(pur). Am 22. März , dem diesjährigen Weltwassertag, ernannte der Global Nature Fund (GNF) zum dritten Mal den „Lebendigen See des Jahres“ in Deutschland. Die Wahl fiel diesmal auf den Mindelsee, Kreis Konstanz, Baden-Württemberg. Begründet wird die Entscheidung für den Mindelsee folgendermaßen: „Der malerische Mindelsee auf dem Bodanrück-Hügelland nordöstlich von Radolfzell ist ein landschaftlich hervorragend wirksamer Zeuge der Eiszeit, gehört zu den ältesten Naturschutzgebieten Deutschlands und weist eine außergewöhnlich große Artenvielfalt auf. Die Betreuung des Schutzgebietes ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren im Naturschutz funktioniert.“
Am Mindelsee findet man nahezu 700 verschiedene Blütenpflanzen, 120 Moos- und mehrere Hundert Algenarten. Hinzu kommen Hunderte von Flechten, Pilzen und Farnen. Zu den Besonderheiten zählen 20 Orchideenarten, Schwalbenwurz-Enzian, Mehlprimel und Fettkraut. Mehr als 2.000 Tierarten fanden Zoologen im Naturschutzgebiet Mindelsee. Dazu gehören 594 Käfer-, 433 Schmetterlings-, 49 Libellen- und 10 Amphibienarten. Die weltweit gefährdete Moorente ist eine von mehr als 210 Vogelarten, die hier bislang beobachtet wurden. Der Mindelsee und seine Ufer stehen schon seit 75 Jahren unter Naturschutz; ausgewiesen wurde das Naturschutzgebiet am 15.08.1938. Seit vielen Jahren gehört das 459 Hektar umfassende Gebiet zum europäischen Netzwerk Natura 2000 und ist als Ramsar-Gebiet gemeldet.
Schutz und Gefährdung
Gefahren wie Absenkung des Wasserstandes oder Torfabbau gehören der Vergangenheit an. Auch einer weiteren Überdüngung des Mindelsees konnte durch den Bau einer Kläranlage in den 1960er Jahren entgegen gewirkt werden. Allerdings ist das Naturschutzgebiet Mindelsee nicht aus der „Gefahrenzone“, wie Schutzgebietsbetreuer und Projektleiter Kai-Steffen Frank deutlich macht. Die starke Nutzung des Schutzgebietes, das im touristisch intensiv erschlossenen Bodenseeraum liegt, schränkt die Ruhezonen für Tiere immer weiter ein. Hunde werden trotz Leinenzwang von ihren Besitzern in den Wiesen und Wäldern frei laufen gelassen. Die Wiederansiedelung bodenbrütender Vogelarten, die hier noch in den 1960er Jahren zahlreich vorkamen, wird damit fast unmöglich. Die notwendige Landschaftspflege zur Erhaltung der gefährdeten Flora und Fauna der Feuchtwiesen wird durch finanzielle und politische Vorgaben seit vielen Jahren immer wieder, so auch aktuell, erschwert. Die aufwändige und kostenintensive, aber notwendige Handmahd durch Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Freiwilligendiensten, die die naturschutznahe Nutzung früherer Jahrhunderte simuliert, wird durch neue Vorgaben des Landes zukünftig so nicht mehr möglich sein. „Wir sind sehr besorgt, inwieweit die sensiblen Pflanzen und Tiere der Moorwiesen rund um den Mindelsee durch maschinelle Großflächenmahd erhalten werden können oder gar gefährdet sind“, so Kai-Steffen Frank, seit über 20 Jahren zuständig für den Mindelsee.
Partnerschaft für den Naturschutz
1972 übernahm der BUND die Betreuung des Naturschutzgebietes. Im Auftrag des Regierungspräsidiums Freiburg erledigt er die vielfältigen Aufgaben vom Management der Landschaftspflege über die Erfassung von Pflanzen- und Tierarten bis zur Kommunikation mit den Medien und der Organisation von Ortsterminen und naturkundlichen Führungen. Zudem haben Hunderte von Zivildienstleistenden, Praktikantinnen und Praktikanten sowie ehrenamtlichen Helfern den BUND in den vergangenen 40 Jahren dabei unterstützt, einwandernde Pflanzenarten zurückzudrängen, Feuchtwiesen zu erhalten, Schilf und Büsche in ihrer Ausbreitung zu kontrollieren und somit aktiv zum Erhalt der einmaligen Landschaft beizutragen. Die Kooperation zwischen amtlichem Naturschutz und dem BUND sowie die enge Zusammenarbeit mit weiteren Fachbehörden, Kommunen, Landnutzern und der Wissenschaft haben sich hier hervorragend bewährt.
Hintergrundinformation zur Entstehung des Mindelseegebietes
Entwickelt hat sich das vielfältige Mosaik verschiedener Lebensräume im Mindelseegebiet, nachdem sich der Rheingletscher vor etwa 15.000 Jahren allmählich zurückzog. Durch natürliche Verlandungsprozesse – und gezielte Wasserabsenkungen – entstand aus dem ehemals fast neun Kilometer langen und mehrere Dutzend Meter tiefen Schmelzwasserstausee der heutige See mit seinen im Süden steil abfallenden Ufern und einer Fläche von etwa 115 Hektar. Im 19. Jahrhundert wurden der Mindelsee und die ausgedehnten Feuchtwiesen durch die Ausbeutung der Torflager rund um den See für die Gewinnung von Brenntorf bedroht. Die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt der Niedermoorwiesen hatte aber großes Glück. Die Torfgewinnung war räumlich und zeitlich begrenzt, so dass große Teile des einzigartigen Lebensraumes erhalten blieben. Durch Umnutzung sowie Intensivierung und Aufgabe der Nutzung ging in den letzten 150 Jahren trotzdem mehr als die Hälfte der ehemaligen Feuchtwiesen verloren. Dennoch entwickelte sich eine abwechslungs- und artenreiche Kulturlandschaft, die ihresgleichen sucht. Der Mindelsee ist ein gutes Beispiel dafür, wie stark auch die wenigen Kleinode unserer Kulturlandschaft bedroht sind und wie wichtig es ist, diese nachhaltig zu schützen und zu entwickeln.
Der Mindelsee ist seit 2009 Mitglied im Seennetzwerk Lebendige Seen Deutschland, das vom Global Nature Fund ins Leben gerufen wurde. Das Netzwerk ist Teil der erfolgreichen weltweiten Umweltinitiative „Living Lakes“, die durch den Global Nature Fund von Deutschland aus koordiniert wird. Im Mittelpunkt des Netzwerks stehen die dauerhafte und nachhaltige Entwicklung von Seen und Feuchtgebieten. Das Netzwerk schafft eine Plattform für den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Organisationen, die vor Ort für den Schutz der Gewässer aktiv sind. Unterstützt wird das Seennetzwerk Deutschland von der Anton & Petra Ehrmann-Stiftung. Mehr Informationen unter: http://www.globalnature.org/Netzwerk-Deutschland
Hintergrund Lebendiger See und Netzwerk Lebendige Seen Deutschland
Der Global Nature Fund nimmt den Weltwassertag zum Anlass, jährlich einen „Lebendigen See“ in Deutschland zu küren. Diese Aktion soll auf unsere Seen als wertvolle Ökosysteme und einzigartige Naturschätze aufmerksam machen. Die Initiative beruht auf den langjährigen, erfolgreichen Erfahrungen der internationalen Aktion „Bedrohter See des Jahres“ und soll zur Lösung von drängenden Problemen in Feuchtgebieten und an Seen beitragen.
Der Global Nature Fund
Der Global Nature Fund (GNF) ist eine internationale Stiftung für Umwelt und Natur. Die Stiftung ist staatlich unabhängig und verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Eine zentrale, von der Stiftung Global Nature Fund gestartete Initiative, ist das im Jahr 1998 gegründete internationale Seennetzwerk „Living Lakes – Lebendige Seen“, das sich weltweit für den Schutz von Seen und Feuchtgebieten einsetzt.