Die neuen technischen Möglichkeiten zur Vermessung des Gehirns haben in den letzten Jahren zu einer unüberschaubaren Menge von Einzelergebnissen über die Funktion bestimmter Hirngebiete geführt. Was die Forschung nun benötigt, ist eine Theorie, mit der die Komplexität des Gehirns und seine vielfältigen Funktionen als Ganzes betrachtet werden können. Solche Ansätze sollen es beispielsweise ermöglichen, zu erklären, wie lokale pathologische Veränderungen auf Zellebene oder in einzelnen Transmitter-Systemen sich auf die Interaktionen und die Informationsverarbeitung des gesamten Netzwerks des menschlichen Gehirns auswirken.
Inzwischen stehen mit den Ansätzen der Netzwerktheorie bzw. der Analyse des Gehirns als Graphen (d.h. als Netzwerk von neuronalen Knoten und Kanten) eine Vielzahl mathematischer Methoden zur Verfügung, die Interaktionen in diesem hochkomplexen System beschreiben und untersuchen.
Interessanterweise lassen sich derartige Ansätze auch auf andere komplexe Systeme (Klima, Börsenkurse, soziale Netzwerke etc.) anwenden, da die Netzwerk-Theorie als eine gemeinsame Wissenschaftssprache fungiert, mit der Informationen interdisziplinär ausgetauscht werden können.
Im Rahmen der Hirnforschung erzielen die Anwendungen der Netzwerktheorie im klinischen Bereich einen hohen Aufmerksamkeitswert: Durch die Analyse und statistische Modellierung von Netzwerkzuständen lassen sich Veränderungen im Rahmen von Krankheiten erkennen und erklären – Informationen, die nicht nur für die Diagnostik, sondern potentiell auch für die Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen wichtig sind.
Im Rahmen des Symposiums sollen die neuen Netzwerk-Ansätze für die Auswertung von Gehirndaten diskutiert werden. Den Organisatoren ist es gelungen, international renommierte Experten aus dem Bereich der komplexen Systemforschung zu gewinnen. So wird beispielsweise Prof. Dietmar Plenz (Bethesda, USA) über die Selbstorganisation neuronaler Netzwerke und die lawinenartige Ausbreitung von Aktivitätszuständen im Kortex sprechen. Prof. Edward Bullmore (Cambridge, GB) ist Experte im Bereich bildgebender Verfahren, Psychopharmakologie und neuronaler Netzwerkaktivität im gesunden Gehirn und bei neuropsychiatrischen Störungen. Prof. Steven Bressler (Boca Raton, USA), Prof. Gustavo Deco (Barcelona, Spanien) und Prof. Peter Robinson (Sydney, Australien) sind als führende Experten in der computergestützten Modellierung von komplexen Gehirnnetzwerken ebenfalls Sprecher des dreitägigen Symposiums.
Gefördert wird das Symposium durch das Assoziierte Junior Fellowship Programm des Hanse-Wissenschaftskollegs (mit freundlicher Unterstützung des MWK Niedersachsen) und durch das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Die Tagungssprache ist Englisch.
Presseanfragen beantwortet gerne: Heidi Müller-Henicz, E-Mail: hmuehenicz@h-w-k.de