Wer glaubt schon mit 13 Jahren, dass Gesundheitsvorsorge wichtig ist? Die Frage eines Jugendlichen an die „Community“ eines Online-Portals spricht Bände: „Hallo Leute, ich bin 13 und habe letztens einen Brief von der Krankenkasse bekommen, in dem stand, dass ich zur J1 eingeladen bin, aber nicht hingehen muss. Aber meine Eltern wollen mich dazu zwingen… habe ich ein Recht, nicht hin zu gehen?“
Der Check-up J1 kann dazu beitragen, körperliche und psychische Probleme von Jugendlichen frühzeitig zu erkennen. Doch wer sich fit und gut drauf fühlt, hat in diesem Alter zumeist andere Prioritäten. Während an den Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter (U1-U9) noch 80 bis 100 Prozent der Kinder teilnehmen, rauschen die Teilnahmezahlen bei den späteren Untersuchungen nach unten. Wie eine erste bundesweite Studie der Wissenschaftler vom Versorgungsatlas nun belegt, nehmen nur 43 Prozent der gesetzlich versicherten Jugendlichen die J1-Untersuchung in Anspruch. „Die Rate in unserer Studie liegt zwar über jenen anderer Untersuchungen“, sagt Dr. Sandra Mangiapane, die Leiterin des Versorgungsatlasses, „gleichwohl muss alles getan werden, um mehr Jugendliche zur Teilnahme zu motivieren.“
GROSSE REGIONALE UNTERSCHIEDE
Dass dieses möglich ist, belegen die deutlichen regionalen Unterschiede sowohl auf der Ebene der Bundesländer als auch auf Kreisebene. Der Stadtstaat Bremen führt beispielsweise mit einer Teilnahmerate von 52 Prozent das Ranking der Bundesländer an. „Diese überdurchschnittlich hohen Teilnahmeraten könnten mit der verstärkten Aktivität des Gesundheitsdienstes in Bremer Schulen in Beziehung stehen“, vermuten die Experten vom Versorgungsatlas. „Bei uns funktioniert nicht nur die Aufklärungsarbeit in den Schulen durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheitsdienst und den niedergelassenen Ärzten“, bestätigt Dr. Gabriele Sadowski, MPH, die Leiterin der Sozialpädiatrischen Abteilung des Gesundheitsamtes Bremen.
Der Spitzenreiter auf Kreisebene liegt in Nordrhein-Westfalen: Im Landkreis Mettmann nahmen 69,7 Prozent der Jugendlichen an der Untersuchung teil. Die Nachfrage der Experten vom Versorgungsatlas vor Ort ergab: Die Gesundheitsbehörden hatten nicht nur die Eltern, sondern auch die Jugendlichen selbst persönlich angeschrieben. „Diese direkte und persönliche Ansprache und damit Wertschätzung scheint bei den jungen Leuten gut angekommen zu sein“,sagt Dr. med. Peter Potthoff, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.
In den neuen Bundesländern lagen die Teilnehmerraten bei der Analyse unter dem Durchschnitt und unter den Raten der alten Bundesländer. Allererste Daten aus Sachsen-Anhalt und Brandenburg aus dem letzten Jahr deuten aber darauf hin, dass verschiedene Initiativen zur Motivation der Jugendlichen ebenfalls erste Erfolge zeigen.
Aufgrund der geringen Teilnahmeraten an der J1-Untersuchung haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) bereits im vergangenen Jahr eine Kampagne „Your Next Top Check-Up J1“ gestartet, um Jugendliche auf das Früherkennungsprogramm aufmerksam zu machen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte plant ebenfalls entsprechende Aktivitäten.
Die Wissenschaftler hatten bei ihrer Studie die pseudonymisierten Abrechnungsdaten aus Arztpraxen von knapp 300.000 Jugendlichen ausgewertet, die im Jahr 2010 15 Jahre alt gewesen waren und in den Jahren 2007 bis 2010 am J1-Gesundheits-Check teilgenommen hatten. Das sind 43 Prozent jener 684.000 Jugendlichen dieser Altersgruppe, die im Jahr 2010 gesetzlich versichert waren. Die erforderlichen Abrechnungsdaten werden von den regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung gestellt.
Über den Versorgungsatlas
Der Versorgungsatlas www.versorgungsatlas.de ist eine Einrichtung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI). Er wurde institutionalisiert als öffentlich zugängliche Informationsquelle mit Studien zur medizinischen Versorgung in Deutschland. Schwerpunkt der Studien sind regionale Unterschiede in der Versorgung sowie in deren unterschiedliche Strukturen und Abläufen. Die Analysen sollen Anhaltspunkte liefern, wie die Versorgung verbessert werden kann. In Diskussionsforen kann jeder Beitrag öffentlich diskutiert werden. Die Analysen der Wissenschaftler des Versorgungsatlasses basieren auf den bundesweiten Abrechnungsdaten der vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland. Die Internet-Plattform steht aber auch anderen Forschergruppen zur Verfügung, die ihre Untersuchungen nach einem Peer-Review auf www.versorgungsatlas.de veröffentlichen können.
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