Neue Erkenntnisse zum Zusammenhang von Übergewicht und Krebs

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Übergewicht und Krebs. „Endometriumkrebs hat nichts mit hohen Blutfett- und Zuckerwerten zu tun“. Das ist die überraschende, der gängigen Lehrmeinung widersprechende Erkenntnis einer soeben im International Journal of Epidemiology veröffentlichen multizentrischen Kohortenstudie unter der Leitung von Hanno Ulmer und Josef Fritz von der Sektion für Medizinische Statistik und Informatik der Medizinischen Universität Innsbruck, die im Rahmen des europäischen Kooperationsprojektes Me-Can (Metabolic syndrome and Cancer) durchgeführt wurde. Die Ergebnisse werden außerdem auf der Jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO 2019) Anfang Juni in Chicago vorgestellt.

Übergewicht und Krebs – TyG-Index als geeigneter Vermittler

Metabolische Faktoren wie Fettleibigkeit, Bluthochdruck, veränderte Blutfettwerte oder Insulinresistenz wurden mit Krebserkrankungen bereits in Zusammenhang gebracht. So stehen gastrointestinale Krebsformen wie Dickdarm, Leber- und Nierenkrebs, aber auch die Entstehung gynäkologischer Tumoren mit Übergewicht und der damit assoziierten Insulinresistenz in Verbindung. In der Innsbrucker Studie wurden die Daten von über 500.000 Proband*innen aus sechs europäischen Kohorten zusammengefasst und analysiert, die durchschnittlich 17 Jahre lang im Hinblick auf deren Lebensstil und auftretende Krebserkrankungen beobachtet wurden. In diesem Zeitraum kam es zu 16.000 bekanntermaßen mit Übergewicht assoziierten Krebsfällen, wie Darm-, Leber-, Nieren-, Pankreas- und Gallenblasenkrebs (gastrointestinale Tumoren) sowie Gebärmutter- und Eierstockkrebs und post-menopausalem Brustkrebs (gynäkologische Tumoren).
„Um mögliche kausale Zusammenhänge darstellen zu können, haben wir uns einer neuen Kennzahl bedient, dem TyG-Index. Dieser spezielle Stoffwechsel-Marker ist das Produkt aus Triglyzeriden und Glukose und somit ein einfach verfügbares Maß für die Insulinresistenz, das zudem in hohem Maß mit dem Goldstandard zur Bestimmung der Insulinresistenz, dem Clamp-Test, übereinstimmt“, erklären die federführenden Studienautoren Josef Fritz und Hanno Ulmer. Die Insulinresistenz, also die verminderte Sensitivität der Körperzellen auf das Hormon Insulin und Vorstufe von Diabetes Typ II, wird in Fachkreisen als Erklärung für die Verbindung von Übergewicht und Krebs diskutiert. Denn das Wachstums-stimulierende Hormon Insulin regt die Zellteilung an und kann somit auch das Tumorwachstum begünstigen.

Übergewicht, Krebs

Bestätigung für Darmkrebs, Gegenbeweis bei Gebärmutterkrebs

Übergewicht ist häufig mit erhöhten Triglyzerid- und Glukosewerten assoziiert. „Die Ergebnisse unserer multizentrischen Kohortenstudie belegen“, so Ulmer, „dass ein hoher TyG-Index signifikant mit einem erhöhten Risiko für gastrointestinale Tumoren korreliert. Dazu kommt, dass der TyG-Index auch zu circa 25 Prozent den Einfluss von Übergewicht auf die Krebsentstehung erklärt.“ Die Innsbrucker Forscher können somit eine nachdrückliche Bestätigung für den krebsfördernden Einfluss von Übergewicht auf Leber-, Nieren-, Pankreas- und Dickdarmkrebs erbringen.

Eine zweite Erkenntnis aus der Studie sorgt jedoch für Überraschung. Entgegen der in der medizinischen Literatur vertretenen Ansicht, wonach die Wahrscheinlichkeit, ein Endometriumkarzinom oder post-menopausalen Brustkrebs zu entwickeln, bei Frauen mit einer Insulinresistenz deutlich erhöht ist, konnte das Team um Ulmer diesen Zusammenhang nicht bestätigen. „Gynäkologische Krebsarten sind zwar mit Übergewicht assoziiert, jedoch nicht mit dem TyG-Index erklärbar. Das heißt: erhöhte Blutfett- und Blutzuckerwerte stehen in keinem kausalen Zusammenhang mit der Entstehung gynäkologischer Tumoren. Der Einfluss der Östrogene auf das Krebsgeschehen dürfte also doch größer sein, als angenommen“, schließt Ulmer.

Metabolisches Syndrom und Krebs

Im Rahmen des Me-Can (Metabolic syndrome and Cancer)-Projektes analysieren Forscher*innen um Hanno Ulmer, Leiter der Sektion für Medizinische Statistik und Informatik an der Medizinischen Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit Wissenschafter*innen aus Norwegen und Schweden seit 2006 systematisch relevante Zusammenhänge zwischen Lebensstilfaktoren und der Entstehung von Tumoren. Die statistischen Analysen basieren auf Daten von über 550.000 Erwachsenen, die in den Jahren von 1972 bis 2006 in Österreich, Schweden und Norwegen gesammelt wurden. Der österreichische Datenbeitrag stammt dabei aus den vom Arbeitskreis für Vorsorge und Sozialmedizin im Rahmen des Vorarlberg Health Monitoring and Promotion Programmes (VHM&PP) seit über 25 Jahren systematisch dokumentierten Gesundenuntersuchungen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Hanno Ulmer
Sektion für Medizinische Statistik und Informatik
Tel.: +43 512 9003 72900
E-Mail: Hanno.Ulmer@i-med.ac.at

Originalpublikation:
https://doi.org/10.1093/ije/dyz053

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