Kürzlich hat der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine neue Heilmittelrichtlinie beschlossen, die am 01. Januar 2021 in Kraft treten soll. Ursprünglich sollte sie schon am 01. Oktober 2021 in Kraft treten, doch Ärzte äußerten Bedenken zur Umsetzung der neuen Richtlinie, da es künftig nur noch ein Verordnungsformular für sämtliche Heilmittelbereiche geben soll.
Was ist die Heilmittelrichtlinie?
Die Verordnung von Heilmitteln wird durch die Heilmittel-Richtlinie geregelt. Heilmittel bezeichnen in diesem Sinn medizinische Leistungen, die in folgenden Bereichen persönlich von einem Therapeuten (Heilmittelerbringer) zu erbringen sind:
- Physiotherapie
- Podologie
- Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie
- Ergotherapie
- Ernährungstherapie
Nur ein Vertragsarzt kann diese Heilmittel verordnen. Die Heilmittelverordnung stellt daher ein Nachschlagwerk in Arztpraxen dar, um Therapien und Behandlungen zu bestimmen, die verordnungsfähig sind. Voraussetzung ist eine Diagnose und die Dokumentation des Zustands des Patienten.
Der Heilmittelkatalog liefert in diesem Rahmen Richtlinien über die Art der Heilmittel und deren Menge, die im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots bei einer bestimmten Diagnose verordnet werden dürfen.
Grund für die Änderungen
Die neue Heilmittelverordnung soll die Übersichtlichkeit verbessern, indem die Formulare zur Heilmittelverordnung standardisiert werden. Dies soll zum einen die Verordnung sicherer machen, als auch den bürokratischen Aufwand verringern.
So wird zum Beispiel das bisherige Muster 13, das in der Physiotherapie und Podologie zur Verordnung eingesetzt wird, sowie Muster 14 für Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie, sowie Muster 18 für Ergo- und Ernährungstherapie zu einem einheitlichen Verordnungsmuster 13 zusammengefasst. Für Ärzte bedeutet das, dass sie nur noch ein Verordnungsformular vorhalten müssen, der Arbeitsablauf bei der Diagnosestellung jedoch erhalten bleibt.
Mit der neuen Richtlinie ist es zudem möglich, mehrere Leitsymptomatiken anzugeben, und gleichzeitig bis zu drei Heilmittel zu verordnen. Außerdem verlängert sich die Frist zum Behandlungsbeginn einer Heilmitteltherapie von 14 auf 28 Tage nach Ausstellung der Verordnung. Eine flexiblere Behandlungsfrequenz ist ebenfalls möglich, da nun auch eine Frequenzspanne angegeben werden kann, zum Beispiel 1-3 mal pro Woche.
Die neue Heilmittelverordnung schafft des Weiteren auch die Regelfallsystematik ab. Das heißt, dass künftig nicht mehr unterschieden wird zwischen Erstverordnung, Folgeverordnung und einer Verordnung außerhalb des Regelfalls. Ersetzt wird die Regelfallsystematik durch einen Verordnungsfall, an den eine orientierende Behandlungsmenge geknüpft ist. Das bedeutet, dass im Bedarfsfall von dieser Menge auch abgewichen werden darf. Diese Änderung soll verhindern, dass Verordnungen falsch oder fehlerhaft ausgestellt werden. Durch den Wegfall der Verordnung außerhalb des Regelfalls wird nicht nur die Bürokratie abgebaut, sondern es entfällt auch das Genehmigungsverfahren, das von einigen Krankenkassen bisher verlangt wurde. So kann eine Therapie zügiger begonnen werden, was vor allem den Patienten zugutekommt.
Was sich für Ärzte ändert
Damit die gesetzliche Krankenkasse die Kosten der Heilmittelerbringung übernimmt, muss das Formular vom verordnenden Arzt korrekt ausgefüllt werden. Ärzte sollten daher die neuen Heilmittelrichtlinien kennen und sich mit dem neuen Muster 13 vertraut machen, sowie diese rechtzeitig bestellen, damit es nicht zu Engpässen in der Praxis kommt. Außerdem muss die Praxisverwaltungssoftware (PVS) angepasst werden, damit die datentechnische Erfassung des Formulars gewährleistet ist.
Neu in der Heilmittelrichtlinie ist auch die sogenannte Blankoverordnung. Dabei wird nur eine Heilmittelverordnung ausgestellt, ohne spezifisch die Art des Heilmittels zu bestimmen, das heißt die Ärzte entscheiden nur, dass eine Therapie nötig ist. Die Verantwortung zur Auswahl eines geeigneten Heilmittels wird den Heilmittelerbringern übertragen. Konkret bedeutet das, dass Therapeuten bei einer Blankoverordnung selbst bestimmen, wie viele Behandlungseinheiten mit welcher Frequenz und welcher Dauer verabreicht werden sollen. So sollen die Heilmittelerbringer ihre Arbeit flexibler gestalten können.
Die Blankoverordnung wird allerdings etwas verspätet (voraussichtlich erst im zweiten oder dritten Quartal 2021) in Kraft treten. Grund hierfür ist, dass in allen fünf Heilmittelbereichen neue Verträge zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Verbänden der Heilmittelerbringer geschlossen werden müssen. Es ist vorgesehen, dass diese Verträge bis zum 15. März 2021 abgeschlossen sein werden. Daraufhin folgt die Integration in die Praxisverwaltungssysteme, was auch noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird.
Was sich für Heilmittelerbringer ändert
Therapeuten sind grundsätzlich dazu verpflichtet, eine Verordnung auf deren Vollständigkeit und inhaltliche Korrektheit zu überprüfen, denn Krankenkassen sind nicht dazu verpflichtet, fehlerhafte oder falsche Verordnungen zu bezahlen. Heilmittelerbringer können so auf den Kosten der Behandlung sitzen bleiben.
Mit der Blankoverordnung wird den Therapeuten zwar mehr Flexibilität eingeräumt, jedoch müssen sie sich genau wie Ärzte an die Richtlinien der Heilmittelverordnung halten und dürfen nur Heilmittel erbringen, die im Rahmen der Diagnose sinnvoll, wirtschaftlich und angemessen sind.