In den zurückliegenden Jahrzehnten wurden große Fortschritte in der Kinderherzchirurgie erzielt, sodass heute mehr als 90 Prozent dieser Patienten das Erwachsenenalter erreichen. Die Deutsche Herzstiftung unterstützt jedes Jahr gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der angeborenen Herzfehler mit der Gerd Killian-Projektförderung. Auf dem DGPK-Kongress im Oktober in Weimar wurden die beiden Preisträgerinnen vorgestellt. Dr. med. Sabrina Lück vom Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie, erhält die Förderung für ihr Projekt „Myokardprotektion des neonaten Herzens“, und Dr. med. Sonja Wollersheim vom Deutschen Herzzentrum Berlin, Abteilung für Angeborene Herzfehler/Kinderkardiologie, für ihr Forschungsvorhaben „Neuropsychologisches Langzeit-Follow-up bei Patienten mit arterieller Switch-Operation mit und ohne Bluttransfusion“. Ihre Arbeiten werden mit zusammen 59 500 Euro aus dem Gerd Kilian-Fonds unterstützt.
„Beide Vorhaben haben das Potenzial, zur Verbesserung der Lebenserwartung und Entwicklung von Kindern mit angeborenem Herzfehler beizutragen, indem sie wesentliche Punkte der kinderkardiologischen und herzchirurgischen Versorgung berühren“, sagt Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
Schutz für kleine Herzen während der Operation
Viele Operationen zur Korrektur bei angeborenen Herzfehlern finden bereits in den ersten Lebenstagen des Neugeborenen statt, selbst schwere Fehlbildungen können heute mit vergleichsweise niedrigem Risiko chirurgisch angegangen werden. Allerdings nimmt dabei auch die Dauer der Eingriffe zu. Während der oft mehrstündigen Operationen sind die Kinder zwar an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die dafür sorgt, dass Körper und Gehirn mit Sauerstoff versorgt werden. Das Herz selbst wird während der chirurgischen Korrektur aber nicht durchblutet, sondern durch Kontakt mit sog. „kardioplegischen Lösungen“ stillgelegt. Nur wenn das Herz stillsteht und nicht durchblutet wird, können die schwierigen Operationen präzise vorgenommen werden. Kardioplegische Lösungen müssen so zusammengesetzt sein, dass das Herz in der Zeit, in der es nicht durchblutet wird („Ischämie“), keinen dauerhaften Schaden nimmt. Auch das angewendete Narkoseverfahren spielte eine wichtige Rolle für den Schutz des Herzens während der Ischämie.
In ihrem Forschungsprojekt will Dr. Lück mit Hilfe sog. „Impedanzmessungen“ an neugeborenen Herzen (Ferkel im Alter unter sieben Tagen) feststellen, wie das Herz Neugeborener auf Narkosemittel und kardioplegische Lösungen während der Blutleere reagiert. Aus den Untersuchungen sollen Konzepte zur Optimierung der Narkose und der kardioplegischen Lösungen entwickelt werden. Tierexperimentell wurden solche Impedanzmessungen an erwachsenen Herzen bereits durchgeführt. Solche Messungen basieren auf dem Verfahren der Impedanzspektroskopie mit dessen Hilfe sich Veränderungen an den Blutgefäßen und den Zellstrukturen bei nicht durchbluteten Organen wie Herz oder Leber verfolgen lassen. Zu Veränderungen in der Struktur des Gewebes kommt es während der Zeit der Ruhigstellung des Herzens. Sie bilden sich nach Wiederherstellen der Durchblutung zurück, wenn die Blutleere nicht zu lange gedauert hat. Die Forschungsarbeiten finden in Kooperation mit PD Dr. Uwe Pliquett vom Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik (iba) in Heiligenstadt statt.
Sind Kinder mit angeborenem Herzfehler in ihrer Entwicklung beeinträchtigt?
Der Frage, ob es einen Einfluss auf die spätere Entwicklung von Gehirn und Nervensystem hat, wenn Kinder im Verlauf einer großen Herzoperation Bluttransfusionen bekommen, geht Preisträgerin Dr. Wollersheim nach. Dank verbesserter Frühdiagnostik und großer Fortschritte in der operativen Behandlung angeborener Herzfehler überleben heute die meisten Kinder mit angeborenem Herzfehler. Das lenkt das Interesse umso stärker auf die Lebensqualität sowie den Gesundheitszustand der kleinen Patienten. Obwohl bei und in der Zeit kurz nach der Operation nur noch sehr wenige Kinder sterben, kann es zu Komplikationen kommen. Hierzu zählen unter anderem neurologische Auffälligkeiten, die oft erst Jahre nach dem operativen Eingriff bemerkbar werden, z. B. muskuläre Hypotonie (schlaffe Muskeln) sowie Entwicklungs- und Aufmerksamkeitsdefizite.
Denkbar ist, dass das Auftreten langfristiger neuropsychologischer Beeinträchtigungen und Entwicklungsverzögerungen durch Bluttransfusion, die während der Operation erfolgen, begünstigt wird. Damit den Eltern von Kindern mit angeborenem Herzfehler Informationen über die zu erwartende Entwicklung ihrer Kinder gegeben werden können, sind neuropsychologische Nachuntersuchungen von großer Bedeutung.
In der Studie soll die neuropsychologische Entwicklung von Kindern mit den Diagnosen „Ventrikelseptumdefekt“ (VSD), „Transposition der großen Arterien“ (TGA) oder „Fallot’sche Tetralogie“ (TOF) nach ihrer Korrekturoperation untersucht werden. Gemessen werden Fein- und Grobmotorik, kognitive Fähigkeiten sowie die Lebensqualität. Das Alter der Kinder liegt derzeit zwischen wenigen Wochen und fünf Jahren.
Die Deutsche Herzstiftung hat zu Ehren von Gerd Killian den „Gerd Killian-Fonds“ eingerichtet. Nach dem Willen der Erblasserin Doris Killian soll die Projektförderung aus diesem Fonds insbesondere Forschungsaktivitäten für Kinder mit angeborenem Herzfehler stärken. Der Gerd Killian-Fonds für angeborene Herzfehler nahm seine Arbeit 2009 auf.
37/2012
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