„Herzinfarkte können wie viele andere Erkrankungen unterschiedlich schwere Verlaufsformen haben. Trotz wesentlicher Fortschritte in der Versorgung des akuten Herzinfarktes, wie zum Beispiel die akute Eröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes mittels Kathetermethoden, ist bei der besonders schweren Verlaufsform des Herzinfarktes, dem Herz-Kreislaufschock, die Prognose der betroffenen Patienten auch heute noch sehr schlecht“, erläuterte Prof. Dr. Stephan Felix (Foto), Direktor der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B an der Universitätsmedizin Greifswald.
Seit über 40 Jahren steht mit dem Einsatz der so genannten intraaortalen Ballonpumpe ein Verfahren zur Verfügung, das die Blutversorgung von Herz und Gehirn im Herz-Kreislaufschock verbessern kann. Die Ballonpumpe wird über die Blutbahn in die Hauptschlagader eingesetzt und verbleibt dort. Millionenfach vertrauten Ärzte weltweit auf die lebensrettende Wirkung des Verfahrens. Ob jedoch dieses sehr invasive Verfahren mehr Nutzen als Schaden bringen würde, war bislang nicht ausreichend untersucht worden.
Intensivmedizinische Standardbehandlung genauso effektiv wie Ballonverfahren
Die Greifswalder Oberärzte in der interventionellen Kardiologie (Dr. Klaus Empen, Prof. Thorsten Reffelmann, Dr. Astrid Hummel und Dr. Mathias Busch) nahmen zusammen mit den Oberärzten der internistischen Intensivstation (Dr. Peter Abel, Dr. Sigrun Friesecke) deshalb an einer multizentrischen bundesweiten Untersuchung (IABP SHOCK) teil. 600 Patienten mit einem Herz-Kreislaufschock infolge eines Herzinfarktes, die entweder mit einer Ballonpumpe oder konventionell ohne Ballonpumpe behandelt wurden, kamen nach dem Zufallsprinzip in die beiden Bewertungsgruppen. Neben einer Vielzahl an intensivmedizinischen Maßnahmen beim Herzinfarkt ist die Öffnung der verschlossenen Herzkranzgefäße mittels Katheter, der wieder entfernt wird, Bestandteil der Standardbehandlung.
„Im Ergebnis wurde deutlich, dass der Einsatz einer intraaortalen Ballonpumpe im Vergleich zur intensivmedizinischen Standardbehandlung ohne Ballonpumpe keinen Überlebensvorteil für die Patienten bietet. Die Zahl der nach 30 Tagen verstorbenen Patienten war mit etwa 40 Prozent in beiden Behandlungsgruppen gleich hoch“, so Felix. Allerdings konnte auch nicht nachgewiesen werden, dass die intraaortale Ballonpumpe zu relevanten Komplikationen führt.
„Somit hat die intraaortale Ballonpumpe bei der Behandlung des akuten Herzinfarktes mit Schocksymptomatik an Bedeutung verloren, obwohl sie bislang als Behandlungsstrategie international empfohlen worden ist“, sagte Felix. „Angesichts der hohen Sterblichkeit der Patienten besteht also auch künftig erheblicher Verbesserungsbedarf bei der Behandlung der betroffenen Patienten“, kommentierte der Kardiologe die Studienergebnisse. „Wir müssen die Herzforschung fortsetzen und alternative Maßnahmen zur Kreislaufunterstützung bei Patienten mit Herz-Kreislaufschock im Rahmen klinischer Untersuchungen untersuchen.“
Der Klinikdirektor betonte, dass die Greifswalder Wissenschaftler mit der Teilnahme an dieser Studie wesentlich zum Nachweis der Wirksamkeit eines invasiven Behandlungsverfahrens in der Kardiologie beigetragen haben. „Greifswald hat im Bundesvergleich besonders viele Patienten mit Herz-Kreislaufschock für diese Untersuchung bewertet. Dermaßen aufwändige Studien können nur gemeinsam im Team erbracht werden.“ Die Klinik für Innere Medizin B gehört seit 2010 zum Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.
*The NEW ENGLAND JOURNAL of MEDICINE
Original Article Intraaortic Balloon Support for Myocardial Infarction with Cardiogenic Shock
N Engl J Med 2012; 367:1287-1296 October 4, 2012
DOI: 10.1056/NEJMoa1208410
Universitätsmedizin Greifswald
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