Krebsbedingte Müdigkeit bei Kindern und Jugendlichen ist kaum erforscht. Dabei beeinflusst sie den Alltag der Betroffenen und ihrer Familien stark. Ein Team um Roman Crazzolara von der Universitätsklinik für Pädiatrie I hat nun Daten der Innsbrucker ePROtect-Studie* ausgewertet. Sie untersuchten Daten aus vier Jahren.
„Wir konnten erstmals genau beschreiben, wie sich körperliche Fatigue während einer Krebserkrankung und unter Chemo- oder Immuntherapie verändert. Unsere Ergebnisse helfen, Belastungsspitzen besser zu erkennen und gezielt zu behandeln“, erklärt Roman Crazzolara. Alexander Tilg war Erstautor der Studie. Er arbeitete mit Kolleg:innen wie Stefan Kuhle und Andreas Meryk zusammen. Die Kinderkrebshilfe Tirol und Vorarlberg sowie die Kinderhilfe Regenbogen Südtirol unterstützten die Studie. Sie erschien kürzlich im renommierten Lancet-Journal eClinicalMedicine.
Patient:innenperspektive im Fokus
Die ePROtect-Studie erfasste von Mai 2020 bis Dezember 2024 regelmäßig Symptome. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre meldeten diese über die ePROtect-App. Eltern unterstützten, je nach Alter des Kindes. „Uns lagen über 11.000 persönliche Einschätzungen vor. Die Patient:innen bewerteten ihr Befinden auf einer Skala von 0 (sehr starke Fatigue) bis 100 (keine Fatigue). So konnten wir Symptome im Behandlungsalltag genau dokumentieren. Wir ordneten sie krankheits- und therapiebezogen zu“, berichtet Erstautor Alexander Tilg. Dieser Ansatz ist einzigartig. Er spiegelt den Schwerpunkt der Innsbrucker Kinderonkologie wider: Die Perspektive junger Patient:innen fließt direkt in den Behandlungsprozess ein.
Immuntherapie als Gamechanger gegen Fatigue
Die zentrale Erkenntnis: Fatigue verläuft wellenförmig. Sie unterscheidet sich je nach Erkrankung und Therapieabschnitt. Besonders stark ist die körperliche Erschöpfung bei Non-Hodgkin-Lymphomen und akuter myeloischer Leukämie. Bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL, Nicht-Hochrisiko) zeigte sich: Anfangs leiden die Patient:innen stark unter Fatigue. In der Konsolidierungsphase erholen sie sich. Nach einer Glukokortikoid-Gabe (Immunsuppressiva) bricht die Verfassung jedoch stark ein. „Unsere Analyse zeigt deutlich, dass Glukokortikoide die Fatigue messbar verschlechtern. Unter Immuntherapie, wie der Antikörpertherapie mit Blinatumomab, verbessert sich der Zustand hingegen erheblich“, beschreibt Tilg die wichtigen Ergebnisse.
Gezieltes Training lindert Müdigkeit
Aus den Daten leitete die Kinderklinik Innsbruck bereits konkrete Schritte ab. Ein Pilotprojekt startete. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Sportwissenschaft der Leopold-Franzens Universität Innsbruck wurden Kinder in Phasen erhöhter Fatigue gezielt gestärkt. Gezieltes körperliches Training, wie Kraftübungen, half physisch und psychisch. Dem abgeschlossenen Pilotprojekt folgt bald eine klinische Interventionsstudie. Sie soll strukturierte Bewegungs- und Kraftprogramme wissenschaftlich überprüfen. „Parallel dazu bauen wir die telemedizinische Begleitung aus. Sie stärkt die Eigenverantwortung (Self-Empowerment) und das Selbstmanagement der Patient:innen. Eine breitere technische Umsetzung und die Kooperation mit weiteren kinderonkologischen Zentren sind geplant“, so Crazzolara.
Das Konzept hilft, Fatigue besser zu verstehen und effektiv zu reduzieren. Es verbessert die Lebensqualität junger Patient:innen spürbar. Längerfristig könnte es auch ein Modell für erwachsene Patientengruppen sein.
- ePROtect: Die Innsbrucker Univ.-Klinik für Pädiatrie I entwickelte unter Roman Crazzolara ein Telemonitoring-Programm. Alle jungen Krebspatient:innen der hämatologisch-onkologischen Station können teilnehmen. Täglich füllen sie über eine App einen Online-Fragebogen zu ihrem Befinden aus. Die Angaben fließen dann in die Behandlung ein.
Weitere Informationen
https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2025/59.html Pressebilder zum Download
Originalpublikation
https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2025.103607
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