Trotz dessen, dass die Erbkrankheit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) die häufigste Muskelerkankung ist, zählt sie zu den seltenen Erkrankungen. DMD tritt bei etwa 1 von 3.600 bis 6.000 neugeborenen Jungen auf. Erste Anzeichen einer DMD können sich bereits im Kleinkindalter zeigen.
Betroffen sind in unserem Nachbarland Österreich ungefähr 220 Personen – primär Jungen, die bereits ab dem 15. Lebensjahr im Rollstuhl sitzen. Dabei ist die größte Herausforderung der Erhalt der Lebensqualität. Um eben diese stets zu verbessern, gibt es in Österreich nun eine landesweite Umfrage.
Die unheilbare Diagnose ist für Eltern und Kinder ein gemeinsamer Leidensweg. Denn bis die Diagnose letztlich von Ärztinnen und Ärzten gestellt wird, kann mitunter viel Zeit vergehen. Zeit und die Suche nach Antworten, die Kraft kosten. Wird die Diagnose gestellt, so bedeutet dies für die betroffenen Eltern, dass sie ihr Kind nicht mehr gesund aufwachsen sehen werden. Stattdessen müssen sie sich auf neue Herausforderungen und Aufgaben einstellen. Der Alltag muss neu durchdacht werden. „Nicht nur für die Betroffenen, auch für ihre Familien, stellt die Bewältigung des Alltags eine besondere Herausforderung dar“, dies bestätigt auch Prim. Univ.Prof. Dr. Günther Bernert, Präsident der Österreichischen Muskelforschung und ärztlicher Leiter der Kinder- und Jugendheilkunde mit Muskelambulanz am Klinikum Favoriten in Wien.
Lebensqualität als messbarer Wert zum Nachweis des Therapieerfolges
In besonderer Weise spielt das Thema Lebensqualität gerade bei Duchenne Muskeldystrophie-Betroffenen eine wichtige Rolle. Die Österreichische Muskelforschung und die Patientenorganisation „Verein Marathon“ haben in diesem Zusammenhang eine Umfrage erstellt, die sich genau mit diesem relevanten Thema auseinandersetzt: wie haben Familien erste Verdachtsmomente und den Zeitpunkt der Diagnose erlebt, wie sind die Lebensumstände und welche Faktoren können die Lebensqualität positiv beeinflussen.
Durch die Früherkennung sowie kausale Therapiemaßnahmen kann die Lebensqualität bei Duchenne Muskeldystrophie (DMD) Patienten gefördert werden. Denn: wenn es gelingt, die Gehfähigkeit so lange wie möglich zu erhalten, kann auch das Fortschreiten der Erkrankung verzögert werden. Durch frühzeitig einsetzende Maßnahmen besteht die Chance, den Symptomen entgegenzuwirken und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.
Nur wenn auch die nicht spezifischen Symptome von DMD, wie späteres freies Gehen oder Verzögerung der Sprachentwicklung, bekannt sind, kann rechtzeitig mit einer Lebenserwartung verlängernden und Lebensqualität steigernden Therapie begonnen werden. Zusätzlich zur Identifizierung der Symptome kann die Bestimmung eines einfachen Laborwertes, der Kreatinkinase (CK), Aufschluss geben. Ist der CK-MM Wert (der CK Wert in den Muskelzellen des Bewegungsapparats) deutlich erhöht, empfiehlt sich die weitere Abklärung durch einen Neuropädiater.
„Erst in den letzten zwei Jahrzehnten konnte die Prognose der Betroffenen durch respiratorische, kardiale, orthopädische und rehabilitative Maßnahmen sowie einer Therapie mit Kotikosteroiden verbessert werden“, erklärt Prim. Univ.Prof. Dr. Bernert weiter. Die seit Ende 2014 erstmalig zugelassene kausale Therapie der DMD für Träger einer Nonsense Mutation (10 – 13 % aller DMD-Patienten), steht seit Juli 2018 auch für diese Patienten bereits ab dem Alter von zwei Jahren zur Verfügung. Laut einer aktuellen Empfehlung des Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) macht die Fortsetzung dieser Therapie auch bei Verlust der Gehfähigkeit Sinn, vor allem in Bezug auf die Atmung unterstützende Muskulatur. „Studien haben gezeigt, dass bei nicht mehr gehfähigen DMD Patienten die Lungenfunktion bis zu vier Jahre länger erhalten werden konnte, was einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität leistet“, sagt Bernert.
Dringender Bedarf von Casemanagement Positionen an neuromuskulären Spezialambulanzen in Österreich
Neben einer bestmöglichen medizinischen Versorgung leistet auch die psychosoziale Unterstützung der Betroffenen und ihrer Familien einen großen Beitrag zur Lebensqualität. Dies wurde in einer aktuellen Umfrage in Österreich zur Lebenssituation mit DMD bestätigt. Die Herausforderung ist jedoch auch heute noch, dass es gerade in diesem Bereich an ausreichenden Angeboten mangelt. Das sogenannte Casemanagement kann hier an den neuromuskulären Spezialambulanzen eine wichtige Funktion übernehmen. Beim Casemanagement handelt es sich darum, dass eine Casemanagerin bzw. ein Casemanager Familien mit einem DMD Kind bzw. die erwachsenen Betroffenen begleitet und betreut. Die Unterstützung umfasst dabei alle Dinge, die über die medizinische Versorgung / Betreuung hinausgeht, für den Therapieerfolg jedoch von Relevanz ist. Auf Nachfrage bei der Österreichischen Muskelforschung verweist man auf den dringenden Bedarf an Casemanager*innen an neuromuskulären Spezialambulanzen in Österreich. Notwendige Positionen sollten alsbald geschaffen und die Finanzierungsfrage geklärt werden – nicht nur in Bezug auf die Versorgung und den Ausbau des Unterstützungs-Angebots von DMD-Betroffenen.
Arbeitsgebiete und Aufgaben der Casemanagerin / des Casemanagers
- Ansprechpartner*in, Koordinator*in und Vermittler*in für betroffene Familien wie zum Beispiel bei:
- Einhaltung von Kontrollterminen
- Hilfe bei Anträgen auf finanzielle Unterstützung (Heilmittelzuschüsse, Pflegegeld..)
- Unterstützung bei der Suche nach dem passenden Schulplatz etc. sowie bei psychischen Belastungen
- Insgesamt: Entlastung des medizinischen Personals
- Begleitung von Patienten, wenn sie aufgrund ihres Alters von der kindermedizinischen Betreuung in die Erwachsenenmedizin wechseln
In Deutschland startet das Pilotprojekt „Patientenlotse“
Seit knapp 18 Monaten läuft auch in Deutschland ein Pilotprojekt mit dem Titel „Patientenloste“; Projektträger ist die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. An fünf neuromuskulären Spezialambulanzen in Deutschland soll so die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien verbessert werden; die Evaluierung erfolgt durch die Universität Freiburg. Das Angebot soll weiter ausgebaut werden, sodass aktuell Personal für ein weiteres Patientenlotsen-Projekt an einer sechsten Einrichtung gesucht wird.
Ziel ist, die Finanzierung der Patientenlotsen, möglichst durch die öffentliche Hand zu gewährleisten. Die Patientenlotsen sollten zu einer Einrichtung werden, die Betroffenen wertvolle Unterstützung neben der Therapie gibt. Der Bedarf ist da, wie die letzten eineinhalb Jahre zeigen (siehe Präsentation im Anhang).