2 bis 3 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Herzschwäche. Dieses Krankheitsbild beeinträchtigt massiv die Lebensqualität und die Lebenserwartung der Betroffenen. 50 Prozent der Menschen mit der Diagnose Herzinsuffizienz (Herzschwäche) sterben innerhalb von 4 Jahren, über 50 Prozent der Menschen mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz innerhalb eines Jahres. Seit dem Jahr 2006 ist Herzinsuffizienz die häufigste Ursache für eine Krankenhauseinweisung in Deutschland und hat sich zu einem wesentlichen Faktor in unserem Gesundheitssystem entwickelt.
Telefonische Nachbetreuung als zukunftsweisendes Modell
Das am Uniklinikum Würzburg entwickelte Betreuungsmodell HeartNetCare-HF™, das Prof. Dr. Stefan Störk (Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz) vorstellte, bildet einen zukunftsweisenden Ansatz im Gesundheitswesen, der für zentrale Problemfelder – ärztlicher Fachmangel, Verbesserung der Patientenbetreuung und steigende Behandlungskosten – innovative Lösungsvorschläge bie-tet. Bei dem HeartNetCare-HF™ Programm geht es darum, durch eine an einen Krankenhausaufenthalt anschließende telefonische Betreuung durch eine sog. Herzinsuffizienz-Schwester das Krankheitsmanagement herzinsuffizienter Patienten im häuslichen Umfeld zu verbessern. Zu den Aufgaben der speziell geschulten Schwester gehört es, die Patienten zur Selbstüberwachung anzuleiten, im Krankheitsverständnis zu schulen und so den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Die Herzinsuffizienz-Schwestern fungieren dabei als verlängerter Arm der Ärzte und tragen so zur Entlastung der Mediziner bei. In einer klinischen Studie mit über 1000 Patienten wurde wissenschaftlich belegt, dass durch diese Art der Betreuung in 6 Monaten ca. 40% weniger Patienten verstarben als im Vergleich zu Patienten mit einer konventionellen Behandlung. Die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit der Patienten stieg, die Anzahl verbrachter Tage im Behandlungszeitraum im Krankenhaus nahm ab. HeartNetCare-HF™ ist somit das erste evidenzbasierte Disease-Management-Programm (=strukturelles Behandlungsprogramm zur Behandlung chronischer Erkrankungen) für Herzinsuffizienz in Deutschland, das nachgewiesenermaßen die Gesundheit fördert. Zurzeit befindet sich das Modell zur Validierung bei der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Die Details der Umsetzung – wie z.B. die Frage einer zentralen bundesweiten Ausbildung oder die Einbeziehung von Hausärzten und Kardiologen in die Weiterbildung – werden aktuell diskutiert.
Angesichts des drohenden Ärztemangels vor allem in ländlichen Regionen bietet dieses neue Modell die Chance, Ärzte durch Delegation von Aufgaben zu entlasten. „Dieses Modell mit dem neuen Berufsbild Herzinsuffizienzschwester/-pfleger beinhaltet enormes Potenzial“, fasste Prof. Störk zusammen. „Es kann wichtige Impulse geben, um effektivere Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen zu schaffen. Zudem lässt es sich auf weitere Krankheitsbilder übertragen. So könnten Pflegekräfte zu Wegbereitern für eine Reform im Gesundheitswesen werden, die eine Über-, Unter- oder Fehlversorgung von Herzinsuffizienz-Patienten beseitigt.“
Schlüsselstellung des Hausarztes?
Eine intensive Diskussion entspann sich zwischen Ulrich Weigeldt als Vertreter der Hausärzte und Dr. Benny Levenson, der für den Bundesverband niedergelassener Kardiologen sprach: Wer ist die zentrale Schaltstelle in der ambulanten Versorgung von Patienten mit kardiologischen Erkrankungen? Der Hausarzt oder Kardiologe? Ulrich Weigeldt betonte die Schlüsselrolle des Hausarztes, der als zentraler Akteur die Behandlung der Patienten steuert. Eindringlich warnte er davor, akademisierte Pflegekräfte in der hausärztlichen Praxis für die Patientenbetreuung einzusetzen. Diese seien für Managementaufgaben wie z.B. Qualitätssicherung qualifiziert. Bei der Behandlung von Patienten bleibe der Hausarzt der alleinige Verantwortliche („Häuptling“). „Einen Extra-Sektor für akademisierte Pflegekräfte (in Konkurrenz zum Hausarzt) darf es nicht geben“, so Weigeldt. Dieses Prinzip gilt auch bei den HI-Schwestern im Krankenhaus: Die letzte Verantwortung bleibt weiterhin beim behandelnden Arzt, der in engem Austausch mit den Herzinsuffizienz-Schwestern steht.
Integrierte Versorgung gesteuert durch Kardiologen als Königsweg?
Dr. Benny Levenson vertrat eine zu Weigeldt komplementäre Position. Er sieht den Kardiologen als „fachärztli-chen Basisversorger“ bei der Behandlung von Herzinsuffizienz-Patienten. Aufgrund seiner Qualifizierung könne der Kardiologe HI-Patienten fachlich besser betreuen als der generalistisch ausgebildete Hausarzt. Annähern konnte man sich dahingehend, dass der Hausarzt für die Primärversorgung der Patienten zuständig ist, insbesondere bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz (Schweregrade NYHA III und IV) aber der Kardiologe für Behandlung und Medikation der zentrale Ansprechpartner ist.
Diskutiert wurde auch der Nutzen von Integrationsverträgen, die eine enge Vernetzung zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken zum Ziel hat. Für Dr. Levenson ist die Integrierte Versorgung die „Versorgungsform der Zukunft“. Die Ergebnisse, die er im Rahmen von Integrationsverträgen mit Krankenkassen bei der Behandlung von Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) gemacht hat, sind durchweg positiv. Die Diskussionspartner waren darin einig, dass Integrationsverträge wie diese einen gelungenen Ansatz bieten, der sich auch auf die Behandlung von Herzschwäche-Patienten übertragen lässt.
Die Diskussion warf aber auch viele Fragen auf: Wie kann die Kommunikation und Kooperation zwischen ambu-lanten und stationären Partnern verbessert werden? Wie können neue Modelle erfolgreich implementiert werden? Um diesen Problemen auf die Spur zu kommen, plant das Kompetenznetz Herzinsuffizienz die Gründung eines Runden Tisches auf nationaler und regionaler Ebene. Im direkten Gespräch mit den Partnern kann das Schnittstellenmanagement überprüft und konkrete Verbesserungen in der Zusammenarbeit erarbeitet werden.
Überwindung der Sektorengrenzen: Ambulante spezialfachärztliche Versorgung als neues Instrument
Ein wichtiges Signal, das für die Behandlung von Herzinsuffizienz-Patienten zukunftsweisend ist, ist unterdessen aus Berlin gekommen: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat soeben in einer Richtlinie die Rahmenbedingungen für die sogenannte ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) beschlossen (Erneuerung des § 116 b, SGB V). Dieser neu ausgestaltete, die Sektoren übergreifende Versorgungsbereich bietet niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten die Möglichkeit, künftig in enger Zusammenarbeit besonders schwere bzw. seltene Erkrankungen unter grundsätzlich denselben Anforderungen ambulant behandeln. Zu den vier schweren Erkrankungen, bei denen im Rahmen von Pilotprojekten exemplarisch die Vorgaben der neuen Richtlinie angewandt werden, gehört neben gastrointestinalen Tumoren (Tumoren der Bauchhöhle), gynäkologischen Tumoren sowie rheumatologischen Erkrankungen auch die Herzinsuffizienz.
Prof. Dr. Georg Ertl, Sprecher des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz, erklärt hierzu: „Mit seinem Beschluss hat der G-BA einen Meilenstein in der Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit gesetzt. Nun können Hausärzte, Kardiologen und Klinikärzte in einem nächsten Schritt die neue Richtlinie für die Behandlung von Herzinsuffizienz konkretisieren und mit Leben füllen.“