Bei einem Kleinkind mit Muskelhypotonie zeigen sich zusätzliche Symptome wie Bewegungsstörungen, z. B. okulogyre Krisen, Entwicklungsverzögerungen oder autonome Störungen? Dann wird oftmals in Richtung Cerebralparese oder Epilepsie als Ursache gedacht. Aber möglicherweise leidet der kleine Patient an einer seltenen Erkrankung, dem Aromatischen-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC)-Mangel. Diese Erbkrankheit ist mit Störungen der Neurotransmittersynthese assoziiert und führt zu lebensverkürzenden motorischen und autonomen Funktionsstörungen, Entwicklungsverzögerungen und vorzeitigem Tod.1-3 Umso wichtiger ist eine frühzeitige Diagnose, da sie helfen kann, die Behandlung und Versorgung von Patienten mit AADC-Mangel zu verbessern.1-3
Immer wieder werden Eltern mit einem Säugling oder Kleinkind beim Kinderarzt vorstellig und beschreiben die Symptome ihres Kindes z. B. als Muskelschlappheit (Muskelhypotonie), Ernährungsstörungen, ständiges Schreien, häufiges Augenverdrehen (okulogyre Krisen) und andere Bewegungsstörungen. Diese Auffälligkeiten können verschiedene Ursachen haben, dazu zählen Erkrankungen wie Cerebralparese, Epilepsie oder neuromuskuläre Schwäche. Aber nicht übersehen werden sollte, dass in einzelnen Fällen die autosomal-rezessive Erbkrankheit Aromatische L-AminosäureDecarboxylase-Mangel, kurz: AADC-Mangel, den Symptomen zugrunde liegen kann.
Diese seltene Erkrankung wird durch verschiedene Mutationen im Dopa-Decarboxylase-Gen (DDC) verursacht.4 DDC codiert für das Enzym AADC, das eine Schlüsselrolle bei der NeurotransmitterSynthese spielt. Die betroffenen Kinder leiden daher an einem kombinierten Mangel an Dopamin, Serotonin, Adrenalin und Noradrenalin.3 Fehlen diese Neurotransmitter, kommt es zu einer Hemmung der postsynaptischen neuronalen Signalübertragung im Zentralnervensystem, die für die motorische Entwicklung, das Verhalten und die autonome Funktion erforderlich ist.5
Symptome bei AADC-Mangel – vielfältig, unspezifisch, früh auftretend
Ein AADC-Mangel kann sich mit einer breiten Palette von teils unspezifischen Symptomen manifestieren. Auch verläuft die Erkrankung bei den betroffenen Kindern sehr unterschiedlich. Zumeist treten jedoch die ersten Symptome schon im sehr frühen Säuglingsalter auf, im Mittel etwa in einem Alter von 2,7 Monaten.3 Zu den häufigen klinischen Anzeichen eines AADC-Mangels zählen (Hyperhidrose, Hypersalivation, Ptosis, nasale Kongestion).3 Diese Symptome sind möglich, müssen aber nicht zwingend auftreten.
Die korrekte Diagnose ist eine Herausforderung
Bei einer Reihe von Erkrankungen treten Symptome auf, die denen eines AADC-Mangels ähneln.3,6-9 Hierzu zählen beispielsweise Epilepsie (okulogyre Krisen), Cerebralparese (Dystonie, Starrheit, motorische Verzögerung) und neuromuskuläre Schwäche (Muskelhypotonie, Akinesie, Ptosis). Dies ist mit ein Grund dafür, dass es meist erst verzögert zur Diagnosestellung AADC-Mangel kommt. Im Mittel sind die Kinder dann 3,5 Jahre alt.3
Bei Verdacht auf AADC-Mangel helfen verschiedene Diagnoseverfahren
Bei Verdacht auf AADC-Mangel führt ein Neuropädiater körperliche und bildgebende Untersuchungen – bei AADC-Mangel ist das MRT unauffällig – sowie Blut- und Urintests zum Ausschluss anderer Erkrankungen durch. Dabei gibt es drei entscheidende Diagnoseverfahren: die Messung der Aktivität des AADC-Enzyms im Blutplasma, die Bestimmung bestimmter Neurotransmitter-Vorstufen und -Metabolite im Liquor und der Nachweis von Mutationen im DDC-Gen mittels Genanalyse. Mindestens zwei dieser Tests sollten positiv ausfallen, um die Diagnose AADC-Mangel zu bestätigen.3 Darüber hinaus kann die Bestimmung von 3-OMD (3-O-Methyldopa) im Blut sowie von organischen Säuren im Urin die Diagnosestellung unterstützen.3AADC-Mangel ist eine sehr seltene Erkrankung. Daher kann es hilfreich sein, für die Diagnosestellung Spezialisten für seltene Erkrankungen, beispielsweise in Universitätskliniken, Humangenetiker oder spezialisierte Neuropädiater, hinzuzuziehen. Aktuell kann ein AADC-Mangel nicht geheilt werden, die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten sind begrenzt. Dennoch ist vor allem eine frühzeitige Diagnose wichtig – sie kann dabei helfen, die Behandlung und Versorgung von Patienten mit AADC-Mangel zu verbessern.1-3
Weitere Informationen finden betroffene Eltern sowie Fachkreise online unter https://aadc-mangel.de
Für Fachkreise finden Sie Informationen im Coliquio Infocenter zu seltenen Erkrankungen:
https://www.coliquio.de/wissen/seltene-erkrankungen-100
Quellen
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- Lee WT. Epilepsy & Seizure. 2010; 3(1): 147-153. https://doi.org/10.3805/eands.3.147 7 Krigger KW. Am Fam Physician. 2006; 73(1): 91-100.
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