Probleme beim Pillenschlucken? Die Technik macht´s

Wer bestimmte Tricks anwendet, tut sich mit dem Tablettenschlucken leichter: Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg um Professor Dr. Walter E. Haefeli haben erstmals im Rahmen einer Studie zwei Techniken überprüft, die das Einnehmen von Tabletten und Kapseln erleichtern sollen. Dazu schluckten 151 gesunde Probanden wirkstofffreie Tabletten und Kapseln in verschiedenen Größen zunächst wie sie es gewohnt waren, dann streng nach Anleitung der Wissenschaftler. Rund zwei Drittel von ihnen berichteten anschließend, dass sie so mit den großen Tabletten besser zurechtkamen und auch große Kapseln machten im Durchschnitt neun von zehn Teilnehmern keine Probleme mehr. Die Techniken bewährten sich selbst bei den Testpersonen, die nach eigenen Angaben allgemein Schwierigkeiten mit dem Tablettenschlucken haben. Ihre Beurteilung fiel nur geringfügig schlechter aus als die der anderen Probanden.

Schwierigkeiten bei der Einnahme von Tabletten sind häufig

„Ich empfehle Ärzten, ihre Patienten auf diese beiden Schlucktechniken aufmerksam zu machen. Das verringert die Gefahr, dass Patienten, die gerade große Tabletten oder Kapseln nicht herunter bekommen, die Therapie absetzen oder einfach weniger Tabletten einnehmen“, so Professor Haefeli, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Eine Umfrage aus Baden-Württemberg im Jahr 2011 ergab, dass mehr als ein Drittel aller Patienten (37,4 Prozent) an Hausarztpraxen solche Probleme kennt: Die Tabletten bleiben im Rachen hängen, lösen Würgereiz oder sogar Erbrechen aus. Beinahe jeder zehnte Betroffene verzichtet daher lieber ganz auf die Medikamente. Je nach Erkrankung kann das Komplikationen verursachen und den Gesundheitszustand weiter verschlechtern.

Für die Studie schluckten die Probanden im Alter von 18 bis 85 Jahren zunächst 16 verschiedene wirkstofflose Tabletten und Kapseln in unterschiedlichen Formen und Größen. Auf einer Skala bewerteten sie anschließend, wie gut bzw. schlecht sich die einzelnen Placebos in den Magen befördern ließen. Am meisten Schwierigkeiten machten die jeweils beiden größten Tabletten und Kapseln. Sie wurden für den Test der beiden Schlucktechniken ausgewählt. Etwas mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Testpersonen gab an, Tabletten immer nur mit Mühe oder gar nicht schlucken zu können. Dafür gab es aber keine krankhaft bedingten Ursachen.

Der „Tabletten-Flaschen-Trick“

Bei der Einnahme der Tabletten kam der „Tabletten-Flaschentrick“ zum Einsatz. Dabei kommt es darauf an, eine flexible Plastikflasche mit nicht zu enger Öffnung zu verwenden, aus der das Wasser gut eingesaugt werden kann. Die Tablette wird auf die Zunge gelegt, die Lippen dicht um die Flaschenöffnung geschlossen, ein kräftiger Schluck stilles Wasser eingesogen und in einem Zug mitsamt Tablette geschluckt. Der Kopf darf dabei leicht nach hinten geneigt sein. Die Tablette folgt so der Schwerkraft zum Zungengrund und wird beim Schlucken mitgespült.

Der „Kapsel-Nick-Trick“

Die zweite eingesetzte Technik ist der „Kapsel-Nick-Trick“: Auch hier wird die Kapsel auf der Zunge positioniert und ein Schluck Wasser aufgenommen, allerdings ohne ihn sofort hinunter zu schlucken. Nun neigt man den Kopf nach vorne, Kinn Richtung Brust. In dieser Position wird geschluckt. Diese Technik eignet sich ausschließlich für Kapseln. Diese sind, anders als Tabletten, leichter als Wasser. Bei geneigtem Kopf steigen sie auf in Richtung des jetzt höher liegenden Rachens und lassen sich so leichter abschlucken. Im Experiment hatte dank dieser Technik keiner der Probanden mehr Probleme mit den sehr großen Kapseln. Bei den etwas kleineren Kapseln berichteten 86 Prozent von einer Erleichterung beim Schlucken.

Der nächste Schritt ist nun, die Techniken an den Patienten zu bringen. „Probleme beim Tabletteneinnehmen werden in den Arztpraxen noch zu wenig thematisiert“, sagt Professor Haefeli. „Es lohnt sich, als Arzt einmal nachzufragen, um überhaupt mit solchen Tipps weiterhelfen zu können. Außerdem besteht häufig die Möglichkeit, auf eine andere Medikamentenmarke mit kleineren oder anders geformten Tabletten bzw. Kapseln auszuweichen. Auch das kann den Patienten schon helfen.“

Außerdem hat das Team um Professor Haefeli gerade eine Schluck-Studie bei Patienten nach einem Hirnschlag abgeschlossen, deren Ergebnisse demnächst veröffentlicht werden sollen. Diese Patienten haben in Folge der Hirnschäden häufig krankheitsbedingte Schwierigkeiten mit dem Schlucken. Für sie und andere Patienten mit krankhaft bedingten Schluckproblemen eignen sich die beiden erprobten Techniken nur bedingt.

Literatur:
Schiele JT, Schneider H, Quinzler R, Reich G, Haefeli WE. Two techniques to make it easier to swallow pills. Ann Fam Med 2014;12:550-2. doi: 10.1370/afm.1693

Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Walter E. Haefeli
Ärztlicher Direktor
Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg

Tel.: 06221 56-8722
E-Mail: walter.emil.haefeli@med.uni-heidelberg.de

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Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca. 1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw. teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.

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