf die Hirnzellen gut mit Energie versorgt. Die natürlichen Reparaturmechanismen des Gehirns sind auf diese Energiezufuhr angewiesen. Bei Demenzerkrankungen ist es häufig der Fall, dass diese Mechanismen nicht mehr richtig funktionieren. Der Nikolaus hat damit offensichtlich keine Probleme.

Weihnachtsforscher:
Herr Maier, sollte Ihnen der Nikolaus in diesem Jahr begegnen, was würden Sie ihn fragen?

Prof. Maier:
Wir haben ja viel über seinen Lebenswandel spekuliert. Sein Job ist ja auch richtig harte Arbeit. Deshalb würde ich fragen, wie es ihm tatsächlich gelungen ist, bei guter Gesundheit zu bleiben und dabei so jugendlich, zufrieden und fröhlich zu wirken. Vielleicht hat er ein Geheimrezept, das wir noch gar nicht kennen: etwa eine noch geheime Anti-Aging-Substanz, nach der die Wissenschaftler weltweit forschen.

Weihnachtsforscher:
Danke für das Interview. Wir wünschen einen frohen Nikolaustag!

Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) erforscht die Ursachen von Erkrankungen des Nervensystems und entwickelt Strategien zur Prävention, Therapie und Pflege. Es ist eine Einrichtung in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren mit Standorten in Berlin, Bonn, Dresden, Göttingen, Magdeburg, München, Rostock/Greifswald, Tübingen und Witten. Das DZNE kooperiert eng mit Universitäten, deren Kliniken und außeruniversitären Einrichtungen. Website:

Nach oben scrollen