Jung, dick und unglücklich – Interdisziplinäre Tagung zur Adipositasschulung in Ulm

Mehr als 1,7 Millionen Kinder in Deutschland haben Übergewicht, etwa 750 000 davon sind adipös. Tendenz: weiter steigend. Nicht nur schwerwiegende Folgeerkrankungen stellen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen ein Problem dar, sondern auch die soziale Stigmatisierung, die einen starken psychoemotionalen Leidensdruck ausübt. Wie dieser Teufelskreis aus ungesunder Lebensführung und mangelndem Selbstwertgefühl langfristig zu durchbrechen ist, darüber beraten bei der Jahrestagung der Konsensusgruppe Adipositasschulung für Kinder und Jugendliche in Ulm am Freitag, den 14. und Samstag, den 15. Juni, Kinder- und Jugendmediziner, Ernährungs- und Sportwissenschaftler, Psychologen und Familientherapeuten. „Im Mittelpunkt steht dabei die kritische und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Patientenschulung und Trainerausbildung“, so der Ulmer Kinderdiabetologe und Mitveranstalter Professor Reinhard Holl.

Die „Konsensusgruppe Adipositasschulung für Kinder und Jugendliche“ (KgAS) führt Erkenntnisse verschiedener Wissenschaftsbereiche zur Adipositastherapie im Kinder- und Jugendalter zusammen. „Wir möchten damit die Behandlung und Versorgung der jungen Übergewichtigen verbessern“, erklärt die Ärztin und Ökotrophologin Dr. Ines Gellhaus als Vorsitzende der Konsensusgruppe.

Bereits vor zehn Jahren hat die Gruppe Richtlinien für die Patientenschulung und Trainerausbildung erarbeitet. Dabei steht nicht nur die Veränderung der Lebensführung, also gesündere Ernährung und mehr Bewegung auf dem Plan, sondern es finden auch psychosoziale Faktoren Berücksichtigung, die für den langfristigen Erfolg von entscheidender Bedeutung sind. Es geht also nicht nur um die Reduktion des Übergewichts, sondern um eine Verbesserung von Selbstwahrnehmung, Selbstakzeptanz und Sozialkompetenz. „Die Kinder müssen vor allem lernen, sich und ihren Körper wertzuschätzen und mit sozialer Stigmatisierung besser fertig zu werden“, meint Ines Gellhaus von der Paderborner St. Vincenz Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Denn stark adipöse Kinder machen weitaus häufiger negative Erfahrungen in sozialen Interaktionen als Normalgewichtige. „Übergewichtige Kinder und Jugendliche reagieren daher häufig mit Introvertiertheit und versuchen, so den alltäglichen frustrierenden Konflikten aus dem Weg zu gehen“, schildert die Ernährungsexpertin. „Erfolg bei der langfristigen Gewichtsreduktion verspricht also nur ein ganzheitlicher Ansatz, der medizinische, soziale und psychische Aspekte gleichermaßen würdigt“, sind sich die Veranstalter sicher.

„In den letzten Jahren hat die Adipositasforschung in all ihren Facetten große Fortschritte gemacht, sodass es an der Zeit ist, die vor zehn Jahren erarbeiteten Richtlinien einem Update zu unterziehen“, meint der Mediziner Holl vom Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie der Universität Ulm. Zu den Hauptreferenten der Veranstaltung gehören unter anderem Professor Wieland Kiess, der als Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Leipzig über Einflussfaktoren auf den Therapieerfolg berichten wird, sowie PD Dr. Susanna Wiegand, Kinderärztin und Endokrinologin von der Berliner Charite, die über die sogenannte bariatrische Chirurgie bei Kindern und Jugendlichen informiert.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. med. Reinhard Holl; FA für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinder-Endokrinologie und Diabetologie; Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Universität Ulm; Albert-Einstein-Allee 41, D-89081 Ulm; Tel: 0731-502-5314; Sekretariat Frau Julia Hösch: Tel 0731-502-5313; Email: reinhard.holl@uni-ulm.de;

Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann

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