Der Senat der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat in seiner heutigen Sitzung mehrheitlich entschieden, Dr. med. Ursula von der Leyen ihren Doktortitel nicht abzuerkennen. Damit folgt der Senat der Empfehlung der Kommission für Gute Wissenschaftliche Praxis (GWP) an der MHH.
Seit September 2015 hatte sich die GWP-Kommission intensiv mit den gegen Dr. Ursula von der Leyen öffentlich erhobenen Vorwürfen befasst. Dr. Ursula von der Leyen hatte die Hochschule seinerzeit selbst um die Prüfung ihrer Dissertation gebeten.
In das Verfahren wurden unabhängige externe Gutachter involviert, darunter zwei internationale Experten. Die GWP-Kommission fasste ihre Ergebnisse im Februar 2016 in einem Bericht zusammen. Der Senat entschied heute auf der Basis dieses Berichts und der Einsicht in die Unterlagen und bestätigte den Titel.
Übereinstimmend stellten die Kommission und der Senat Mängel fest. Konkret geht es dabei um Fehler in der Form von Plagiaten, also um die Übernahme fremder Textpassagen, ohne die Originalautoren korrekt zu kennzeichnen. Die Kommission und der Senat kamen jedoch zu dem Schluss, dass das Muster der Plagiate nicht für eine Täuschungsabsicht spricht.
„Die zuständigen Gremien der MHH haben sorgfältig, objektiv, ergebnisoffen und ohne Ansehen der Person geprüft. Es wurden Fehler festgestellt, allerdings kein Fehlverhalten“, betonte Professor Dr. Christopher Baum, Präsident der MHH. „Es gibt keine Anhaltspunkte für eine bewusste Täuschung.“
Professor Dr. Thomas Werfel, der als Ombudsmann der MHH das gesamte Verfahren begleitete, führte dazu näher aus: „Die Einhaltung der gültigen Regeln guter wissenschaftlicher Praxis hatte in dem zu prüfenden Fall höchste Priorität. Die GWP-Kommission kam zu dem Ergebnis, dass der überwiegende Teil der festgestellten Mängel in der Dissertation auf eine handwerklich nicht saubere Arbeitsweise zurückzuführen war. Dies beschränkt sich im Wesentlichen auf den Einleitungsteil der Arbeit. Im zentralen Ergebnisteil der Dissertation wurden keine Mängel festgestellt. Die festgestellten Verstöße waren in der ganz überwiegenden Anzahl als nicht schwerwiegend einzustufen. Zudem führte der unterschiedliche Charakter der Verstöße zur Bewertung, dass keine systematische, rechtserhebliche Täuschungshandlung vorliegt“, sagte Professor Werfel.
Die Kommission prüfte auch weitere gegen Dr. Ursula von der Leyen erhobene Vorwürfe. Dabei ging es um eine mögliche Verletzung ethischer Regeln in der betroffenen Studie. Diese Vorwürfe wurden eindeutig ausgeräumt.
„Wir werden in einem Schreiben an Frau Dr. von der Leyen die Kritik an der Arbeit darstellen, den Schweregrad der Mängel erläutern und das abschließende Votum des Senats begründen“, erläuterte Professor Baum abschließend.
Hintergrund:
Der Senat der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist das höchste akademische Gremium der Hochschule. Er beschließt die Annahme von Dissertationen und hat damit die entscheidende Rolle bei der Vergabe der Doktorwürde. Im Falle von Vorwürfen gegen die Gute Wissenschaftliche Praxis (GWP) entscheiden die Senatsmitglieder, die mindestens promoviert sind – aus der Gruppe der Professorinnen und Professoren (sieben Stimmberechtigte) sowie aus der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zwei Stimmberechtigte) –, ob die oder der Betroffene den Doktortitel weiterhin führen darf oder ob er entzogen wird. Der Senat trifft seine Entscheidung auf Grundlage der Empfehlung der Kommission für Gute Wissenschaftliche Praxis (GWP-Kommission).
In seiner heutigen Sitzung ist der Senat im Fall der Vorwürfe gegen die Dissertation von Dr. Ursula von der Leyen „C-reaktives Protein als diagnostischer Parameter zur Erfassung eines Amnioninfektionssyndroms bei vorzeitigem Blasensprung und therapeutischem Entspannungsbad in der Geburtsvorbereitung“ aus dem Jahr 1990 zur Entscheidung gekommen, Dr. Ursula von der Leyen den Doktortitel nicht abzuerkennen.