Patienten wissen immer mehr über ihre Krankheit

Patienten

Patienten sind oft regelrechte Experten in Bezug auf ihre Erkrankung. Für das Forschungsvorhaben arbeitet die Fakultät Biotechnologie der Hochschule Biberach (HBC) unter anderem mit dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart zusammen, welche das Projekt koordinieren. Zusätzlich ist die European MS Platform (EMSP), eine europaweite Patientenvertretung, sowie die Firma Beiter Formen- und Modellbau, Sigmaringendorf als Partner aus der Wirtschaft eingebunden. Das europäische Konsortium wird komplementiert durch weitere Partner aus der Wissenschaft, der Industrie, einer Uniklinik, sowie Beratungsfirmen für regulatorische Angelegenheiten und Verwertung.

Wissen der Patienten über ihre Erkrankung wichtig

In dieser Woche sind die beteiligten Partner für ein Projekttreffen an der HBC zusammengekommen. Im Mittelpunkt stand insbesondere der aktuelle Stand der Entwicklung und die Frage, ob die Hoffnungen, die MS-Patienten mit dem neuen Ansatz verbinden, in erreichbare Nähe rücken. Denn, so erläutert Nora Kriauzaitė von der Patientenvertretung EMSP mit Sitz in Brüssel, die Behandlung könnte den Alltag vieler MS-Patienten erheblich vereinfachen – bishin zu deutlich effizienteren Therapien. „MS gilt bislang als nicht heilbar; von der neuen Technologie erhoffen wir uns einen Durchbruch in der Behandlung sowohl mit existierenden als auch mit zukünftigen Wirkstoffen.“

Medizinische Wirkstoffe werden in der Regel über das Blut im Körper verteilt – entweder direkt durch Injektionen in die Blutbahn oder indirekt über den Verdauungstrakt, wenn der Patient das Medikament oral in Form von Tabletten oder Tropfen einnimmt. Bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems ist es entscheidend, den Wirkstoff möglichst effizient an den gewünschten Wirkort zu transportieren. Bei der Behandlung von MS ist dies das Zentralnervensystem. Erschwert wird die Behandlung jedoch durch die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, über die der menschliche Körper das empfindliche Gehirn schützt. Über den üblichen Transportweg Blut ist es nur schlecht erreichbar.
Deshalb sucht die Forschergruppe „N2B-patch“ nach alternativen Anwendungsformen.

Je besser ein Patient aufgeklärt ist, um so größer seine Lebensqualität

Konkret verfolgen die WissenschafterInnen – unter Ihnen Professorin Chrystelle Mavoungou und Professorin Katharina Zimmermann aus der Fakultät Biotechnologie der HBC – die Idee, eine Art Pflaster in die Nase von Patienten einzuführen. Dieser Patch gibt den Wirkstoff exakt dosiert über einen längeren Zeitraum ab. Da Nasenhöhle und Gehirn an dieser Stelle nur durch das sogenannte Siebbein und einige Zellschichten voneinander getrennt sind, kann der Wirkstoff einfach von der Nase ins Gehirn gelangen.

Für Patienten, die an einer Erkrankung des zentralen Nervensystems leiden – neben MS können dies die Folgen eines Schlaganfalls sein, neurodegenerative Erkrankungen oder Tumore – könnte diese neuartige Therapie eine enorme Verbesserung ihrer Situation bedeuten. Angefangen von einer weniger belastenden Behandlung, weil mit geringeren Nebenwirkungen zu rechnen ist und das Medikament seltener und ohne Krankenhausaufenthalt verabreicht werden kann, bishin zu der Möglichkeit, dass der Krankheitsverlauf verlangsamt oder gar gestoppt wird.

Dass die tatsächlichen Bedürfnisse der von MS betroffenen Menschen von Anfang an in die Überlegungen der WissenschaftlerInnen einfließen, darin sieht die Patientenvertretung EMSP ihre Rolle innerhalb des internationalen Konsortiums. „Patienten sind die Experten für ihre Krankheit“, sagt Krauzaitė, die das Transferprojekt seitens der MS-Verbandes begleitet.

Die WissenschaftlerInnen der Hochschule Biberach konzentrieren sich innerhalb Forschungsverbundes auf die Entwicklung einer Darreichungsplattform für Wirkstoffe sowie auf die Abstimmung mit den Zulassungsbehörden für Arzneimittel und Medizinprodukte, die für die pharmazeutische Herstellung notwendig sind.
Möglich wurde das Projekt durch eine Förderung der EU-Kommission im Rahmen des Programms für Forschung und Innovation HORIZON 2020. Zudem werden die WissenschaftlerInnen auch durch das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg (Minister Manne Lucha, MdL) sowie den Landkreis Sigmaringen (Landrätin Stefanie Bürkle) unterstützt.

In dieser Zusammenarbeit von Patientenvertretern, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik blicken die Biberacher Professorinnen positiv in die Zukunft: „Das Projekt stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen, von denen wir einige schon bewältigen konnten und andere zukünftig lösen werden“. Einer verbesserten Behandlungsmöglichkeit von MS-Patienten und anderen neurologischen Erkrankungen bewerten sie deshalb optimistisch, „auch wenn wir noch nicht am Ende unserer Entwicklung sind“.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Profesorin Chrystelle Mavoungou, Hochschule Biberach
Professorin Katharina Zimmermann, Hochschule Biberach

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