Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) gehört zu den weltweit führenden Kunstherz-Zentren. Jedes Jahr werden an der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie rund 100 dieser Herzunterstützungssysteme implantiert. Die Kunstherz-Patienten stehen im Fokus des neuen internationalen Telemonitoring-Projekts „ITEA3 Projekt Medolution – Medical Care Evolution“. In Medolution arbeiten verschiedene Partner aus Deutschland, Frankreich, Türkei und Kanada gemeinsam an einer technisch gestützten Fernüberwachung von Patienten. Die MHH-Klinik mit dem Bereich Herzunterstützungssysteme ist einer der deutschen Partner bei dem Vorhaben. Das deutsche Teilprojekt hat ein Volumen von 4,8 Millionen Euro und wird mit 3,15 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
„Bei Kunstherzen handelt es sich um mechanische Pumpen, die das Herz des Patienten dabei unterstützen, Blut in den Körper zu pumpen und so die Organe mit dem nötigen Sauerstoff zu versorgen“, erklärt Privatdozent Dr. Jan Schmitto, Bereichsleiter Herzunterstützungssysteme und Herztransplantation der Klinik. Weil es zu wenig Spenderherzen gibt, werden diese Systeme zunehmend als Dauerlösung implantiert. Das Ziel ist es, Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz wieder ein möglichst normales Leben führen zu lassen. Ein umfassendes IT-gestütztes Telemonitoring soll dabei helfen, den Betroffenen auch zu Hause eine angemessene medizinische Unterstützung zu gewährleisten. Im Projekt Medolution werden die softwaretechnischen Voraussetzungen für die neuartige medizinische Anwendung geschaffen. Hierzu entwickeln die deutschen Projektpartner, zu denen neben der Klinik auch die Schüchtermann-Klinik Bad Rothenfelde sowie IT-Unternehmen und Hochschulen gehören, sogenannte Big Dependable Systems (BDS). In diesen Systemen werden verschiedene Techniken wie Sensoren, Mobilfunk- und Cloud-Dienste sowie Big Data-Verarbeitungen so vereinigt, dass der Träger eines Herzunterstützungssystems auch aus der Ferne optimal überwacht werden kann.
Ein Kunstherz wird in die linke Herzkammer eines Patienten eingesetzt. Betrieben wird das Gerät mittels Strom. Ein Kabel verbindet das Kunstherz mit der Steuerelektronik und den Batterien, die der Patient außerhalb des Körpers in einer Tasche trägt. „Die Technik für das Telemonitoring wird in die Steuerelektronik integriert“, erklärt Dr. Schmitto, „der Patient braucht kein Zusatzgerät.“ Im Sinne erhöhter Sicherheit für die Patienten verspricht sich der Herzchirurg von der neuen IT-Technik vor allem detaillierte Angaben zur Fließgeschwindigkeit des Blutes (Liter pro Minute), zum Energieverbrauch des Gerätes sowie zum sogenannten Puls-Index der Pumpe. Durch die Überwachung auf Distanz sollen mögliche Probleme früh erkannt, Komplikationen reduziert und erneute Krankenhausaufenthalte vermieden werden. Ein weiterer Vorteil, besonders für Patienten in ländlichen Gebieten, ist, dass sie seltener zu den routinemäßigen Kontrollen in der Klinik kommen müssen. Sollte es zu Problemen mit dem Kunstherzsystem kommen, würde die Klinik automatisch per E-Mail benachrichtigt und könnte direkt telefonische Rücksprache mit dem Patienten halten. Je nach Problemlage könnten dann einstudierte Notfall-Algorithmen ausgelöst werden. Professor Dr. Axel Haverich, Direktor der MHH-Klinik, sieht große Chancen in dem Medolution-Projekt: „Diese Form des Telemonitorings ist bislang einzigartig und innovativ, könnte aber langfristig bei ständig wachsenden Patientenzahlen zu einem Standard werden. Daher ist es für die MHH, aber auch für den gesamten Wissenschaftsstandort Deutschland von hoher Relevanz, in dieser Pionierzeit des Kunstherzbereiches maßgeblich mitzuwirken.“
Weitere Informationen erhalten Sie bei PD Dr. Jan Schmitto, Telefon (0511) 532-3453, schmitto.jan@mh-hannover.de.