Rezidive in der Kieferorthopädie: „Retentionskatalog“ des BDK zu Strukturgeschehen und Patientenaufklärung

Rezidive sind ein „naturgegebener Klassiker“ in der Kieferorthopädie: „Wir arbeiten als Kieferorthopäden mit der Natur und mit ihren Strukturen“, sagt dazu Dr. Gundi Mindermann, 1. Bundesvorsitzende des BDK, „und wir müssen einplanen, dass diese Strukturen die natürliche Neigung haben, an ihren biologisch vorgesehenen Platz zurückzukehren.“ Um solchen im Rahmen der ärztlichen Therapie unerwünschten Entwicklungen fachlich vorzubeugen und Patienten entsprechend aufklären zu können, hat der BDK zusammen mit seinem Landesverbandsvorsitzenden Schleswig-Holstein, PD Dr. Dankmar Ihlow, kürzlich einen sogenannten ‚Retentionskatalog’ veröffentlicht – als Hilfe für die Praxis und die Patientenberatung.

Grund für Rezidive sind beispielsweise entwicklungsgeschichtlich bedingte Veränderungen im Faserverbund, wie PD Dr. Ihlow erläutert. Diese veränderten die Zugkräfte im Kiefer und seien für ein Rezidiv mitverantwortlich. Zusammen mit einer Forschergruppe um Prof. Dr. Dietmar Kubein-Meesenburg an der Universität Göttingen, wo PD Dr. Ihlow einen Lehrauftrag hat, habe er erstmals einen solchen „Retentionskatalog“ entwickelt, der nun über den BDK erhältlich sei. Wichtig für die Praxen: „Er ist ein hilfreicher Ratgeber als struktureller Orientierungsrahmen – und eine hilfreiche Unterlage für die Patienteninformation und forensisch auch für die Dokumentation.“ Retention sei kein seltenes Thema bei Gutachten.

Wie verbreitet Rezidive sind, lasse sich nicht sagen: „Deren Anteil hängt vom Ausgangsbefund ab. Grundsätzlich treten bei nahezu allen Behandlungen Rückstellungen der Therapiemaßnahmen auf, weshalb manchmal therapeutisch überkompensiert wird. Beispiel: transversale Nachentwicklung der Maxilla“, sagt PD Dr. Ihlow. Eher selten seien Rezidive bei Klasse II-Fällen, eher häufiger bei korrigierten Engständen, zum Beispiel in der Unterkiefer-Front, sowie bei Rotationen. „Das Rezidivrisiko korreliert mit dem Ausgangsbefund. Dieser hat Einfluss auf die Anwendung der Biomechanik bei der festsitzenden Therapie. Er sollte daher entsprechend Beachtung finden.“

Um ein Rezidiv zu verhindern, muss die Retention ausreichend sein, der Engstand ideal aufgelöst – und der Patient ausreichend aufgeklärt, um die notwendigen Schritte zur Verhinderung eines Rezidivs compliant zu unterstützen: „Wir können eine langfristig stabile Situation nur erreichen, wenn wir die natürlichen Faser-Kräfte berücksichtigen und die biomechanischen Maßnahmen während der Therapie nach Bedarf anpassen – und wenn der Patient dann unsere ärztlichen Retentionsvorgaben auch einhält und mitmacht.“ In der Regel sei mit einer zweijährigen kontinuierlichen Retentionsphase zu rechen – je nach Ausgangsbefund könne das deutlich variieren. „Bei Erwachsenen ist allerdings meist eine lebenslange Retention erforderlich“, so PD Dr. Ihlow.

Vielen Patienten sei nicht klar, dass das Ende einer kieferorthopädischen Behandlung in der Regel der Anfang der Retentionsphase ist: „Wenn man Patienten die biologischen Zusammenhänge erklärt, folgen sie unseren Empfehlungen aber in eindrucksvoller Weise. Das hat eine entsprechende Studie gezeigt, die wir gemacht haben.“ Wie eine solche Aufklärung ablaufen könne, dafür biete das Begleit-Handbuch zur klinischen Anwendung des Retentionskataloges viele praxisnahe Tipps. Die frühzeitige Aufklärung sei wichtig, auch weil manche Patienten ganz allgemein im Hinblick auf eine kieferorthopädische Therapie deren Zeitdauer beklagen – die Retentionsphase verlängere diesen Zeitraum dann noch einmal. Das sei aber gut vermittelbar, sagt PD Dr. Ihlow, da die Patienten verstehen lernten, dass hier MIT der Natur gearbeitet und nicht chirurgisch invasiv eingegriffen werde – Natur aber brauche und verlange Zeit: „Dem Patienten sollte aufgezeigt werden, wie groß sein Vorteil nach der Therapie sein könnte. Grundsätzlich muss der Patient aber die Motivation und den Willen zur Behandlung selbst mitbringen.“ Patienten und Eltern folgten den Retentionsaufklärungen sehr aufmerksam, dabei erweise sich der Retentionskatalog mit seinen farbigen Abbildungen als hervorragend geeignet.

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