Den aktuellen Entwicklungsstand einzuschätzen, fällt vor allem bei kleinen Kindern, die erst wenige Monate alt sind, besonders schwer. Bisher stießen Te der frühkindlichen Entwicklung schnell an ihre Grenzen. Mit der dritten Version der Bayley Scales of Infant and Toddler Development in deutscher Sprache gibt es nun einen Test, der Kinderärzten und Psychologen dabei hilft, die sprachlichen, kognitiven motorischen Leistungen von sehr jungen Kindern genau zu erfassen.
Im Vergleich zur 2007 erschienenen Vorgängerversion Bayley-II, wurde der aktuelle Test vollständig überarbeitet und angepasst. So lässt sich der Entwicklungsstand noch genauer erfassen, da hierfür nun drei Skalen mit insgesamt fünf Untertests zur Verfügung stehen. „Damit können jetzt kognitive Leistungen, davon separat expressive bzw. rezeptive sprachliche Leistungen sowie fein- und grobmotorische Leistungen differenziert erfasst werden“, erklären die beiden Herausgeber der deutschen Version der Bayley-III, Diplom-Psychologin Dr. Gitta Reuner und Diplom-Psychologe Joachim Rosenkranz.
Als weitere Neuerung des Entwicklungstests sind einige ergänzende Items auf der Kognitiven Skala hinzugekommen. Sie dienen der Erfassung des Konzepts „Spielverhalten“, das als wichtige diagnostische Information gilt.
„Die wichtigste Neuerung im Vergleich zur Vorgängerversion ist jedoch die Tatsache, dass die Bayley-III Skalen mit einer aktuellen deutschen Normierung erscheinen“, so die beiden Diplom-Psychologen. Die neue Skalenstruktur, mit der sprachliche und nicht-sprachliche kognitive Leistungen getrennt erhoben werden, bietet einen weiteren Vorteil gegenüber der Bayley-II. Allgemein decken „die Bayley-III Skalen einen
besonders großen Altersbereich von einem bis 42 Monate ab und umfassen damit ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten. Darüber hinaus ist das Verfahren international weit verbreitet und eignet sich wegen des großen Altersranges auch gut für Langzeitbeobachtungen und wissenschaftliche Verlaufsstudien“, so Reuner und Rosenkranz.
Die hauptsächlichen Anwendungsfelder sehen die beiden Herausgeber im klinischen Bereich, etwa zur rechtzeitigen Diagnostik von Entwicklungsverzögerungen. Darüber hinaus dient die Bayley-III zur Untersuchung von klinischen Gruppen, die ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen haben: ehemals Frühgeborene, Kinder mit angeborenen schweren Herzfehlern oder chronischen Erkrankungen. Neben der ausführlichen Testung anhand der Bayley-III Skalen ist auch eine kürzere Durchführung mittels des Bayley-III Screening Tests möglich. Dieser ist besonders für den Einsatz in Frühförderstellen und Kindertagesstätten mit entsprechend ausgebildetem Personal eignet.
„Die Ergebnisse der Bayley-III-Skalen ermöglichen neben der individuellen und präzisen Einschätzung des frühkindlichen Entwicklungsstatus außerdem eine Ableitung von differenzierten Empfehlungen zu entsprechenden Förderschwerpunkten. Gerade bei Risikogruppen ist es von besonderer Bedeutung, vergleichbare Daten mit einem gut evaluierten und zuverlässigen Verfahren zu erheben“, so die Experten. Bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern oder mit chronischen Krankheiten wird die Bayley-III häufig ergänzend im Rahmen eines operativen Eingriffs prä- und/oder postoperativ bzw. bei einem Medikamentenwechsel eingesetzt, um den Entwicklungsstand der Kinder zu prüfen und gegebenfalls die Folgen einer Behandlung besser
abschätzen zu können.
Die englische Version der Bayley-III erschien bereits 2006. Dass die Entwicklung der deutschen Variante so lang gedauert hat, hat verschiedene Gründe. „Bei der Übersetzung der Manuale galt es immer wieder, mit kulturellen und sprachlichen Besonderheiten angemessen umzugehen“, erklären Reuner und Rosenkranz. Die größte Herausforderung stellte jedoch die Planung und Umsetzung der Normierungserhebungen dar, da dabei eine nach Geschlecht ausgewogene und repräsentative Stichprobe erhoben werden musste.
„Mit Hilfe der intensiven und äußerst konstruktiven Kooperation aller Beteiligten, ist es uns mit der deutschen Version der Bayley-III Skalen gelungen, ein messgenaues, differenziertes und sehr praktikables Verfahren zur Einschätzung frühkindlicher kognitiver und motorischer Funktionsaspekte zu entwickeln“, so die Einschätzung von Dr. Gitta Reuner und Joachim Rosenkranz.