RNA-basierte Medikamente – vielversprechende Theapieansätze mit Wirksamkeit auf einzelne Organe

RNA-basierte Medikamente

Seit der Zulassung der ersten beiden mRNA-basierten Schutzimpfungen im Jahr 2020 hat sich das Feld der mRNA-haltigen Medikamente – für Impfschutz und Therapie – weltweit stürmisch entwickelt. Deutschland ist mit einigen akademischen und industriellen Forschungsaktivitäten vertreten, aber trotzdem nur noch ein Land unter vielen. „Führend ist Deutschland aber derzeit bei der Entwicklung nicht-kodierender RNA-Medikamente“, so die Einschätzung von Prof. Dr. Dr. Thomas Thum (Medizinische Hochschule Hannover).

RNA – vielseitige Nukleotide

RNA-Moleküle werden (in der Natur wie im Labor) durch das Aneinan­derreihen kleinerer Moleküle gebildet, die Nukleotide heißen. Zu den längsten RNAs (mit einigen Tausend Nukleotiden) gehören die Messenger-RNA-Moleküle (mRNA); in ihnen ist die Anleitung zur Herstellung von Proteinen kodiert. Einige andere RNA-Typen sind Teil der zellulären Maschinerie, die diese mRNAs „abliest“ und mit dieser Information die Proteine produziert. Wieder andere Typen von RNA greifen in die Aktivität von Genen ein – wie etwa die aus nur rund 22 Nukleotiden gebildeten microRNAs, die ihren Entdeckern in diesem Jahr den Nobelpreis für Physiologie und Medizin einbrachten.

Medizinische Anwendungen für RNA-Moleküle

Ähnlich vielseitig sind auch die medizinischen Anwendungen für RNA-Moleküle: Künstliche mRNA-Moleküle sind in einigen zugelassenen Impfstoffen enthalten, die vor Covid-19 oder dem Atemwegsvirus RSV schützen; weitere Impfstoffe gegen mehr als 30 Infektionskrankheiten sind in Entwicklung. Unternehmen und Forschungsgruppen arbei­ten aber auch an therapeutischen mRNA-Impfstoffen für die Tumor­therapie, als hoffnungsvolle Innovation im Kampf gegen Krebs. Sie sollen dazu beitragen, dass das Immunsystem die Tumorzellen besser erkennt und angreift. Positive Ergebnisse aus klinischen Studien mit Patientinnen und Patienten liegen vor; doch bis zur Zulassung hat es noch kein therapeutischer Impfstoff geschafft. Auf dem Symposium wird es unter anderem darum gehen, wie solche Impfstoffe patienten­individuell hergestellt werden können.

mRNA-haltige Medikamente bei angeborenen Gendefekten

mRNA-haltige Medikamente werden auch für Patient:innen mit angeborenen Gendefekten entwickelt. Sie sollen für Ersatz für das Protein sorgen, das aufgrund des Defekts nicht oder nur fehlerhaft gebildet wird. Die Überlegung: So kann ohne aufwendigere Arten von Gentherapie der Defekt ausgeglichen werden; allerdings muss das Medikament dafür wieder und wieder verabreicht werden.

Kürzere synthetische RNA-Moleküle (sogenannte Antisense-RNA oder small interfering RNA siRNA; manchmal auch zusammen mit syn­the­tischen DNA-Molekülen als „Oligonukleotide“ bezeichnet) finden sich als Wirkstoffe in mittlerweile neun Medikamenten mit EU-Zulassung; sie drosseln die übermäßige Aktivität bestimmter Gene, indem sie sich gezielt an bestimmte natürliche mRNA-Moleküle heften und so ihren Abbau veranlassen. Mit ihnen werden unter anderem Patient:innen mit bestimmten Stoff­wechselkrankheiten oder der Herzkrankheit Trans­thyretin-Amyloidose behandelt. Weitere Medikamente dieser Art sind in Entwicklung. Darunter sind auch solche, die statt mRNA bestimmte microRNAs abfangen; damit sollen unter anderem fibrotische Erkran­kungen und chronische Herzinsuffizienz besser behandelbar werden. Darum wird es im Symposium ebenso gehen wie um antibakterielle Antisense-Oligo­nukleotide. Anders als konventionelle Antibiotika lassen sie sich so designen, dass sie nur bestimmte Erreger angreifen, aber kommen­salische und symbiontische Bakterien im Körper verschonen. Eine Erprobung mit Menschen steht hier allerdings noch aus.

Smarte Lösungen zur Synthese von RNA-Wirkstoffen

„Wer heute RNA-basierte Medikamente entwickelt, kann auf jahr­zehnte­langen Vorarbeiten aufbauen“, so Prof. Dr. Stefan Endres vom Klinikum der LMU München. „Als die Paul-Martini-Stiftung 2003 das Thema erstmals in einer Veranstaltung aufgriff, gab es nur ein einziges zugelassenes Medi­ka­ment. Die Entwickler von damals beklagten, wie wenig der Wirkstoff-RNA in Studien mit Menschen die Zielzellen erreichte, und wie schier unbezahlbar die Synthese von RNA-Wirkstoffen war. Für beide Heraus­forderungen sind mittlerweile smarte Lösungen gefunden worden, so dass sie dem Fortschritt keine Grenzen mehr setzen.“

Wesentlich ausgeweitet wurden in den letzten Jahren auch die deut­schen Kapazitäten zur Herstellung von RNA-basierten Medikamenten. Auch viele Zulieferer für Hilfsstoffe und Produktionstechnik sowie Dienstleister für einzelne Produktionsschritte finden sich in Deutschland und in den Nachbarländern Schweiz und Österreich.

Die Paul-Martini-Stiftung

Die gemeinnützige Paul-Martini-Stiftung, Berlin, fördert die Arzneimittelforschung sowie die Forschung über Arzneimitteltherapie. Die Stiftung intensiviert den wissenschaftlichen Dialog zwischen medizinischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen in Universitäten, Krankenhäusern, der forschenden Pharmaindustrie und anderen Forschungseinrichtungen sowie Vertretern und Vertreterinnen der Gesundheitspolitik und der Behörden. Dazu dienen die jährlich ausgerichteten Symposien und Workshops und die Verleihung des „Paul-Martini-Preises“ sowie der „Paul Martini Nachwuchspreise Klinische Forschung“. Träger der Stiftung ist der vfa, Berlin, der als Verband derzeit 48 forschende Pharma-Unternehmen vertritt.

Die Stiftung ist benannt nach dem Bonner Wissenschaftler und Arzt Professor Paul Martini (1889 – 1964), in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die klinisch-therapeutische Forschung.

29.11.2024
Dr. Rolf Hömke
Paul-Martini-Stiftung
www.paul-martini-stiftung.de


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