Ist eine orale Antikoagulation (OAK) indiziert, werden nach den Leitlinien kardiologischer und neurologischer Fachgesellschaften die neuen oralen Antikoagulanzien [1] (NOAK) gegenüber Vitamin-K-Antagonisten (VKA) aufgrund des günstigeren Nutzen-Risiko-Profils bevorzugt empfohlen. (1,2) In einer Metaanalyse großer Phase-III-Studien reduzierten NOAK das Risiko für Schlaganfälle und systemische Embolien im Vergleich zu VKA um relative 19 % (HR 0,81 (95%KI 0,73-0,91), p < 0,0001). Insgesamt zeigte sich darüber hinaus eine signifikant niedrigere Gesamtsterblichkeit (p = 0,0003) sowie eine geringere Inzidenzrate an intrakraniellen Blutungen (p < 0,0001) bei jedoch höherer Inzidenzrate an gastrointestinalen Blutungen (p = 0,04). (3) In ROCKET AF verhinderte Rivaroxaban Schlaganfälle und systemische Embolien ebenso gut wie Warfarin (primärer Wirksamkeitsendpunkt, Inzidenzrate 2,1% vs. 2,4 % pro Jahr, p < 0,001 für Nichtunterlegenheit). Der primäre Sicherheitsendpunkt war die Kombination aus schweren und klinisch relevanten nicht schweren Blutungen, die Inzidenzraten betrugen 14,9 % (Rivaroxaban) und 14,5 % (Warfarin) pro Patientenjahr (p = 0,44). Auch hinsichtlich der Inzidenz schwerer Blutungen (sekundärer Endpunkt) waren die beiden Regime vergleichbar (3,6 % vs. 3,4 % pro Patientenjahr, p = 0,58). Allerdings traten unter Rivaroxaban signifikant seltener intrakranielle (0,5 % vs. 0,7 % pro Patientenjahr, p = 0,02) und tödliche Blutungen (0,2 % vs. 0,5 % pro Patientenjahr, p = 0,003) (sekundäre Sicherheitsendpunkte) auf. (4) (Time in therapeutic range im VKA-Arm: 55 % )
[1] auch als „nicht Vitamin-K abhängige orale Antikoagulantien“ bezeichnet
Patienten in ROCKET AF: höchster Chads2-Score im Vergleich zu anderen NOAK-Zulassungsstudien
Diese Ergebnisse gewinnen zusätzliche Bedeutung dadurch, dass die Patienten, die in ROCKET AF eingeschlossen wurden, ein höheres Risiko nach Chads2-Score-Einteilung für Schlaganfälle aufwiesen als jene in anderen NOAK-Zulassungsstudien wie RELY (5), ARISTOTLE (6) und ENGAGE (7) (CHADS2-Scores 3,5 vs. 2,1 vs. 2,1 vs. 2,8). Darüber hinaus bestätigten zahlreiche Subgruppenanalysen der ROCKET AF-Studie, dass ältere Patienten, (8) Patienten mit moderater Niereninsuffizienz, (9) Diabetes mellitus, (10) Herzinsuffizienz(11) sowie Schlaganfall (12) und Myokardinfarkt (13) in der Anamnese ebenso von Rivaroxaban profitierten wie das Gesamtkollektiv. Patienten in klinischen Studien werden nach strengen Ein- und Ausschlusskriterien selektiert und nach einem einheitlichen Protokoll behandelt. Die Ergebnisse lassen sich daher nur begrenzt auf den Praxisalltag übertragen. Aus diesem Grund ist es wichtig zu prüfen, wie sich eine Therapie in der Routineversorgung bewährt.
Dresdner NOAC-Register mit Rivaroxaban im Praxisalltag
Für Rivaroxaban liegen Daten aus dem Praxisalltag bei nicht valvulärem Vorhofflimmern bereits aus dem Dresdner NOAC-Register (14) sowie aus einer großen US-Pharmakovigilanzstudie (15) vor. Die Inzidenzraten schwerer Blutungen unter Rivaroxaban betrugen darin 3,1 % bzw. 2,9 % pro Patientenjahr und bestätigten somit die niedrigen Raten der ROCKET AF-Studie. Weitere Evidenz kommt nun von der kürzlich veröffentlichten Phase-IV-Studie XANTUS. (16)
XANTUS – Studie zu Sicherheit und Wirksamkeit von Rivaroxaben unter Alltagsbedingungen
XANTUS ist die erste internationale, prospektive Studie eines NOAK zur Schlaganfall-Prophylaxe bei nicht valvulärem VHF, die von Bayer in Abstimmung mit der europäischen Gesundheitsbehörde EMA (European Medicines Agency) konzipiert wurde, um die Sicherheit und Wirksamkeit von Rivaroxaben unter Alltagsbedingungen zu untersuchen. Patientendaten wurden beim Erstbesuch, ggf. bei der Entlassung aus dem Krankenhaus und anschließend alle drei Monate erhoben. Die Abschlussuntersuchung erfolgte nach einem Jahr, bei vorzeitigem Therapieende 30 Tage nach der letzten Gabe. Primäre Endpunkte waren schwere Blutungen (nach den Kriterien der International Society on Thrombosis and Haemostasis, ISTH), die Gesamtmortalität sowie alle weiteren unerwünschten Ereignisse. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem symptomatische Thromboembolien, zu denen Schlaganfälle, systemische Embolien, transitorische ischämische Attacken und Myokardinfarkte zählten. Darüber hinaus wurden nicht schwere Blutungsereignisse, Therapiepersistenz und -zufriedenheit der Patienten erhoben.
In die Auswertung gingen die Daten von 6.784 Patienten ein. Ihr medianes Alter betrug 71,5 Jahre, ihr medianer CHADS2- bzw. CHA2DS2VASc-Score 2,0 bzw. 3,4.
Schwere Blutungen ereigneten sich mit einer Inzidenzrate von 2,1 % pro Patientenjahr, wobei die meisten Ereignisse konservativ behandelt werden konnten. Bei 0,8 % der Patienten wurden ≥ 2 Einheiten Erythrozyten oder Vollblut als Konserven transfundiert und nur in zwei Fällen wurde z.B. der Einsatz eines Prothrombin-Komplex-Konzentrates (PPSB) dokumentiert. Die Inzidenzraten für die Gesamtmortalität und für Thromboembolien betrugen 1,9 % und 1,8 % pro Patientenjahr. Bei 96,1 % der Patienten traten weder schwere Blutungen, symptomatische thromboembolische Ereignisse noch Tod jeglicher Ursache auf.
Fazit
Die Ergebnisse der XANTUS-Studie bestätigen jene aus der Phase-III-Studie ROCKET AF sowie dem Dresdner NOAC-Register und unterstreichen den Nutzen von Rivaroxaban im Praxisalltag.
Zu einem effektiven Schutz vor Schlaganfällen trägt nicht zuletzt auch die hohe Therapiepersistenz der Patienten unter der Rivaroxaban-Therapie bei. Sie betrug in XANTUS nach einem Jahr rund 80 %. Darüber hinaus gaben ca. 75 % der Patienten an, dass sie mit der Therapie sehr zufrieden oder zufrieden waren. (L.DE.COM.GM.03.2016.2773)
Quellen
- Camm AJ et al. Eur Heart J 2012; 33: 2719-2747
- S3-Leitlinie ‘Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke’, Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 2015
- Ruff C. et al. Lancet 2014; 383: 955-962
- Patel MR et al. N Engl J Med 2011; 365: 883-891
- Connolly SJ et al. N Engl J Med 2009; 361: 1139-1151
- Granger CB et al. N Engl J Med 2011; 365: 981-992
- Giugliano RP et al. N Engl J Med 2013; 369: 2093-2104
- Halperin JL et al. Stroke 2012; 43: A148
- Fox KAH et al. Eur Heart J 2011; 32 (19): 2387-2394
- Halperin JL et al. AHA 2012; Abstract 15544
- van Diepen S et al. Circ Heart Fail 2013; Jul 1; 6(4): 740-747
- Hankey G et al. Lancet 2012; 11: 315-322
- Mahaffey, KW et al. Eur Heart J 2014; 35: 233-241 doi:10.1093/eurheartj/eht428
- Beyer-Westendorf J et al. Blood 2014; 124(6): 955-962
- Tamayo S et al. Clin Cardiol 2015; 38(2): 63-68
- Camm AJ et al. Eur Heart J 2015 doi:10.1093/eurheartj/ehv466
