Prostatakrebs – Bei der Auswahl der adäquaten Therapie bei Prostatakrebs sind vor allem das Erkrankungsstadium (TNM-Einstufung in Verbindung mit Gleason-Score), Alter und Lebenserwartung, mögliche Nebenwirkungen sowie der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten gegeneinander abzuwägen. Zur Behandlung des Prostatakarzinoms stehen verschiedene chirurgische und medikamentöse Behandlungsoptionen zur Verfügung. Neben der radikalen Entfernung der Prostata sowie der Bestrahlung stellt die Androgenentzugstherapie eine wichtige Therapiemöglichkeit im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung dar. Das Hauptziel dieser medikamentösen Behandlung beruht auf der Senkung des Testosteronserumspiegels, da das männliche Sexualhormon zum Wachstum des Prostatakarzinoms maßgeblich beiträgt.
Aktive Überwachung und beobachtendes Abwarten
Die im Englischen als „Active Surveillance“ bezeichnete Therapiestrategie besteht aus einer sorgfältigen Beobachtung des Tumors und verzichtet vorerst auf chirurgische und medikamentöse Interventionen. Sie eignet sich besonders für jüngere Patienten mit wenig aggressivem Prostatakarzinom, bei denen behandlungsbedingte Nebenwirkungen hinausgezögert und eine hohe Lebensqualität erhalten werden soll. Eine engmaschige Kontrolle definierter Parameter[1] soll den Zeitpunkt bestimmen, an dem eine Tumorprogression stattfindet und eine kurative Therapie noch möglich ist.
Auch bei älteren Patienten kann es angezeigt sein, nicht sofort mit einer Therapie zu beginnen. Beim „Watchful Waiting“ wird nach der Diagnose die Behandlung erst dann eingeleitet, wenn Symptome für ein Fortschreiten der Erkrankung auftreten. Dieser Behandlungsansatz kommt bevorzugt bei Patienten zum Einsatz, wenn eine kurative Therapie nicht mehr möglich, der Tumor aber auch nicht aggressiv ist.
Chirurgische Eingriffe – Prostatektomie
Mit der radikalen Entfernung der Prostata und der Samenblasen soll der Tumor möglichst vollständig eliminiert und dadurch die Heilung des Patienten erreicht werden. Bei einem organbegrenzten Prostatakarzinom und einer Lebenserwartung von mindestens 10 Jahren ist die Prostatektomie die Therapie der Wahl. Mögliche unerwünschte Folgeerscheinungen des chirurgischen Eingriffs sind erektile Dysfunktion, Impotenz und Inkontinenz. Das Risiko des Verlustes der Erektionsfähigkeit kann durch nervenerhaltende Operationstechniken minimiert werden. Als ergänzende (adjuvante) Behandlung zur Operation kann eine Nachbestrahlung sinnvoll sein.
Bestrahlung und kombinierter Androgenentzug
Die Bestrahlung ist beim kleinen, lokal begrenzten Prostatakarzinom eine kurative Behandlungsalternative zur Operation. Beim lokal fortgeschrittenen Tumor (inoperables Stadium) ohne Metastasenbildung kann durch Bestrahlung die Größe des Tumors reduziert und können Symptome gemildert werden.
Bei ungünstigem Risikoprofil (T3/4, Gleason >8) bzw. Rezidiven nach Bestrahlung kann die Androgenentzugstherapie als Kombination zur Strahlentherapie das Gesamt- und metastasenfreie Überleben verbessern. Damit ist die Kombination der Strahlentherapie mit einer Androgenentzugstherapie der alleinigen Strahlentherapie überlegen.
Bei der palliativen Behandlung wird die Bestrahlung zur Verminderung von Schmerzen und zur Reduzierung des Risikos für Spontanfrakturen bei Knochenmetastasen eingesetzt. Mögliche unerwünschte Folgeerscheinungen der Bestrahlung sind Potenzverlust und Blasen- bzw. Darm-Dysfunktion.
Hormontherapie durch Androgenentzug
Die Androgenentzugstherapie ist seit vielen Jahren etablierter Standard in der Behandlung des fortgeschrittenen bzw. metastasierenden Prostatakarzinoms. Sie hat das Ziel, das Wachstum der Tumorzellen aufzuhalten. Die Behandlung beruht auf der Senkung des Testosteronserumspiegels, da das männliche Sexualhormon maßgeblich zum Wachstum des Prostatakarzinoms beiträgt. Der primäre Androgenentzug kann auf chirurgischem oder medikamentösem Wege erfolgen:
1. Chirurgisch: Bei der Orchiektomie (Entfernung der Hoden) kommt es zu einem sofortigen Abfall des Testosteronspiegels, da 95 % des Testosterons in den Hoden synthetisiert werden. Die operative Form des Androgenentzugs gilt aufgrund der Irreversibilität als psychisch sehr belastend. Die meisten Männer bevorzugen daher die medikamentöse und reversible Form des Androgenentzugs.
2. Der medikamentöse Androgenentzug erfolgt in erster Linie durch Hemmung der Testosteronproduktion in der hypothalamisch-hypophysär-gonadalen Achse. Die Suppression der Androgenproduktion erfolgt primär durch den Einsatz von GnRH/LHRH-Analoga. Diese auch als GnRH-Agonisten bezeichneten Wirkstoffe ahmen die Wirkung des natürlichen GnRH nach und stimulieren die Hypophyse zur LH-Freisetzung. Kurzfristig führt dies zu einem Anstieg der Testosteronsynthese. Eine dauerhafte Anwendung der Agonisten bewirkt eine Degeneration der hypophysären GnRH-Rezeptoren und in Folge eine Verminderung der LH-Ausschüttung. GnRH-Agonisten sind die am häufigsten eingesetzten Medikamente zur Blockade der Androgenproduktion.
Neuer Vertreter der GnRH-Agonisten in ein nicht abbaubares Hydrogel-Implantat eingebettet
Ein neuer Vertreter dieser Wirkstoffklasse ist eingebettet in ein nicht abbaubares Hydrogel-Implantat und wird besonders gleichmäßig über einen Zeitraum von 12 Monaten freigesetzt.
GnRH-Antagonisten binden an entsprechende Rezeptoren in der Hypophyse und verursachen einen rapiden Abfall der LH-Sekretion und damit des Testosteronspiegels.
Antiandrogene konkurrieren mit dem körpereigenen Testosteron um die Androgenrezeptoren auf der Oberfläche der Karzinomzellen und blockieren dadurch die Wirkung des Testosterons. Eine Monotherapie mit Antiandrogenen wird vor allem bei jüngeren Männern bzw. Patienten mit geringer Tumorlast angewandt. Sie werden auch verwendet, um den anfänglichen Testosteronanstieg (Flare-up) bei einer Therapie mit GnRH-Agonisten zu verhindern.
Physiologische Nebenwirkungen als direkte Folge des Testosteronentzugs können u.a. Hitzewallungen, Libidoverlust, Verlust an Muskelmasse und körperlicher Leistungsfähigkeit sein.
Adjuvante und neoadjuvante Hormonblockade
Die Anwendung einer Hormonentzugstherapie als begleitende Therapie vor (neoadjuvant) und nach (adjuvant) einer radikalen Prostatektomie wird in mehreren Studien intensiv untersucht. Die Ergebnisse bereits durchgeführter Studien deuten darauf hin, dass vor allem bei Risikopatienten eine begleitende Hormontherapie das Gesamtüberleben statistisch erhöhen kann. Als Risikopatienten werden Patienten eingestuft, bei denen der Tumor die Gewebekapsel der Prostata bereits durchbrochen hat. Bei positiven Absetzungsrändern oder positiven Lymphknoten ist das Risiko von Metastasen und einem sehr aggressiven Verlauf hoch. In beiden Fällen ist eine Nachbehandlung nach einer radikalen Prostatektomie erforderlich. Neben Bestrahlung kann dies auch eine Androgenentzugstherapie mit GnRH-Analoga und/oder einem Antiandrogen sein.
Chemotherapie bei hormonrefraktärem Prostatakarzinom
Die meisten ursprünglich hormonabhängigen Prostatakarzinome werden nach einer gewissen Zeit resistent und sprechen auf einen Androgenentzug nicht mehr an, sodass das Therapieregime erweitert werden muss, z. B. durch eine Chemotherapie oder palliative Strahlentherapie, die die Symptome subjektiv verbessert. Da Zytostatika vor allem auf sich schnell teilende Zellen wirken und die meisten Prostatakarzinome sehr langsam wachsen, ist eine kurative Anwendung in frühen Stadien nicht sinnvoll. Die weiterführende Gabe von GnRH-Agonisten kann sich insofern positiv auswirken, als dass sie die noch hormonsensitiven Zellklone am Wachstum hindern. (Orion Pharma GmbH, 03/2010)
Quellen
[1] Digital-rektale Untersuchung (DRU), PSA-Serumspiegel, PSA-Verdopplungszeit, PSA-Velocity (Veränderung des PSA-Wertes innerhalb eines Jahres), Stanzbiopsie
[2] GnRH: Gonatropin Releasing Hormon (dt. Sprachraum), LHRH: luteinisierendes Hormon/Releasing Hormone (engl. Sprachraum); wird vom Hypothalamus sezerniert und stimuliert Synthese und Freisetzung des luteinisierenden Hormons (LH) und des follikelstimulierenden Hormons (FSH); LH aktiviert die Testosteronproduktion in den Leydigschen Zwischenzellen der Hoden