Sauerstoff. Antibiotika-resistente Keime sind auf dem Vormarsch. Für gesunde Menschen zwar oft harmlos, nutzen die gefürchteten multiresistenten „Krankenhauskeime“, wie der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), Verletzungen und frische Operationswunden als Eintrittspforte oder befallen immungeschwächte Patient*innen. Da Antibiotika nicht wirken, gibt es manchmal keine Rettung mehr.
Sauerstoff-Therapie bereits in der Zahnmedizin eingesetzt
Eine vielversprechende Alternative ist die antibakterielle photodynamische Therapie, die bereits häufig in der Zahnmedizin eingesetzt wird. Dabei wird lokal durch Bestrahlung eines lichtaktivierbaren Stoffs (Photosensibilisator) eine photodynamische Reaktion ausgelöst, bei der Singulett-Sauerstoff (1O2) erzeugt wird, eine angeregte Form des Sauerstoffs. Anders als Antibiotika attackiert dieser gleichzeitig verschiedene biomolekulare Stellen der Bakterien. Die Anwendung ist einfach, sicher, schmerzfrei und weitestgehend frei von Nebenwirkungen. Leider können bisher nur oberflächliche Infektionen behandelt werden, da das benötigte Licht nur wenige Millimeter ins Gewebe eindringt und in tieferen Gewebeschichten zudem nicht ausreichend Sauerstoff für eine effektive Behandlung vorhanden ist.
Sauerstoff gegen Keime
Das Team um Bingran Yu und Fu-Jian Xu von der Beijing University of Chemical Technology hat jetzt einen neuen Ansatz für eine photodynamische Therapie entwickelt: eine „Singulett-Sauerstoff-Batterie“, mit der auch tiefsitzende bakterielle Infektionen bekämpft werden können, da weder Licht noch externer Sauerstoff benötigt werden.
Die Umwandlung von Sauerstoff in reaktiven Singulett-Sauerstoff durch Bestrahlung in Anwesenheit eines lichteinfangenden Moleküls (Photosensibilisator) erfolgt hier bereits vorher. Die „Batterie“ wird dann mit dem Singulett-Sauerstoff „aufgeladen“. Sie besteht aus einem speziellen stickstoffhaltigen Kohlenstoff-Sechsring (Pyridon), der den Singulett-Sauerstoff fest bindet. Das reaktive Sauerstoff-Molekül überbrückt dabei zwei gegenüberliegende Ecken des Rings (Endoperoxid). Ein an den Ring gebundenes Peptid „erkennt“ spezifisch MRSA-Bakterien, sodass sich die molekularen Batterien in und an den Bakterien anreichern und hier kontinuierlich Singulett-Sauerstoff abgeben. Die Bakterien werden an vielen verschiedenen Stellen gleichzeitig angegriffen, z.B. an Membranen, an DNA, an Enzymen und an anderen Proteinen. Daher ist eine Resistenzentwicklung so gut wie unmöglich. Mäusen durch Zerstäubung verabreicht zeigte sich die Singulett-Sauerstoff-Batterie sehr wirksam gegen durch MRSA hervorgerufene Lungenentzündungen. Systemische Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
Angewandte Chemie: Presseinfo 34/2023
Autor/-in: Fu-Jian Xu, Beijing University of Chemical Technology (China), mailto:xufj@mail.buct.edu.cn
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Die „Angewandte Chemie“ ist eine Publikation der GDCh.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1002/ange.202306803
Darmkeime und Rheuma: So wird die Krankheitsneigung beeinflusst