Das Gericht erkennt an, dass die Überwachung auf der Stroke Unit dazu dient, die Gefahr eines Schlaganfallrezidivs rechtzeitig zu erkennen und ihr entgegenzuwirken. Das Gericht bezieht sich im Weiteren auf eine Stellungnahme der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft (DSG) von Prof. Dr. Dr. Bernd Ringelstein vom 22.12.2008, in der er zur Frage der Dauer des multimodalen Monitorings unter anderem feststellt, dass der Prozentsatz der Patienten, die ein Monitoring über 72 Stunden benötigen, sehr stark vom Schweregrad des Schlaganfalls zu Beginn der Behandlung (z.B. gemessen mit Hilfe der NIH-Stroke Scale) bestimmt wird. Das Gericht weist darauf hin, dass eine aktuelle Stellungnahme zu diesem Problem von den Fachgesellschaften nicht vorliegt.
Hierzu ist festzustellen, dass die Dauer des Aufenthalts auf der Stroke Unit und die entsprechende Abrechnung sich keinesfalls nur nach dem Schweregrad des Schlaganfalls richten darf. Der Schweregrad des Schlaganfalls lässt allein keine Aussage zum Rezidivrisiko zu; insofern muss der oben angeführten Stellungnahme widersprochen werden.
Auch beim leichten Schlaganfall und einer transitorisch ischämischen Attacke können Konstellationen vorliegen, die einen Aufenthalt von mehr als 72 Stunden rechtfertigen bzw. unbedingt erforderlich machen. Das Rezidivrisiko hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wie sie beispielsweise im ABCD-Score zusammengefasst sind (Lancet 2005; 366: 29–36). Hier sind das Alter der Patienten, der Blutdruck, die klinische Manifestation und die Dauer der Symptomatik die relevanten Prädiktoren für ein frühes Rezidiv.
In einer kürzlich erschienenen Publikation (Ak. Neurol. 2017; 44: 15–18), die ausdrücklich die Auffassung der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) widergibt, wurde daher versucht, Kriterien für einen Aufenthalt von mehr als 72 Stunden zu definieren. Gerade bei einem moderaten ebenso wie bei einem leichten Schlaganfall oder einer transitorisch ischämischen Attacke gibt es für den Patienten oft viel zu verlieren. Ein vorliegendes Risiko bezüglich eines Rezidivschlaganfalls mit bleibenden Folgen, einer Symptomverschlechterung oder anderen Komplikationen kann somit durchaus eine Liegedauer von mehr als 72 Stunden rechtfertigen bzw. notwendig machen. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass Patienten mit unterschiedlichem Schweregrad des neurologischen Defizits neben der Überwachung auch von der intensiven multimodalen Therapie von mehr als 72 Stunden auf der Stroke Unit profitieren. In jedem Fall sollte die Notwendigkeit einer längeren Liegedauer begründet und dokumentiert werden.
Unterzeichner
Prof. Dr. med. Martin Grond
Vorsitzender des Beirats der DGN
Prof. Dr. med. Gereon R. Fink
Präsident der DGN
Prof. Dr. med. Otto Busse
Stroke Unit Zertifizierungsausschuss der DSG
Prof. Dr. med. Martin Dichgans
1. Vorsitzender der DSG
Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
Prof. Dr. med. Martin Grond
Ärztlicher Direktor & Chefarzt Kreisklinikum Siegen, Haus Hüttental
Neurologie und Neurogeriatrie
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