Klinik-Realität ist: Schwangere und stillende Mütter dürfen nicht operieren. „Um in ihrer Weiterbildung voranzukommen, müssen Gynäkologinnen aber eine bestimmte Anzahl verschiedener Operationen erlernen und wiederholt durchführen“, erklärte Dr. Astrid Bühren, Vorstandsmitglied des Hartmannbundes und niedergelassene Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Murnau, auf dem DGGG-Kongress (5. bis 8. Oktober, München). Dr. Silvana Koch-Mehrin, Vize-Präsidentin des Europaparlaments, informierte über aktuelle europäische Bestrebungen bezüglich der Mutterschutzgesetzgebung.
In der Hauptsitzung „Warum es Männer nicht mehr gibt und Frauen nicht wollen“ sprachen acht Frauen über die Feminisierung in der Medizin, die Vereinbarung von Familie und Karriere in der Gynäkologie und Geburtshilfe und über die Probleme der derzeitigen Mutterschutzrichtlinien für schwangere und stillende Ärztinnen in Deutschland. „Die gültigen Mutterschutzrichtlinien müssen dringend aktualisiert werden. Pauschale Tätigkeitsverbote statt eines spezifischen Schutzes vor tatsächlichen Risiken, ziehen die Weiterbildung der Ärztinnen unnötig in die Länge“, kommentierte Dr. Astrid Bühren. „Denn nach Meldung ihrer Schwangerschaft wird die ärztliche Tätigkeit von Gynäkologinnen oftmals auf Stationsarbeit und bürokratische Aufgaben reduziert.“ Und auch nach der Rückkehr aus dem Mutterschutz in eine Teilzeitstelle werden Ärztinnen in vielen Weiterbildungsstätten zu selten für OPs eingeteilt.
Frauenärztinnen sind einerseits ärztlich verantwortliche Ansprechpartnerinnen für Schwangere. Andererseits wird ihnen während der Arbeitszeit die fachliche Kompetenz und die Eigenverantwortung für sich selbst und ihr ungeborenes Kind abgesprochen: Als angestellte Ärztinnen wird ihnen vorgeschrieben, was sie anlässlich der eigenen Schwangerschaft zu tun und zu lassen haben. Dr. Bühren:„Die Mutterschutzrichtlinienverordnungen, die nur für angestellte Ärztinnen gelten, sollten entsprechend neuer technischer Sicherungsvorkehrungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse modernisiert werden. Konkrete Schutzmaßnahmen müssen individuell und gemeinsam mit der schwangeren und stillenden Ärztin und arbeitsplatzgerecht statt pauschal und in jedem Bundesland unterschiedlich umgesetzt werden. Die Mutterschutzgesetzgebung ist eine soziale Errungenschaft, die nicht zulasten der schwangeren und stillenden Frauen reduziert werden darf.“ Weiterhin, so die Expertin, solle auch über Mutterschutzangebote für schwangere und stillende niedergelassene Ärztinnen und Studentinnen diskutiert werden.
(idw, 10/2010)