Kreisverkehr im Lymphknoten

Eine Tochterzelle beginnt schon mit der Produktion von Antikörpern, während die andere versucht, ihre Antikörper weiter zu verbessern. Diese Ergebnisse veröffentlichen die Forscher in der kommenden Ausgabe der Fachzeitschrift Cell Reports.

Zur Abwehr einer Infektion mit Viren oder Bakterien oder nach einer Impfung bildet unser Immunsystem Antikörper als langfristig wirksame Waffe. Antikörper werden von so genannten B-Zellen in den Lymphknoten hergestellt. In bestimmten Bereichen der Lymphknoten, den Keimzentren, durchlaufen diese B-Zellen vorher einen Auswahlprozess.

Die Immunzellen vermehren sich, mutieren und verändern dabei ihre Antikörper. Das Immunsystem prüft dann, ob diese Mutationen eine bessere Immunabwehr liefern – falls ja, wählt es die betreffenden Zellen aus. Am Ende steht die Produktion von optimierten Antikörpern, die effizient an den jeweiligen Erreger binden können und ihn so unschädlich machen oder für Fresszellen markieren. „In einem evolutionären Prozess wechselt sich eine zufällige Veränderung durch Mutation mit einer Selektion, also der Auswahl des besten Kandidaten, ab“, erklärt Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung System-Immunologie am HZI und Professor für Systembiologie an der Technischen Universität Braunschweig. „Wir nennen dies die Recycling-Hypothese.“ So stellt das Immunsystem sicher, dass es Antikörper mit einer optimalen Wirksamkeit gegen den zu bekämpfenden Krankheitserreger bildet.

Dieser Vorgang der Antikörperoptimierung wurde experimentell vor anderthalb Jahren sehr genau von Forschern aus New York in Kooperation mit dem HZI beschrieben. Bisher war allerdings unklar, wie der Wechsel zwischen Mutation und Selektion abläuft. „Es gibt seit langem Diskussionen darüber, ob man sich dies wie eine Einbahnstraße oder eher wie einen Kreisverkehr vorstellen muss“, sagt Meyer-Hermann. Als Erstautor der Studie hat Meyer-Hermann die experimentellen Ergebnisse seiner Kollegen mathematisch analysiert und festgestellt, dass die damaligen Messungen nur mit dem Bild des Kreisverkehrs vereinbar sind.

Forscher aus London haben Anfang dieses Jahres gezeigt, dass die Teilung der B-Zellen asymmetrisch ist, also zu ungleichen Tochterzellen führt. Die Funktion dieser asymmetrischen Teilung blieb zunächst unklar. Meyer-Hermanns Analysen legen nahe, dass eine Tochterzelle das Keimzentrum verlässt und mit der Antikörperproduktion beginnt während die andere eine weitere Runde der Mutation und Selektion im Keimzentrum dreht. Das mathematische Modell verdeutlicht den Vorteil davon: Während eine schon recht spezifische Zelle bereits Antikörper produziert, bleibt eine identische Tochterzelle zurück, die in der nächsten Runde noch weiter optimiert werden kann. Im Vergleich zur symmetrischen Teilung wird die zehnfache Menge Antikörper gebildet. Zusätzlich wird die Information über einen erfolgreichen Antikörper durch die im Keimzentrum verbleibende Zelle gespeichert und dadurch der Optimierungsprozess schneller abgeschlossen. Michael Meyer-Hermann erklärt: „Dieser Zeitgewinn bei der Antikörperproduktion kann im Fall einer gefährlichen Infektion lebensrettend sein.“

Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern.

Die Abteilung System-Immunologie des HZI unter der Leitung von Prof. Michael Meyer-Hermann befasst sich mit der mathematischen Modellierung von immunologischen Fragestellungen. Die Abteilung ist Mitglied des Braunschweig Integrated Centre for Systems Biology (BRICS), eines gemeinsam von HZI und TU gegründeten neuen Forschungszentrums für Systembiologie.

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