Jeder der rund 500 Stühle im größten Hörsaal der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist besetzt, wenn eine der halbjährlichen Promotionsfeiern stattfindet. In gespannter Erwartung freuen sich die Doktorandinnen und Doktoranden gemeinsam mit ihren Familienangehörigen und Freunden auf die Verleihung der Promotionsurkunden. Bei der jüngsten Feier am vergangenen Freitag erhielten insgesamt 122 Doktorandinnen und Doktoranden dieses Dokument. Darunter sind 56 Medizinerinnen und 38 Mediziner, sechs Zahnmedizinerinnen und ein Zahnmediziner, vier Naturwissenschaftlerinnen und zwölf Naturwissenschaftler, zwei Humanbiologinnen und ein Humanbiologe sowie zwei Doktorandinnen der Bevölkerungsmedizin. 13 Doktoranden haben „mit Auszeichnung“ abgeschlossen.
„Die Verleihung der Doktorwürde ist ein wichtiger Meilenstein der beruflichen Karriere. Die Wissenschaft von heute ist die Heilkunst von morgen. Dazu haben Sie mit Ihrer Promotion beigetragen“, sagte MHH-Präsident Professor Dr. Christopher Baum. Darüber hinaus waren zu dieser Feier erstmals auch Mediziner gekommen, die zu den Ersten gehören, die an der MHH promoviert haben. Sie bekamen eine goldene Promotionsurkunde überreicht. Ein Ensemble des MHH-Symphonieorchesters unter der Leitung von Volker Worlitzsch sorgte für den musikalischen Beginn und den Ausklang der Veranstaltung.
Goldene Promotion
„1971 haben wir die erste Station der MHH eröffnet und zur Übung an leeren Betten den Kontakt zu den Patienten und ihre Behandlung simuliert“, erinnert sich Professor Dr. Klaus Gahl, der im Jahr 1966 als Erster an der 1965 eröffneten MHH promoviert hat. Er hatte in Marburg studiert und war seinem akademischen Lehrer Professor Dr. Fritz Hartmann nach Hannover gefolgt, dem inzwischen verstorbenen ersten gewählten Rektor der MHH.
Bis 1968 promovierten insgesamt 13 Ärztinnen und Ärzten an der MHH. Sieben von ihnen waren zur Verleihung der goldenen Promotionsurkunde am 16. November 2018 gekommen – was teilweise auch mit viel gegenseitiger Wiedersehensfreude verbunden war, da sich einige von ihnen früher gut gekannt, dann aber aus den Augen verloren hatten. Zuvor hatten einige der Gäste an einem eigens für sie zusammengestellten Rahmenprogramm teilgenommen: Professor Baum hat ihnen einen Überblick über den Wandel der Hochschule im Laufe der Jahrzehnte gegeben und MHH-Studiendekan Professor Dr. Ingo Just hatte über den Modellstudiengang „Hannibal“ und die Perspektiven des Humanmedizinstudiums berichtet. Zudem haben die Gäste das Skills Lab der MHH angeschaut – spezielle Räume, in denen angehende Medizinerinnen und Mediziner Untersuchungs- und Kommunikationstechniken lernen können. Tobias Buchacker und Dana Barchfeld vom AStA der MHH haben die Gäste begleitet. „Es ist unglaublich, wie sich diese Hochschule verändert hat. Es ist ein riesiges Areal geworden. Ich bin überwältigt von der Entwicklung der Wissenschaft und der Struktur dieser Hochschule“, sagte Professor Gahl.
Promotionspreise
Zwei der 122 Doktorandinnen und Doktoranden erhielten bei der Promotionsfeier je einen mit 2.500 Euro dotierten Dissertationspreis: Dr. Catherin Sophie Weber, MHH-Institut für Toxikologie, und Dr. Johannes Nordlohne, MHH-Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen. MHH-Forschungsdekanin Professorin Dr. Denise Hilfiker-Kleiner überreichte die Auszeichnungen gemeinsam mit Dr. Cornelia Goesmann, Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde der MHH e.V.
Die Gesellschaft stiftet die Preise, die seit mittlerweile 43 Jahren vergeben werden. „Die Promotionspreise sind ein besonders Signal an unseren talentiertesten Nachwuchs“, sagte Professor Baum.
Dr. Catherin Sophie Weber (geb. Rumpel) beschäftigte sich in ihrer Promotionsarbeit mit Botulinum-Nervengiften, die auch als Wirkstoff von BoTox® bekannt sind. Diese Gifte verursachen, wenn sie beispielsweise mit verdorbenem Fleisch aufgenommen werden, die lebensbedrohliche Vergiftung Botulismus, bei der die Muskeln erschlaffen. Dr. Weber ging der Frage nach, wie es die Gifte auf dem Weg zu den Muskeln schaffen, unbeschadet den Magen-Darmtrakt zu passieren – denn normalerweise müssten sie dabei in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden. Sie fand heraus, in welcher Weise das Nervengift mit dem nicht-giftigen Eiweiß NTNHA einen Eiweißkomplex ausbildet, den so genannten M-PTC. Die Ausbildung dieses Komplexes schützt das Gift und ermöglicht die Passage durch den Magen-Darmtrakt. Die Ergebnisse ihrer Dissertation liefern unter anderem Erkenntnisse für die zukünftige Entwicklung von Medikamenten, die über den Mund aufgenommen werden, aber im Magen und Darm nicht zerlegt werden sollen – damit sie unbeschadet am Ort ihrer Bestimmung wirken können.
Dr. Johannes Nordlohne entdeckte im Rahmen seiner Promotion einen neuen Ansatz zur Behandlung von Atherosklerose bei Patienten mit reduzierter Nierenfunktion. Diese Patienten haben ein erhöhtes Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben. Das liegt vor allem an Atherosklerose, durch die sich Schlagadern verdicken, Blutgefäßwände instabil werden und Blutgerinnsel entstehen. Atherosklerose wird durch Rauchen, Blutfette und chronische Entzündung verstärkt. Doch bisher war noch nicht bekannt, ob Entzündungsprozesse durch eine eingeschränkte Nierenfunktion beeinflusst werden. Dr. Nordlohne untersuchte dies an einem Tiermodell. So konnte er zeigen, dass der Entzündungs-Botenstoff Interleukin-17A (IL-17A) und das Molekül CX3CR1 dazu führen, dass sich mehr Fresszellen in die Blutgefäßwand einlagern und die Atherosklerose verschlimmern. Eine Behandlung mit einem IL-17A-neutralisierenden Antikörper reduzierte die Entzündungszellen in den Gefäßen trotz bereits bestehender Atherosklerose und eingeschränkter Nierenfunktion.