Mit Herz und Hirn für die Tropen

(djd). Die Rainforest Alliance trat vor mehr als 25 Jahren an, um den astronomischen Abholzungsraten in den tropischen Wäldern Einhalt zu gebieten. „Damals verschwand pro Minute eine Fläche von 35 Fußballfeldern tropischer Wald unwiederbringlich“, erläutert Stuart Singleton-White, der für die NGO die Öffentlichkeitsarbeit in Europa und Asien koordiniert. „Bei dieser Geschwindigkeit zählt jeder gerettete Baum“. Ein Dutzend Aktivisten kam damals zur Überzeugung, dass man mit reiner Konfrontation zwar in die Nachrichten kommt, gleichzeitig aber wenig echte und nachhaltige Veränderung bewirken und den Wald somit auch nicht retten kann. Auf diese Veränderung kam es den Aktivisten aber an.

Zusammen mit befreundeten Experten entwarfen sie den ersten zertifizierbaren Standard für eine nachhaltige Forstwirtschaft, der auch viele weitere NGOs überzeugte und in den FSC, dem Forest Stewardship Council, mündete. „Wir mussten aber feststellen, dass der Wald in den Tropen und Subtropen zunehmend nicht nur für Forstprodukte fiel, sondern dass vor allem die Landwirtschaft das Ökosystem Wald bedrohte. Damals“, so Singleton-White, „gab es für eine verantwortungsvolle Landwirtschaft in den Tropen kein einziges Programm, bei dem der Erhalt von artenreichen und einzigartigen Regen- und Nebelwäldern im Fokus stand.“

Die Rainforest Alliance schloss sich daher anderen Umweltschutzgruppen aus Lateinamerika an, um einen Standard für die spezifischen Anforderungen von Kulturpflanzen in den Tropen zu entwickeln und vom Start weg alle drei Säulen der Nachhaltigkeit abzudecken: die Ökologie, das Soziale, die Wirtschaftlichkeit. „Man kann die Dinge ohnehin kaum voneinander trennen“, findet Singleton-White. „Gewässerschutz per se und Schutz von Trinkwasservorkommen im Speziellen – ist das nur ein ökologisches Thema oder ein Soziales? Es ist Beides.“ Ähnlich verhalte es sich bei der Bildung. Sie diene dem Umweltschutz, fördere gesellschaftliche Systeme z. B. in punkto Gleichberechtigung und -behandlung, beuge Diskriminierung vor und professionalisiere die Bauern in den Tropen, insbesondere in armen, von Entwicklung vernachlässigten Regionen und mache sie wirtschaftlich robuster. „Bildung ist also kein rein soziales Thema, sondern sie betrifft alle drei Bereiche der Nachhaltigkeit.“

„Wir sitzen tatsächlich zwischen den Stühlen“

Täglich erreichen die Organisation Anfragen unterschiedlichster Gruppen aus zahlreichen Ländern. Den Forderungen jeder Gruppe nachzukommen, ist ein Akt der Unmöglichkeit. Wenn die einen fordern, man solle mehr für die Artenvielfalt tun, wenden die anderen ein, dass der Organisation Affen, Vögel und auch Insekten wichtiger seien als die Menschen. Wieder andere wollen gleich ganze Patentlösungen, die für große Plantagen ebenso greifen wie für kleine Flächen. Denn obwohl die durchschnittliche Farmgröße unter allen zertifizierten Farmen gerade mal 3 Hektar ist, will sich die Rainforest Alliance die Chance nicht nehmen lassen, mit größeren Plantagen auch einen größeren Hebel betätigen zu können. „Wir sitzen tatsächlich zwischen den Stühlen – doch es allen recht machen, kann und sollte man sowieso nicht“, sagt Singleton-White, der vor seiner Tätigkeit für die Rainforest Alliance viele Jahre beim WWF in England beschäftigt war.

Über 50 Kulturpflanzen werden nach dem SAN-Standard angebaut

Wichtige agrarische Erzeugnisse sind Kaffee, Tee und Kakao, aber auch Bananen, Ananas, Zitrusfrüchte oder Gewürze. „Ananas sind eine echte Herausforderung“, sagt Singleton-White. „Mit umweltfreundlicheren Anbaumethoden beschäftigen sich manche Farmer erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.“ Oder wie der Gründer der Rainforest Alliance Chris Wille es einmal ausgedrückt hat: „Wir kommen oft erst zum Zug, wenn auf den Farmen fast nichts mehr geht, die Erosion vorangeschritten, der Grundwasserspiegel abgefallen und die Böden ausgelaugt sind.“

Natürlich könne man aus solchen Flächen nicht über Nacht und auch nicht in drei Jahren ein Ökoparadies machen. Stuart Singleton-White gibt zu bedenken: „Solche Flächen umzubauen und wieder einer naturnäheren Bewirtschaftung zuzuführen ist eine echte, Jahre währende Herkulesaufgabe, und natürlich gibt es auch Rückschläge.“ Aber wenn man sich dieser Flächen nicht annimmt, werden diese aufgegeben, um nebenan dieselben Fehler aufs Neue zu machen.

Insgesamt scheinen die Rainforest Alliance und ihre Umweltschutzpartner im SAN – zu denen auch Organisationen aus Europa und Afrika zählen – auf dem richtigen Weg zu sein.

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