Neurorehabilitation und die Schwerpunkte der DGNR-Jahrestagung 2013

Herr Professor Koenig, die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation findet 2013 bereits zum 23. Mal statt. Was hat sich als Tradition entwickelt?

Prof. Koenig: Die Veranstaltung einer Fortbildungsakademie „Neurorehabilitation“ für die therapeutischen Berufe mit namhaften Referenten aus dem In- und Ausland ist mittlerweile eine feste Institution geworden. Und jede 2. Tagung wird gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie und klinische Neurorehabilitation e.V. veranstaltet, mit dem Ziel sich gemeinsam weiterzubilden und von den Erfahrungen des anderen zu profitieren.

Was sind thematische Höhepunkte der Jahrestagung 2013?

Prof. Koenig: Thematische Schwerpunkte sind die Rehabilitation auf Intensivstationen, die Frührehabilitation, Kognition und Kommunikation sowie spezifische Aspekte der Rehabilitation ausgewählter Krankheitsbilder, wie Multiple Sklerose, Parkinson, neuromuskuläre Erkrankungen und Neuropädiatrie. Methodische Verbesserungen der Therapieverfahren unter Einschluss der Neuromodulation sind ein weiterer wesentlicher Aspekt, ergänzt wird das Spektrum durch Komplementärmedizin und Versorgungsforschung.

In der Zukunftswerkstatt des Kongresses wird u.a. vorgestellt, wie man mit Hilfe der Ohrmuskeln Rollstühle steuern kann. Ist prospektiv alles möglich oder wo sehen Sie die Grenzen der Neurorehabilitation?

Prof. Koenig: Davon, dass alles möglich ist, sind wir in der Tat noch weit entfernt. Den eigentlichen Schaden im Gehirn bzw. Rückenmark zu beheben etwa durch die Implantation von Stammzellen, ist sicherlich noch ein weiter Weg. Derartige Eingriffe am Gehirn bringen auch erhebliche ethische Probleme mit sich, weil man mit Veränderungen der Persönlichkeit rechnen muss.
In der Zukunftswerkstatt geht es weniger um direkte Eingriffe am Gehirn, vielmehr um Möglichkeiten, bei hochgradig gelähmten Patienten die Kommunikationsmöglichkeiten zu verbessern, die Beweglichkeit der Extremitäten zu erhöhen und die Versorgung mit Hilfsmitteln zu verbessern.

Welche Angst können Sie als behandelnde Ärzte neurologisch Geschädigten im Vergleich zu – sagen wir – vor zehn Jahren heute nehmen? Oder anders gefragt: Wo vollbringt man mit neurologischer Rehabilitation heute „kleine Wunder“?

Prof. Koenig: Im Detail haben wir zahlreiche Verbesserungen erzielt, aber Wunder haben wir nicht zu bieten. Eine neurologische Schädigung betrifft den Menschen weiterhin in besonders gravierender Weise.

Gibt es aktuelle Zahlen, wie viele Patienten jährlich von einer neurologischen Schädigung betroffen sind? Welche Krankheitsbilder haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen?

Prof. Koenig: Einen Überblick über aktuelle Zahlen von Patienten, die neurologisch rehabilitiert werden, habe ich nicht. Eindeutig abgenommen haben Patienten mit Schädeltrauma durch die Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen im Verkehr (Gurte, Airbag, Tragen von Helmen) und Verbesserungen der Unfallsicherheit in gewerblichen Betrieben. Zugenommen haben meines Erachtens Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen, die durch bessere Behandlung auch länger überleben, und Patienten, die primär gar nicht neurologisch erkrankt waren, aber aufgrund schwerer anderer Erkrankungen oder Operationen neurologische Komplikationen erleiden. Dann bessert sich häufig alles andere rascher, als die Schädigung an Gehirn und Nervensystem, so dass die neurologische Schädigung als längerfristiges Problem zurückbleibt.

Sie sprechen in ihrem Vorwort des Kongressprogrammheftes von „berufspolitischen Problemen“? Welche sind das und wie beeinflussen Sie den Arbeitsalltag in der Neurorehabilitation? Was sind die Forderungen der DGNR an die Politik?

Prof. Koenig: Berufspolitisch ist zunächst als wesentlicher Erfolg der letzten Jahre zu werten, dass die neurologische Frührehabilitation eine Abbildung im Fallpauschalensystem gefunden hat und damit der Fortbestand dieser Behandlungsform auch so gesichert worden ist, dass durch den gesetzlichen Anspruch auf Krankenhausbehandlung auch jeder gesetzlich-versicherte Patient darauf Anspruch hat. Die Ausgestaltung im Detail ist in den Bundesländern unterschiedlich. So gibt es z.B. unterschiedliche Kataloge, mit deren Hilfe der Zeitbedarf für die sogenannte therapeutische Pflege dokumentiert wird. Auch gibt es in einzelnen Bundesländern besondere Strukturanforderungen an die neurologische Frührehabilitation. Auch über das Ende der Frührehabilitation, also darüber, wann die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit entfällt und die eigentliche Rehabilitation beginnt, gibt es keinen einheitlichen Konsens von Leistungserbringern und Krankenkassen. Da das DRG-System ein bundesweit einheitliches Vergütungssystem ist, wäre hier eine Vereinheitlichung wünschenswert. Allerdings ist die Vielfalt auch durch den § 112 SGB V gedeckt, der Vereinbarungen auf Landesebene zwischen Krankenhaus und Krankenkassenverbänden vorsieht. Bei dieser Gesetzeslage ist es zweifelhaft, ob eine Vereinheitlichung in absehbarer Zeit erreichbar ist. Wesentlicher ist die ungenügende Berücksichtigung der mit der Inflation steigenden Kosten in der eigentlichen neurologischen Rehabilitation, nämlich den Phasen C und D. Hier sind seit Jahren die von den Kostenträgern angebotenen Erlössteigerungen weit unterhalb der Kostensteigerungsrate und unterhalb der Inflationssätze. Dies führt zu einem schleichenden Rückgang des Angebotes und bringt langfristig Qualitätsprobleme.

Medienvertreter sind herzlich eingeladen die DGNR-Jahrestagung zu besuchen, sich über die Themen zu informieren und darüber zu berichten. Alle Informationen zur Tagung finden sie unter www.dgnr-tagung.de – hier können Sie sich auch akkreditieren! Gern vermitteln wir ihnen weitere Gesprächspartner für Interviews!

Pressekontakt:
Romy Held
Conventus Congressmanagement
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 03641/3116280
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Der Abdruck dieses Interviews kann im Rahmen einer Berichterstattung honorarfrei erfolgen! Über die Zusendung eines Belegexemplares wäre ich ihnen sehr dankbar!

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