Prostatakarzinom – beim Hochrisiko-nmCRPC untermauern Praxisdaten Wirksamkeit und Sicherheit des Androgen-Rezeptor-Inhibitors Darolutamid

Krebs

Der Androgen-Rezeptor-Inhibitor (ARI) Darolutamid ermöglicht beim nicht-metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (Hochrisiko-nmCRPC) eine Verlängerung des metastasenfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens bei gleichzeitigem Erhalt der Lebensqualität.(1) Erste Erfahrungen aus der Praxis bestätigen die Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil von Darolutamid.

Seit rund einem Jahr steht mit Nubeqa® (Darolutamid) ein Androgen-Rezeptor-Inhibitor (ARI) zur Behandlung von Patienten mit nicht-metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom und hohem Risiko zur Metastasenbildung (Hochrisiko-nmCRPC) in Deutschland zur Verfügung. Die Wirksamkeit sowie die Vorteile von Darolutamid bei Nebenwirkungen wurden in der Zulassungsstudie ARAMIS(1) dokumentiert. Im medizinischen Alltag zeigen positive Fallberichte von Patienten mit Hochrisiko-nmCRPC, dass die Therapie mit Darolutamid das Entstehen von Metastasen im mehrmonatigen Krankheitsverlauf hinauszögerte und zugleich die Lebensqualität der Patienten bewahrte. Besonders der Erhalt der Lebensqualität spielt bei Patienten mit nmCRPC eine wichtige Rolle, da sie meist symptomfrei in Bezug auf ihre Krebserkrankung sind und ein aktives Leben führen. Das verdeutlichen auch aktuelle Ergebnisse einer Online-Umfrage unter Urologen aus Deutschland: Ihrer Ansicht nach wünschen sich Patienten, die Lebensqualität bei der Auswahl der Therapie in den Fokus zu stellen.

Verlängerung des metastasenfreien Überlebens bei Erhalt der Lebensqualität

Die Verlängerung des metastasenfreien Überlebens (MFS) bei möglichst gleichzeitigem Erhalt der Lebensqualität wird beim nmCRPC als primäres Therapieziel angestrebt. Ein längeres MFS kann metastasenbedingte Komplikationen hinauszögern.(2) Ein Drittel der Patienten mit nmCRPC trägt zudem ein hohes Risiko, innerhalb der nächsten zwei Jahre Metastasen zu entwickeln.(3) „Für Patienten mit nmCRPC und einem hohen Risiko zur Bildung von Fernmetastasen gilt es jedoch nicht nur, das Überleben und die metastasenfreie Lebenszeit zu verlängern, sondern auch therapiebedingte Neben- und Wechselwirkungen zu minimieren“, stellt Prof. Dr. Christian Schwentner, Stuttgart, klar. „Mit Darolutamid steht ein selektiver, nicht-steroidaler Androgenrezeptor-Inhibitor zur Verfügung, mit dem diese Ziele erreicht werden können.“ Derzeit wird angenommen, dass dies an der spezifischen chemischen Struktur von Darolutamid liegt, die eine hohe Affinität an den Androgenrezeptor aufweise, erläuterte Schwentner. Dadurch entwickelt der Wirkstoff eine starke antagonistische Wirkung, wodurch die Rezeptorfunktion und das Wachstum der Prostatakrebszellen gehemmt werden.

Mehr als doppelt so langes MFS durch Therapie mit Darolutamid

Die effektive Wirkung und die Sicherheit von oral verabreichtem Darolutamid wurden in der Zulassungsstudie ARAMIS dokumentiert.(1, 4) An dieser multizentrischen Phase-III- Studie nahmen insgesamt 1.509 Patienten mit nmCRPC, hohem Metastasierungsrisiko und vorheriger Androgendeprivationstherapie (ADT) teil. Die im Mittel 74 Jahre alten Patienten wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert und erhielten doppelblind zusätzlich zur ADT entweder zweimal täglich 600 mg Darolutamid (n = 955) oder Placebo (n = 554). Die europäische Zulassung von Darolutamid basiert auf der ARAMIS-Primäranalyse nach einer medianen Beobachtungszeit von 1,5 Jahren.(4) Darin zeigte sich beim primären Endpunkt, dem medianen metastasenfreien Überleben (MFS), eine statistisch signifikante Verbesserung unter Darolutamid + ADT versus Placebo + ADT: 40,4 Monate vs. 18,4 Monate (p < 0,0001). Zudem wurde ein vorteilhaftes Sicherheitsprofil für Darolutamid dokumentiert. Die Inzidenzen von Nebenwirkungen, die den Alltag beeinträchtigen können, lagen überwiegend auf dem Niveau der Placebo-Gruppe.

Nach der primären Endpunktanalyse wurde die Studie entblindet fortgeführt.(1) Durch das nun erlaubte Cross-over wechselten 170 Patienten aus der Placebo- in die Darolutamid-Gruppe. Die höhere Gesamtüberlebensrate konnte nach insgesamt drei Jahren Beobachtungszeit weiterhin zugunsten der Darolutamid-Behandlung festgestellt werden: Unter Darolutamid + ADT reduzierte sich das Sterberisiko statistisch signifikant und klinisch relevant um 31 % gegenüber Placebo + ADT. In der Darolutamid-Gruppe hatten 83 % der Patienten überlebt gegenüber 77 % in der Placebo-Gruppe (sekundärer Endpunkt OS).

Im verlängerten Follow-up traten keine neuen Sicherheitsbedenken auf und auch die Abbruchrate aufgrund von unerwünschten Ereignissen (UEs) blieb gegenüber der primären Analyse unverändert und auf dem Niveau der Placebo-Gruppe. Die Auswertungen der ARAMIS-Studie bestätigten außerdem das geringe Risiko für UEs im Zusammenhang mit dem zentralen Nervensystem, z. B. geistige und kognitive Beeinträchtigungen. Erklären lassen sich diese Ergebnisse möglicherweise damit, dass Darolutamid die Blut-Hirn-Schranke nur in geringem Maße überwindet. Dieser Befund für Darolutamid ging sowohl aus präklinischen Studien als auch einer klinischen Phase-I- Studie mit gesunden Probanden hervor.(5, 6) „Diese Studienergebnisse lassen einen frühen Einsatz von Darolutamid bei Patienten mit Hochrisiko-nmCRPC sinnvoll erscheinen, um ihnen weitere – vor allem metastasenfreie – Lebenszeit ohne unnötige beeinträchtigende Wirkungen durch die Medikation zu ermöglichen“, lautet Schwentners Fazit.

Höhere Gesamtüberlebensrate konnte nach insgesamt drei Jahren Beobachtungszeit

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss anhand der Analyse der ARAMIS- Studie für den Einsatz von Darolutamid bei Prostatakarzinom einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen.(7) Die zweckmäßige Vergleichstherapie war abwartendes Vorgehen unter Beibehaltung der bestehenden konventionellen Androgendeprivation. Begründet wird der Beschluss u. a. mit bisher nicht erreichten Vorteilen bei patientenrelevanten Morbiditätsendpunkten unter Darolutamid und der teilweisen Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.

Aktuelle Urologen-Umfrage: Erhalt der Lebensqualität ist Top-Ziel beim nmCRPC

Dr. med. Eva Hellmis, Duisburg, stellte die Ergebnisse einer zwischen Februar und März 2021 durchgeführten Online-Umfrage vor. Daran teilgenommen hatten 64 Urologen aus Deutschland. Das Ziel der aktuellen Befragung war, tiefere Einblicke in die Bedeutung der Lebensqualität für Patienten mit fortschreitendem Prostatakarzinom zu gewinnen.
Für Urologen ist aus Sicht ihrer Patienten die Lebensqualität bzw. deren Erhalt das mit Abstand wichtigste Therapieziel: 92 % der befragten Ärzte schätzen dieses Therapieziel als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ ein. Eine Verlängerung des Gesamtüberlebens halten

79 % der Urologen aus Patientensicht für „sehr wichtig“/„wichtig“, gefolgt von der Verzögerung der Metastasenbildung und einem günstigen Nebenwirkungsprofil mit jeweils 73 %. „Zudem rechnen 59 % der Befragten einem günstigen Wechselwirkungsprofil der Krebstherapie einen hohen Stellenwert zu“, berichtete Hellmis.

Da die Lebensqualität für Patienten mit Hochrisiko-nmCRPC einen derart überragenden Stellenwert hat, ist es elementar zu wissen, welche Faktoren darauf Einfluss ausüben. Die befragten Urologen sind sich mehrheitlich einig, dass aus Patientensicht nicht nur die Sorge um den Krankheitsprozess und dessen Folgen (75 %) die Lebensqualität beeinflusst. Therapiebedingte Nebenwirkungen wie Fatigue oder Stürze (73 %) sowie der Erhalt der Mobilität (65 %) gelten ebenfalls als bedeutende Einflussgrößen.

Therapieentscheidungen gemäß den Bedürfnisse und Wünsche der Patienten

Aus der Umfrage geht hervor, dass für Urologen – im Gegensatz zu ihrer Einschätzung aus der Sicht der Patienten – die Wirksamkeit des Medikaments die größte Relevanz bei der Therapieentscheidung hat: Die Verlängerung des Gesamtüberlebens (80 %) gilt als wichtigstes Kriterium, gefolgt von einem günstigen Nebenwirkungsprofil (72 %) sowie eine Verlängerung der metastasenfreien Überlebenszeit (70 %). Zudem zeigte die Befragung, dass Angehörige offensichtlich ein großes Potenzial für die Begleitung und Unterstützung während des Krankheitsverlaufs bieten, das zum Wohle der Patienten gegebenenfalls noch stärker in die Behandlung miteingebunden werden könnte.

„Diese Umfrageergebnisse zeigen, dass der Stellenwert der Lebensqualität bei der Auswahl der Therapie für Patienten mit Hochrisiko-nmCRPC intensiver durchdacht werden sollte“, folgerte Hellmis. Es sollten Medikamente zum Einsatz kommen, die ein besonders günstiges Nebenwirkungsprofil aufweisen und möglichst geringe Interaktionen mit anderen Medikamenten aufweisen, die viele Patienten in diesem Alter aufgrund von Begleiterkrankungen einnehmen. „Es geht darum, Patienten nicht zusätzlich zu belasten, denn oft handelt es sich um Patienten um die 65 Jahre und aufwärts, die mitten im Leben stehen und symptomfrei sind. Wir haben inzwischen die Option, Patienten nicht nur insgesamt ein längeres Leben zu ermöglichen, sondern ihnen die Phase einer qualitativ guten Lebenszeit ohne unnötige zusätzliche Belastungen zu verlängern.“

Klinische Erfahrung nach einem Jahr Einsatz von Darolutamid

Ganz praktisch konnte Schwentner diese positive Erkenntnis am Fall eines vom ihm mit Darolutamid behandelten, heute 65-jährigen Mannes bestätigen. Im April 2016 war eine laparoskopische Prostatektomie mit extendierter pelviner Lymphadenektomie erfolgt, anschließend adjuvante Strahlentherapie und Mamillenbestrahlung. Der aktive, normalgewichtige Mann hatte außer einer rechtsseitigen Hüftarthrose keine Begleiterkrankungen und war in seinen Aktivitäten nicht eingeschränkt. Im August 2019 wurde ein PSA-Progress auf 4 ng/dl festgestellt. Die konventionelle Bildgebung (Magnetresonanztomographie, Szintigramm) blieb ohne Metastasenbefund. Durch eine ADT-Monotherapie sank der PSA nach 3 Monaten auf einen Nadir von 0,15 ng/dl. Im April 2020 zeigte sich wieder eine rasche PSA-Progression auf 4 ng/dl. Die PSA- Verdopplungszeit (PSA-DT) lag somit unter 6 Monaten. Metastasen wurden weder mittels konventioneller Bildgebung festgestellt noch durch die hochempfindliche Positronen- Emissions-Tomographie/Computertomographie des Prostata-spezifischem Membran- Antigens (PSMA-PET/CT).

„Der Patient wünschte sich explizit eine Therapie mit möglichst wenig Nebenwirkungen. Wir entschieden uns für eine Neueinstellung des Patienten auf Darolutamid“, sagte Schwentner. Im Juni 2020, 2 Monate nach dem Start der Darolutamid-Therapie, lag der PSA-Wert bei 0,4 ng/dl. Im weiteren Verlauf sank der PSA-Wert kontinuierlich weiter, von 0,07 ng/dl im Juli 2020 bis in den Bereich nahe der Nachweisgrenze (0,001 ng/dl) im Oktober 2020. Dieses Ergebnis ist auch im April 2021 unverändert. Der Patient kann seinen Ruhestand derzeit weiterhin aktiv bei guter Lebensqualität genießen.

Weitere Informationen / Literaturhinweise / Quellen:

1 Fizazi K, et al. N Engl J Med 2020;383(11):1040–9
2 Frieling SJ, et al. Cancer Control 2015;22(1):109–20
3 Smith MR, et al. J Clin Oncol 2013;31:3800–6
4 Fizazi K, et al. N Engl J Med 2019;380(13):1235–46
5 Moilanen AM, et al. Sci Rep 2015; 5: 12007
6 Williams S, et al. J Clin Oncol 2020; 38(suppl_6): 326
7 https://www.g-ba.de/bewertungsverfahren/nutzenbewertung/548/ (Zugriff: 12.04.2021)

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