Laut ASN, ERA-EDTA und ISN [1] liegt die Prävalenz von Nierenkrankheiten bei 10,4% bei Männern und 11,8% bei Frauen. Mit geschätzten 850 Millionen Betroffenen weltweit ist Zahl der Menschen, die eine Nierenkrankheit haben, deutlich höher als beispielsweise die von Diabetes-Patienten (422 Millionen [2]), Krebspatienten (42 Millionen [3]) oder von Menschen, die mit HIV infiziert sind (36.7 Millionen [4]). Setzt man die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, die die verschiedenen Krankheiten in der Bevölkerung und den Medien erhalten, mit diesen Zahlen in Beziehung, sind Nierenkrankheiten deutlich unterrepräsentiert.
Woran liegt das? Ganz klar: Nierenkrankheiten erscheinen längst nicht so bedrohlich wie beispielsweise Krebs. Nur etwa 1% der von einer chronischen Nierenkrankheit betroffenen Menschen benötigt eine Nierenersatztherapie (Dialyse oder Transplantation). Viele ziehen daraus den Schluss, dass es sich gut und lange mit einer chronischen Nierenkrankheit leben lässt. Außerdem denken viele: Wenn es ganz schlimm kommen sollte, gibt es ja immer noch die Dialyse, die das Überleben ermöglicht. Nephrologen führen gern – und auch nicht ganz ohne Stolz – an, dass die Dialyse das einzige Organersatzverfahren ist, das dauerhaft über Jahre und Jahrzehnte das Überleben der Patienten sicherstellt. Möglicherweise hat das aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung der Erkrankung den Schrecken genommen. Die Bevölkerung weiß wenig über chronische Nierenkrankheiten – und Früherkennungsuntersuchungen werden noch nicht ausreichend in den Vorsorgeprogrammen, wie z.B. den Check-up 35+-Katalogen der gesetzlichen Krankenkassen, reflektiert.
Dabei wäre das dringend notwendig. Zum einen stellt eine chronische Nierenkrankheit einen dramatischen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar (die WHO führt sie daher in der Liste der kardiovaskulären Risikofaktoren) und ist damit durchaus gefährlich: Die meisten Betroffenen erreichen das Dialysestadium nicht, weil sie vorher kardiovaskulären Ereignissen erliegen. Zum anderen ist die Dialyse eine meist lebenslang notwendige, kostenintensive Therapie. Es ist also im Interesse der Solidargemeinschaft, durch gute Präventionsmaßnahmen die Zahl der Dialysepatienten nachhaltig zu verringern. Die Früherkennung von chronischen Nierenkrankheiten zahlt sich also doppelt aus – für den einzelnen Patienten sowie für die Gemeinschaft.
Sie ist gerade jetzt von Bedeutung, weil allmählich die Babyboomer-Generation ins „Dialysealter“ (70 +) kommt. Bislang stagnierte die absolute Zahl der Dialysepatienten, da die geburtenschwachen Kriegsgenerationen im Seniorenalter waren (siehe Abb. 1). Bleibt aber der relative Anteil der Dialysepflichtigkeit in der Bevölkerung gleich hoch, muss bereits in wenigen Jahren mit einem nennenswerten Anstieg der Dialyseprävalenz gerechnet werden, wenn die Früherkennung und Prävention nicht maßgeblich verbessert wird.
„Es ist daher an der Zeit, dass die wichtigsten Untersuchungen zur Früherkennung von chronischen Nierenkrankheiten, (1) die Messung von Albumin im Urin und (2) die Bestimmung des Kreatinin-Werts im Blut regelmäßig durchgeführt werden und in den Vorsorgekatalogen aufgenommen werden“, erklärt Professor Dr. Andreas Kribben, Essen, Präsident der DGfN. Derzeit ist weder eine Messung des Kreatinins im Blut, um eine Reduktion der Nierenfunktion festzustellen, noch eine genaue Bestimmung der Albuminmenge zur Bestimmung eines strukturellen Nierenschadens im Urin vorgesehen. Nur die Urinuntersuchung mittels Kombistreifen (orientierende Untersuchung auf, Glukose, Erythrozyten, Leukozyten, Eiweiß und Nitrit) ist in den Check-up 35+ Untersuchungen [5] enthalten. „Wir fordern hier dringend Nachbesserungen“.
Referenzen
[1] Gemeinsame Pressemeldung vom 27. Juni 2018, abrufbar unter: http://web.era-edta.org/uploads/180627-press-era-asn-isn.pdf
[2] http://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/diabetes
[3] https://ourworldindata.org/cancer
[4] http://www.who.int/gho/hiv/en/
[5] Auszug aus den Richtlinien der Gesundheitsuntersuchung: siehe https://www.kvsa.de/fileadmin/user_upload/PDF/Praxis/EBM_2012/Vorsorgeuntersuchungen_Listen_Stand_November_2012.pdf
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